VEB Kraftwerk Finkenheerd

Julian-Dakota Bock

Nach der Stilllegung des ab 1921 am Brieskower See errichteten Kraftwerkes Finkenheerd im Februar 1945 und der Besetzung durch die Rote Armee wurde bereits am 12. Juni 1945 wieder Strom ins Netz geliefert, was dazu führte, dass am 10. Juli 1945 in Frankfurt (Oder) die erste Straßenbahn wieder fahren konnte. Nach der Übernahme durch die sowjetische Militäradministration (SMAD) begann im Kraftwerk in der Folge jedoch ein umfangreiches Demontageprogramm für Reparationsleistungen. Aus den Kesselhäusern 2 und 3 wurden je vier Kessel und zwei weitere aus dem Kesselhaus 4 demontiert. Außerdem wurden die leistungsfähigen Turbosätze 5 bis 8 demontiert. Zwar gelang es bis 1947 die verbliebenen Maschinen 1 bis 4 nach Beseitigung kriegsbedingter Schäden wieder in Betrieb zu nehmen, doch das einstige „Großkraftwerk" hatte nur noch eine Leistung von 75 MW. Die Sowjetische Militäradministration übergab das Kraftwerk am 13. August 1946 wieder der MEW AG. Entsprechend den politischen Verhältnissen in Ostdeutschland wurde der Betrieb am 01. Juli 1948 verstaatlicht (Kahl 2009, 112).

In der Zeit des Wiederaufbaus gab es im Kraftwerk verschiedene Probleme. Nicht nur die Versorgung der Arbeiter gestaltete sich schwierig, auch Werkzeuge und verschiedene Maschinenteile waren nur schwer zu bekommen. Darüber hinaus verzögerte ein Mangel an Schreibmaschinen die Verwaltungsabläufe im Werk. Im Jahr 1947 kam es außerdem zu einem Hochwasser, welches erneut Teile des Betriebes lahmlegte. Diese Probleme hatten zur Folge, dass die Stromversorgung im Osten Brandenburgs bis in die frühen 1950er Jahre äußerst instabil blieb.

Im Jahr 1951 wurde das Kraftwerk Finkenheerd Teil des Energiebezirkes Mitte und konnte im darauffolgenden Jahr seine Stromerzeugung verdoppeln. 1952 wurde es als „VEB Kraftwerk Finkenheerd, Volkseigener Betrieb der Energiewirtschaft“ Teil des VVB Energiewirtschaft.

Die Kohleversorgung über die Grube Finkenheerd erfolgte bis zu deren Stilllegung. 1958 wurde die Braunkohlenförderung im Tagebau und 1959 im Tiefbau wegen Erschöpfung der wirtschaftlich gewinnbaren Vorräte in der Umgebung des Kraftwerkes eingestellt. Die Versorgung musste nun über Lieferungen aus den Lausitzer Tagebauen organisiert werden. Die Transportentfernung wuchs damit auf ca. 90 km, was insbesondere im Winter zu Entladeschwierigkeiten durch Anfrieren der sehr wasserhaltigen Rohbraunkohle führte. Es war deshalb erforderlich, eine Auftauhalle zu errichten und einen Kohlenlagerplatz am Kraftwerk anzulegen (Kahl 2009, 112). Im Jahr 1960 kam es zu einer größeren Havarie auf der Kohlenbahn, als ein E-Greifer mit der Freileitung in Berührung kam und so einen Kurzschluss auslöste (Abb. 1-4).

Bis zum Jahr 1961 wurde durch kontinuierliche Rekonstruktionsmaßnahmen eine Leistung von 171 MW im Kraftwerk Finkenheerd erreicht. Damit befand es sich auf dem Stand des Jahres 1931. Im Jahr 1963 wurde das Kraftwerk dem „VEB Kraftwerke „Artur Becker Trattendorf“ zugeordnet.

Eine neue Entwicklungsetappe begann Anfang der 1970er Jahre mit dem Beschluss, Finkenheerd zum Heizkraftwerk für die sich in dieser Zeit stark entwickelnde Bezirks- und Industriestadt Frankfurt (Oder) umzurüsten. Zu diesem Zeitpunkt war der Beitrag des Kraftwerkes zur Grundversorgung mit Strom nicht mehr so bedeutend, da diese von den inzwischen errichteten neuen Braunkohlen-Großkraftwerken wie Lübbenau, Vetschau, Hagenwerder, Schwarze Pumpe u. a. übernommen wurde. Durch die Umstellung der Wohngebiete der Stadt Frankfurt (Oder) und der Industriebetriebe auf Fernwärme war es möglich, die bis dahin betriebenen innerstädtischen Heizwerke mit meist starker Umweltbelastung stillzulegen und auf Neuanlagen zu verzichten. Als Wärmeübertragungsmedium wurde Heißwasser von 190 °C (minimal 110 °C) bei einem Druck von 30 bar verwendet. Bereits am 6. Oktober 1973 konnte die erste Fernwärme geliefert werden. Bis 1990 wurden 23.000 Wohnungen, 100 Industriebetriebe sowie 200 öffentliche Einrichtungen an das Netz angeschlossen und vom „Heizkraftwerk Finkenheerd“, so nunmehr der offizielle Name, sicher mit Wärme versorgt (Kahl 2009, 112) (Abb. 5, 6).

Nach dem Ende der DDR 1989/90 wurde das Werk von der Firma „Oder Spree Energieversorgung“ übernommen. Diese stellte die Produktion im Kraftwerk Finkenheerd aufgrund der hohen Instandhaltungskosten ab 1992 ein. Im Jahr 1996 erfolgte schließlich der Abriss des Kraftwerkes.

Literatur

Kahl, Dieter u.a. (Hrsg.): Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte ehemaliger Braunkohlenkraftwerde (= Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, 10). Cottbus 2009, S. 110-114.

Wulff, Hans u.a.: 40 Jahre Kraftwerk Finkenheerd 1921-1961. Vom MEW-Konzern zum volkseigenen Betrieb. o.O. 1961.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-4 Wulff 1961.

Abb. 5 Kahl, Dieter u.a. (Hg.): Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte ehemaliger Braunkohlenkraftwerde (= Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, 10). Cottbus 2009, Bildteil 61.5.

Abb. 6 SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Martin Langer

Empfohlene Zitierweise

Bock, Julian-Dakota: VEB Kraftwerk Finkenheerd, publiziert am 15.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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