Deutsche Kabelwerke AG, Fürstenwalde

Vinzenz Czech

In den Jahren 1922 bis 1924 errichteten die „Deutschen Kabelwerke AG“ in Ketschendorf bei Fürstenwalde einen Zweigbetrieb. Das Unternehmen war 1896 vom jüdischen Unternehmer Siegfried Hirschmann mit weiteren Partnern als Aktiengesellschaft „Deutsche Kabelwerke vorm. Hirschmann & Co.“ in Boxhagen bei Berlin gegründet worden (Abb. 1). Die Produktpalette umfasste in den ersten Jahren die Herstellung von Kabeln für Schacht- und Hüttenanlagen. Die Firma stieg zum führenden Hersteller in dieser Sparte auf und zählte zu den namhaftesten Werken dieser Branche im Kaiserreich. Später kam die Produktion von Starkstromkabeln für die Berliner S-Bahn bis zu Überseekabeln hinzu. Darüber hinaus erfolgte eine Ausweitung in den Automobilbereich durch die Übernahme der „Cyklon Maschinenfabrik GmbH und Automobilfabrik“ zwischen 1904 und 1907 sowie nach dem Ersten Weltkrieg die Gründung der „Deka Pneumatik GmbH“ im Jahr 1922.

Da die Erweiterungsmöglichkeiten des Unternehmens in Boxhagen erschöpft waren, kauften die Deutschen Kabelwerke zu Beginn der 1920er Jahre ca. 33 Hektar Land bei Fürstenwalde (Spree), um die Kabelproduktion dorthin auszulagern. Die Gummi- und Reifenproduktion verblieb dagegen in Berlin.

Das Gelände besaß eine 900 Meter lange Wasserfront an der Spree. Mit der Befestigung des Ufers entstand dort ein Hafen mit einer 350 Meter langen Verladerampe. Ein fahrbarer Kran mit einer Reichweite von über 70 Metern sorgte für die Be- und Entladung der anlegenden Frachtschiffe (Abb. 2, 3). Das Gelände verfügte zudem über einen eigenen Gleisanschluss zum Bahnhof Fürstenwalde. Die Fabrikanlagen umfassten ein Kraftwerk und ein Elektrizitätswerk. Das Kupferwalzwerk war als freistehende Halle mit einer täglichen Verarbeitungsleistung von bis zu 200 Tonnen Barrenkupfer errichtet. Neben dem Kupferdrahtziehwerk mit Verzinnerei befand sich die Bleikabelfabrik. Diese bestand aus elf zusammenhängenden, aus Eisenbeton errichtetet Hallen mit 24.000 Quadratmetern Fläche. Die einzelnen Hallen waren mit elektrischen Laufkränen ausgestattet und miteinander durch einen hochgelegenen, überdachten Laufgang verbunden. Auf dem Fabrikgelände befanden sich noch ein vierstöckiges Verwaltungsgebäude mit Kantinenanbau, eine Anzahl Lagergebäude und vier Beamtenhäuser. (Siebke 1930, 8). 1925 nahm das Werk seinen Betrieb auf.

Die für die Herstellung notwendigen Kupferbarren kamen aus Übersee und erreichten nach Umladung auf Frachtkähne unmittelbar die Verladerampe des Werkes. Zunächst wurden die ca. 90 Kilogramm schweren Barren in einem Ofen auf bis zu 600 Grad erhitzt. In einer Vorstraße von verschiedenen Walzen mit stets abnehmendem Querschnitt gestreckt, wurde das Kupfer in der folgenden Fertigstraße auf Drähte von 6-9 Millimeter Durchmesser gezogen und auf eine Haspel aufgewickelt. Aus einem Kupferbarren von 90 Kilogramm konnten etwa 160 Meter Walzdraht mit 9 Millimeter Durchmesser gezogen werden. Anschließend musste die entstandene oberflächliche Oxydationsschicht in Schwefelsäurebädern entfernt werden. In einer anderen Halle erfolgte dann das Ausziehen der Kupferwalzdrähte auf Grob-, Mittel- und Feinzugmaschinen auf die gewünschten Durchmesser. Die bei diesem Prozess spröde und hart gewordenen Drähte mussten, um ein späteres Brechen zu verhindern, in der sich anschließenden Glüherei unter Ausschluss von Luft abermals erwärmt werden. Danach wurden sie in der Verzinnerei in Schwefelsäure gereinigt und dann durch heiße Zinnbäder gezogen. Nun war der eigentliche Kupferleiter vorbereitet und es konnte mit der Kabelproduktion begonnen werden.

