Pumpenfabrik und Eisengießerei Henry Hall, Fürstenwalde

Florian Wilke

Das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Dampfkraft und das Jahrhundert, in dem das Bürgertum grenzenlose Zukunftsvisionen hatte. Daneben existierten jedoch technische Probleme, an denen sich viele Erfinder lange Zeit erfolglos versuchten. Im Bereich des Pumpenbaus gab es damals gleich mehrere anscheinend unlösbare Dinge. Dampfpumpen erforderten eine komplizierte und teure Dampfmaschine als Antrieb und eine genauso komplizierte Pumpe, jeweils mit vielen präzisen beweglichen Teilen. So eine Anlage war eigentlich viel zu teuer, um gelegentlich eine kleine Menge Flüssigkeit zu bewegen. Außerdem erforderten die Anlagen Fachpersonal und eine Intensive Wartung. Verschmutzte Medien waren ein Problem, denn sie schädigten die Pumpen. Auch die Mobilität war eingeschränkt. Ein einfaches und robustes Pumpensystem wurde dringend benötigt!

In New York erfand Henry Hall im Jahr 1872 eine derartige Pumpe, die er Pulsometer nannte. Sie funktionierte nach dem Prinzip der frühen atmosphärischen Dampfmaschinen des 18. Jahrhunderts, doch mit selbsttätiger druckabhängiger Steuerung. Der Dampf in einer von zwei Kammern kondensierte und saugte dabei über ein einfaches und robustes Fußventil Wasser an. War der Dampf abgekühlt, so veränderten sich die Druckverhältnisse in dem Behälter und brachte damit das Dampfeinlassventil zum Umschlagen. Nun drückte der Dampf auf die Wasserfläche des Kessels und beförderte es in die Druckleitung. In dem anderen Behälter fand der jeweils entgegengesetzte Vorgang statt.

Das Gerät war nicht effizient und verbrauchte verhältnismäßig viel Dampf. Dafür war es klein und billig, brauchte keine Wartung, konnte ohne Mühe Schmutzwasser fördern und war durch jeden Arbeiter zu bedienen. Es wurde zur Wasserhaltung in Bergwerken eingesetzt, zur Grundwasserabsenkung bei Bauvorhaben, als Lenzpumpe, Löschwasserpumpe und Deckwaschpumpe in der Schifffahrt, zur Schlammgewinnung und vor allem zum Betreiben von Wasserkränen für das Füllen von Dampflokomotiven. Pulsometer gehörten zu den besonders wichtigen universellen Pumpen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Verwertungsrechte für die Erfindung übertrug Hall der späteren „Pulsometer Steam Company New York“. (Abb. 1, 2)

Henry Hall wähnte sich gerade am Ziel, als auf der Weltausstellung in Philadelphia 1876 die Firma „Aquameter-Steam-Pump-Co. Philadelphia“ auftrat, und ihm Ruhm und Umsatz durch Lug und Trug streitig machte.

Dagegen anzugehen war seinerzeit schwer und nicht das Metier eines Technikers. In Europa vermutete er bessere Möglichkeiten. Er ging 1875 nach England, wo die Firma „Hodgekin-Neuhaus & Co.“ das Ausführungsrecht für Pulsometer bekam. Ab 1878 nannte sich die Fabrik „The Pulsometer Engineering Company Ltd“, heute produziert sie unter dem Namen „SPP“.

Die nächste Station war Deutschland, und zwar die Wilhelmshütte in Eulau (Iława) bei Sprottau (Szprotawa). Hier beauftragte der Verein Deutscher Ingenieure Carl Schaltenbrand mit der Untersuchung der Maschine. Es wurden in dieser Zeit Verbesserungen an den Ventilen vorgenommen. Für Schmutzwasser blieben allerdings die alten Kugelventile unverzichtbar. Dynamischere Tellerventile und ein Pendelventil für die Dampfsteuerung steigerten die Leistung bei weniger verschmutztem Wasser. Die neue Bauform hieß Pendel-Pulsometer.

In dieser Zeit, um 1877, muss Henry Hall dem „Civil und Bergingenieur“ Carl Eichler begegnet sein. Vermutlich war dieser Mann ein Fürstenwalder Bürger. Sein Engagement im Braunkohlebergbau leitet sich wohl auch von dieser Herkunft ab, von den Gruben unmittelbar südlich von Fürstenwalde. Ebenfalls Ende der 1870er Jahre gründete Henry Hall Zweigstellen in Wien und Berlin. Das Wiener Büro bestand bis 1909 und wurde lange Zeit von Carl Eichler geleitet. Nach dem Tod Henry Halls im Februar 1882 in London wurde Carl Eichler sein Nachfolger. (Abb. 3, 4)

Die Produktion fand, anscheinend auf Betreiben Eichlers, dagegen in Fürstenwalde statt. Das wurde anfangs kaum wahrgenommen, konnten doch die zugelieferten Teile einfach in einer angemieteten Werkstadt eines Bürgerhauses in der Stadt montiert werden. Das von dieser Stelle aus große Teile Europas mit Pulsometern versorgt wurden, war höchstens den Käufern klar, aber wohl kaum den Einwohnern der Stadt.

