Öfen und Ofenkacheln für Fürstenwalde und die Hauptstadt

Florian Wilke

Im Bestand des Museums Fürstenwalde befinden sich Fehlbrände, Halbfabrikate und besonders qualitätvoll oder innovativ gestaltete frühe Ofenkacheln aus dem 15. und 16. Jahrhundert. In dieser Zeit hatte jede Stadt eigene Töpfereien, welche selbstverständlich solche Produkte herstellten. An geeignetem Ton bestand in Fürstenwalde Mangel, so dass sich die Töpfer ihren Rohstoff z.T. heimlich aus dem Gebiet jenseits der Spree, aus einem anderen Kreis bzw. einem anderen Land holten.

Die Situation änderte sich schlagartig mit der Industrialisierung. Die Städte wuchsen, und damit wuchs vor allem der Bedarf an Öfen für die nahe Hauptstadt Berlin. Auch Fürstenwalde und andere aufblühende Städte benötigten Ofenkacheln für ihre Neubauten. Aus der langen Tradition heraus war in der Stadt kein Mangel an fachlicher Kompetenz. Dem Mangel an örtlich anstehenden und für die industrielle Fertigung geeignetem Ton konnten die inzwischen verbesserten Verkehrsverbindungen ausgleichen. So gaben mehrere Firmen an, den Ton aus einem eigenen Tonberg bei Rüdersdorf zu beziehen. Manch ein Töpfer fertigte immer schon Ofenkacheln, ohne damit besonders in Erscheinung zu treten. Durch archäologische Funde wissen wir beispielsweise, dass ein Töpfermeister Bräunig Ofenkacheln herstellte und diese auch mit seinem Firmenstempel versah.

Die Gründungswelle der großen Fabriken begann 1860 mit der Gründung von „O. Titels Kunsttöpferei“, welche sich später stolz als „größte Schmelzofen-Kachelfabrik Deutschlands“ (Katalog O. Titels, um 1900, verschollen) bezeichnete. Es folgten G. Durin 1862, Dommisch 1869, W. Durin 1875, Carl Kniffert und Godduhn 1889, Wilhelm Boge 1892 und noch vor 1905 Eduard Risse. Im nahen Ketschendorf ging auf „Victoria“ 1862 die Fabrik von Haufe bzw. Neumann, später Schiller, in Betrieb. Die Firmen waren wirtschaftlich und personell miteinander verwoben, so dass sich die Rechtsformen, Teilhaber und Bezeichnungen oft änderten.

Natürlich wurden nicht nur Öfen, sondern auch Herde, Fliesen u.a. hergestellt. Einen größeren Anteil machte die Baukeramik aus, ein Zierrat, welcher beispielsweise am „Haus Germania“ der Samariteranstalten zu bewundern ist. Prächtige neobarocke und Neorenaissanceöfen verließen nur selten die Fürstenwalder Fabriken. Es dominierte der sogenannte „Berliner Ofen“. Dieser bestand aus glatten weißen Kacheln, welcher mit unglasierten Zierkacheln eingerahmt, zumindest aber bekrönt wurde. Der typische Ofen reichte stets bis zur Zimmerdecke und war darum oft um die drei Meter hoch. Die Öfen besaßen mitunter einen schmalen Unterbau in Höhe einer Kachel oder seltener aus einer Schmuckleiste. Darauf folgte ein Sockel, der drei Kacheln hoch war, gefolgt von dem etwas schmaleren Korpus in Höhe von sechs Kacheln. Höhere Öfen entstanden durch höhere Bekrönungen und gegebenenfalls dem genannten Unterbau. In Ausnahmefällen, für ganz besonders hohe Räume, wurde manchmal auch eine weitere Reihe Kacheln in den Korpus eingebaut. Alle großen Exemplare hatten eine prächtige Schmuckkachel im oberen Drittel, welche matt waren, aber auch ein- oder mehrfarbig glasiert sein konnten. Auch die Breite war ähnlich, 4 oder 4 ½ Kacheln Sockelbreite und 3 ½ oder 4 Kacheln Korpusbreite. Dabei sind eventuell vorhandene Rahmungen, zusätzliche Friese und spezielle Bauformen, etwa für schräg in Ecken gebaute Öfen, zu berücksichtigen. 