Je nach Art der Verwendung wurden die Kabel als Hoch- oder Niederspannungskabel gefertigt. Ein wesentlicher Produktionszweig war die Fertigung von Fernsprech- und Telefonkabeln. Die in den 1920er Jahren stetig wachsende Zahl von Telefonverbindungen führte zu entsprechender Nachfrage und wachsenden Anforderungen bei der Herstellung. Die Kabelwerke stellten dafür in dieser Zeit ein Kabel mit 3.200 Einzeladern her, mit dem bis zu 1.600 Gespräche gleichzeitig geführt werden konnten. Die einzelnen dafür notwendigen Kupferdrähte wurden für Ortsnetze auf 0,5 Millimeter Durchmesser gezogen und bei Fernkabeln auf 1,5 Millimeter. Jede Einzelader bekam eine oder zwei Lagen Isolierpapier auf Telefonader-Umspinnmaschinen umwickelt.

In Paaren oder zu viert wurden die Kabel dann auf entsprechenden Verseilmaschinen zu einer Kabelseele verseilt und diese nochmals mit einem Papiermantel umgeben (Abb. 4, 5). Unter Vakuum getrocknet gelangte die Kabelseele zur Bleipresse und wurde unter Druck mit einem Bleimantel versehen (Abb. 6). Kabel, welche direkt in der Erde oder im Wasser verlegt werden sollten, bekamen noch weitere Schutzmäntel aus einer Isoliermasse aufgezogen. Auf eine Kabeltrommel gewickelt erfolgte abschließend noch die Prüfung der Dichtheit des Kabels bevor es schließlich in den Versand ging (Abb. 7-9). (o.A. 1931, 75-80)

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten drängten diese die Familie Hirschmann nach und nach aus dem Unternehmen. Siegfried und Bernhard Hirschmann wurden unter dem Vorwand der Bilanzverschleierung zeitweise inhaftiert und genötigt, die Firma viel zu billig zu verkaufen. Alle Verträge im Zusammenhang mit der Führung ihrer Firma wurden gekündigt. Gegen eine Abstandszahlung von 2.500 Mark war damit die sogenannte „Arisierung“ der Kabelwerke vollzogen. Die Gebrüder Hirschmann und ihre Familien verließen Deutschland zwischen 1935 und 1939. Auf Betreiben der Nationalsozialisten erwarben schließlich die „Kabelwerke Rheydt“ im Rheinland mithilfe der Dresdner Bank die meisten Aktien der „Deutschen Kabelwerke“.

Im Jahr 1937 begann die „Deutsche Kabelwerke AG“ in der direkten Nachbarschaft in Ketschendorf mit dem Bau eines neuen Werkes für die Herstellung von kriegswichtigen Reifen sowie Gummierzeugnissen für Panzer und Artilleriegeschütze. Bekanntlich war die „Deka Pneumatik GmbH“ seit 1922 Bestandteil des Unternehmens. Das Werk war von Anfang an als reiner Rüstungsbetrieb zur Versorgung der Deutschen Wehrmacht geplant.

Am 16. April 1945 gab es einen Fliegerangriff auf Fürstenwalde. Obwohl die gesamte Stadt erhebliche Schäden und Zerstörungen zu verzeichnen hatte, blieben die Produktionsstätten der „Deutschen Kabelwerke“ und der „Deka Pneumatik“ nahezu unversehrt. Nach dem Krieg wurden die Werke jedoch demontiert und enteignet.

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Deutsche Kabelwerke AG, Ketschendorf [Siehe: Hier]

Literatur

o.A.: Ein Industriedorf der Mark. In: Kreiskalender für den Kreis Beeskow-Storkow 1931, S. 75-80.

Siebke, Ernst: Ketschendorf. Vom Bauernhof zum Industrieort. In: Kreiskalender für den Kreis Beeskow-Storkow 1930, S. 1-8.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Deutsche_Kabelwerke_(Briefkopf_1895).jpg#mw-jump-to-license (CC BY-SA 4.0)

Abb. 2-5, 7, 8 Museum Fürstenwalde.

Abb. 6, 9 Kreiskalender Beeskow-Storkow 1931.

Empfohlene Zitierweise

Czech, Vinzenz: Deutsche Kabelwerke AG, publiziert am 03.10.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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