Im Jahr 1889 wurde dann unter undurchsichtigen Umständen die Liegenschaft einer Wollspinnerei, welche zwischen dem Stadtpark und der Stadt lag, erworben und umgebaut. Hier entstand 1891 eine Eisengießerei. Damit war man von den Kapazitäten und der Auftragslage der Zulieferer unabhängig.  Wenig später wurden auch Dampfkessel, Lokomobile und Fahrpulsometer, Wasserkräne, Wassertürme für Eisenbahnen u.a. gefertigt.

Der Firma ging es in Fürstenwalde blendend. (Abb. 5) An der Spree entstand eine aufwändige Testanlage für Pumpen. Die Pulsometer lieferte man von Fürstenwalde aus in das gesamte Deutsche Reich, nach Österreich-Ungarn sowie nach Russland. In dem Katalog, den die Geschäftsstelle in Wien zwischen 1900 und 1903 herausgab, wirbt die Firma mit zahlreichen Gold- und Silbermedaillen regionaler und internationaler Industrieausstellungen. (Abb. 6) Es werden wenig später 41 wichtige Staatspreise, Gold und Silbermedaillen genannt!

Carl Eichler verstarb 1903 und Edmund Eichler übernahm den Betrieb. Edmund Eichler zog zunächst in das attraktivere Berlin und gab das Pumpengeschäft 1909 schon wieder auf.

Es wurde daraufhin eine GmbH gegründet, bei der die Entscheidungsträger und Geldgeber kaum etwas mit dem Fürstenwalder Pumpengeschäft zu tun hatten. Dabei war die Zeit gerade für Hersteller von Dampfpumpen schwierig.

Die Epoche, an der an jeder Ecke ein Dampfkessel stand, war vorbei. Dafür stand nun überall elektrischer Strom zur Verfügung. Ein Elektromotor konnte nun eine sogenannte Kreiselpumpe direkt antreiben, bei der nur noch der Kreisel beweglich ist. In der Mitte desselben wird die Flüssigkeit angesaugt und durch die Fliehraft zwischen den Flügeln des rotierenden Kreises nach außen in die Druckleitung gefördert.

Durch einen großen Kundenstamm, durch andere Pumpentypen und einige ganz spezielle Konstruktionen blieb die Firma jedoch ein wichtiger Produzent in Deutschland. (Abb. 7) Das führte 1927 zur Vereinigung mit Borsig zur Firma Borsig-Hall bzw. zur VDP, zur „Vereinigung Deutscher Pumpenfabriken Borsig-Hall“. (Abb. 8) In kurzer Zeit wurden weitere Pumpenfabriken in die Firma aufgenommen.

Turbulenzen bei dem großen Partner in Berlin, ungerechtfertigte Schuldzuweisungen, mangelnde technische Weiterentwicklung, Eifersüchteleien unter den Führungskräften und Betriebsteilen erschwerten das Pumpengeschäft. Als Borsig 1930/31 kurzzeitig zahlungsunfähig wurde, riss es die VDP mit in dem Abgrund. „Henry Hall“ existierte zwar noch einige Zeit als reine Eisengießerei, doch bereits vor dem großen Umbruch 1945 sind keine Aktivitäten mehr nachzuweisen. Das Gelände gehörte nun einem Kaufmann Paul Schmidt. Ab 1945 nutzte es die Rote Armee.

An die Pulsometer besteht heute keine Erinnerung mehr. Die meisten Dampfpumpen verschwanden schon in den 1920er Jahren. Nur in Tirol, an einer Station der Achenseebahn, arbeitete bis 2020 noch ein Hallscher Pulsometer aus Fürstenwalde, welcher 1889 hergestellt wurde. Der Zahnradlokomotive entnahm man dafür den Dampf, mit welchem ein „Pulsometer № 5“ Wasser aus einem Gebirgsbach pumpte und über den Wasserkran in die Wassertanks der Lock förderte. (Abb. 9)

Literatur

Alphabetisches Verzeichnis einiger von der Firma Carl Eichler vorm. Henry Hall, Wien – Fürstenwalde Spree – Berlin, ausgeführter Eisenbahnwasserstationen. In: Original- Pulsometer Carl Eichler, vorm. C. H. Hall, Wien (1900/1903).

Wilke, Florian: Der Wiener Katalog mit einer Betriebsgeschichte der Pumpenfabrik Henry Hall. Münster 2010.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 SCIENTIFIC AMERICAN, New York, 31. 7. 1880

Abb. 2 SCIENTIFIC AMERICAN, New York, 30. 8. 1873

Abb. 3, 4, 6-8 Sammlung Wilke

Abb. 5 Sammlung Andreas Simon †, Rauen

Abb. 9 https://bimmelbahn-forum.de/forum/index.php?thread/14310-ohne-wasser-f%C3%A4hrt-keine-dampflok/

Empfohlene Zitierweise

Wilke, Florian: Pumpenfabrik und Eisengießerei Henry Hall, Fürstenwalde, publiziert am 01.10.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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