Einfache Öfen für kleine Stuben und Schreibstuben in Ämtern waren niedriger und mussten ohne Schmuckkachel auskommen. Sie waren oft spärlich dekoriert. Die Schmuckkachel fehlt bereits, wenn die Höhe des Korpus um eine Kachelhöhe auf fünf Reihen reduziert werden musste. Diese Normung entstand, wie viele frühe Industrienormen, aus sich selbst heraus. Um mit den erfolgreichen Modellen der Marktführer mithalten zu können, wurden die entsprechenden Maße und Strukturen von vielen verschiedenen Herstellern aufgegriffen. Normen entstanden im 19. und frühen 20. Jahrhundert in allen Bereichen überwiegend ohne behördlichen Eingriff.

Der Berliner Ofen wurde in Fürstenwalde, Meißen und Velten hergestellt. Bereits seit den 1880er Jahren kam es in den Zentren der Keramischen Industrie zu Arbeitskämpfen, z.B. in Altona, Lübeck, Berlin, Meißen, Velten, Stettin oder Pirna, und es bildeten sich erste Interessenvertretungen. Der im Jahr 1894 gebildete „Wahlkreis 4“, zu dem Fürstenwalde gehörte, wurde durch Herrn  Graßnick vertreten. Die deutschen Ofenfabrikanten konnten sich zunächst, vor 1904, nicht auf einen deutschen Fabrikantenverband einigen, zu unterschiedlich waren die regionalen wirtschaftlichen Interessen und Bedingungen. 1903 gab es einen Streik in Dresden, der zwar bald mit einem Kompromiss endete, aber doch eine Kettenreaktion auslöste. Die Meißner Fabrikanten waren freundschaftlich mit den Dresdner Fabrikanten verbunden und bildeten damit eine Brücke zu den anderen beiden großen Zentren, Fürstenwalde und Velten, welche Berlin belieferten. Am 1. Juli 1903 kündigten auch die Veltener Arbeiter die Tarife. Die wohl etwas besser gestellten Fürstenwalder Töpfer kamen wenig später hinzu. Konferenzen, teilweise geheim, ein Boykott von solidarischen Ofensetzern, die Ausarbeitung von Statuten für Vereine und Verbände, Aussperrungen u.a. folgten kurz aufeinander. Letztendlich kam es am 2. Januar 1904 zu einem neuen Tarifvertrag. Erstmals handelte es sich um keinen Tarifvertrag für einen einzelnen Ort oder ein Unternehmen, sondern um einen Vertrag, der die drei großen Zentren der Zulieferer von Berlin - Velten, Meißen und Fürstenwalde - umfasste. Verhandelt und beschlossen wurde er in Fürstenwalde. Der Tarifvertrag war das deutschlandweite Vorbild für alle weiteren Tarifvereinbarungen. Aus ihm erfahren wir auch etwas zur Bedeutung der Kachelindustrie in Fürstenwalde, denn auf Seite der Fabrikanten wurde der Vertrag von 9 Fürstenwalder Personen, aber nur 2 Personen aus Velten und einem Meißner Fabrikanten unterschrieben. Auf der Arbeitnehmerseite sieht es ähnlich aus. Fünf Vertretern aus Fürstenwalde stehen drei aus Velten und einer aus Berlin gegenüber.

Nach dem ersten Weltkrieg änderte sich die Form der Kachelöfen nachhaltig. Dennoch blieb die Ofenkachelindustrie noch lange Zeit ein bedeutender Wirtschaftszweig in Fürstenwalde und so mancher Ofen wurde in den 1920er Jahren von einem Bildhauer entworfen. Bis zur Sprengung 1968 produzierte die einst größte Kachelofenfabrik Deutschlands als VEB Ofenkachelwerk Fürstenwalde. (Abb. 5) Heute ist dieser Industriezweig in Fürstenwalde ausgestorben, doch in manchen Wohnungen in Fürstenwalde und Berlin erinnern noch Kachelöfen jener Zeit an diesen einst wichtigen Wirtschaftszweig.

Literatur

Drunsel, Adam: Die Geschichte der Deutschen Töpferbewegung. Berlin 1911.

Wilke, Florian: 1904 - der Tarifvertrag für die Töpfer setzt Maßstäbe. In: Fürstenwalder Lesebuch II, Berlin 2009, S. 84 ff.

Grund, Uta / Weber, Wolfgang / Wilke, Florian u.a.: Faktensammlung zur Keramischen Industrie. Dokumentation im Museum Fürstenwalde. Ab 1955 fortgeschriebene Sammlung, hier ab 1989.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-5 Museum Fürstenwalde.

Empfohlene Zitierweise

Wilke, Florian: ZÖfen und Ofenkacheln für Fürstenwalde und die Hauptstadt, publiziert am 17.10.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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