VEB Gubener Wolle

Katrin Verch (bearbeitet und ergänzt von Vinzenz Czech)

Die Tuchindustrie hat in Guben eine jahrhundertealte Tradition. Im Gegensatz zum benachbarten Forst war sie jedoch bereits am Ende des 19. Jahrhunderts nur noch in wenigen Großbetrieben konzentriert; um 1900 waren es noch elf Tuchfabriken, 1939 nur noch acht (Pagel 2004, 38). Alle Tuchfabriken hatten am Ende des Zweiten Weltkriegs Zerstörungen zu beklagen, wobei das Ausmaß sich durchaus unterschiedlich gestaltete. Nicht vergessen werden darf, dass alle Anlagen im Stadtgebiet östlich der Neiße durch die neue Grenzziehung verloren gingen. Nach und nach nahmen einzelne Betriebe mit den verbliebenen Maschinen die Produktion wieder auf, so dass im Januar 1946 bereits mehrere Hundert Beschäftigte in den einzelnen Betrieben arbeiteten.

Auch in Guben setzten in der Folge die Enteignungen der ehemaligen Tuchfabrikanten und die Demontage von Maschinen in den einzelnen Betrieben ein. Die „Tuchfabrik C. Lehmann's Wwe. & Sohn“, der ehemals größte und modernste Betrieb der Stadt, war von der Demontage zwar verschont geblieben, jedoch erfolgte 1948 die Vereinigung mit der Firma „Reißner, Wohl & Co. Nachf.“ zum „VEB Gubener Wolle“. „Lehmann's Wwe. & Sohn“ hatte im Jahr 1938 im Zuge der sogenannten „Arisierung“ die „Fa. Reißner, Wohl & Co. GmbH“ erworben und sie als Nebenbetrieb weitergeführt. Künftig bildeten diese die Werke I (ehemals Lehmann) und Werk III (ehemals Reißner) des neuen VEB. Zum Zweck der weiteren Konzentration der Produktion wurden zum 1. Januar 1951 der „VEB Feintuchfabrik Klostermühle“, ehem. „Fa. F. M. Huschke“ (Werk II) angegliedert und 1953 der enteignete Betrieb „Lehmann & Richter“ (Werk IV) angeschlossen. Zum 1. Januar 1959 wurde der „VEB (K) Tuchfabrik Guben“, ehemals die „Fa. Salefski & Rabe“ übernommen.

In den ersten Jahren nach Kriegsende produzierten die Tuchfabriken fast ausschließlich für den Bedarf der Roten Armee bzw. Reparationsleistungen. Anfragen nach Tuchen von alten Kunden aus den 30er und 40er Jahren mussten regelmäßig abschlägig beschieden werden. In den 1950er gingen die Tuche jedoch bereits wieder in den Export, zu einem bedeutenden Teil auch in westliche Staaten.  

Im Zuge der Modernisierung in den 1960er Jahren mit der Anschaffung und Einführung moderner Ringspinnmaschinen und Greiferschützen-Webautomaten verlegte man die wichtigsten Produktionsabschnitte aus den Werken III und IV in das Werk I, das Werk III dagegen wurde aufgelöst. Diese Aufteilung blieb bis 1989 erhalten.

In Werk I waren fortan untergebracht: Spinnerei mit Vorbereitung, Färberei, Weberei mit Vorbereitung, Ausnäherei, Nass- und Trockenappretur, Verwaltung, E-Werkstatt;  in Werk II: Spinnerei mit Vorbereitung, Zwirnerei (bis 1976/77 Maliwattproduktion), Verwaltung, Instandhaltung, Wohnheim; in Werk IV Absatz. Materialbeschaffung, Lager, Kupon- und Musterweberei mit Vorbereitung, Wohnhaus. Im ehemaligen Werk II befanden sich noch Instandhaltung und Fuhrpark, eine Villa mit Werkwohnungen und Kulturräumen, ein Wohnhaus und die Betriebskinderkrippe (Krönert / Leibger 1995, 59).       

Nach der Menge der gefertigten Gewebe nahm der „VEB Gubener Wolle“ Mitte der 1960er Jahre den 5. Platz unter den Volltuchfabriken im Bezirk Cottbus ein. Die Wollwerker stellten vorwiegend Streich- und Halbkammgarngewebe mit verschiedenen Wollanteilen her. 1956 war eine großtechnische Versuchsanlage für eine Faserpelzkettenstichmaschine aufgebaut worden, auf der zunächst Steppwatte produziert wurde. Eine Gubener Besonderheit war die Maliwattproduktion, ein besonderes Nähwirkverfahren, mit dem ab 1956 zunächst eine Versuchsproduktion und ab 1962 im Werk II Handtücher, Bettlaken, Kinderwickeltücher und Strandbekleidung gefertigt wurden. Später kamen auch Fußbodenfilze für den Wohnungsbau und Filze für die Textil- und Lederindustrie sowie für den Autohimmel des Trabant hinzu.

In den 1960er Jahren bis 1973 war der „VEB Gubener Wolle“ Leitbetrieb der Erzeugnisgruppe „Streichgarngewebe Cottbus“. In dieser Zeit waren zwischen 750 und 800 Beschäftigte im Betrieb tätig, zwei Drittel davon Frauen. 1977 wurde die Maliwattproduktion eingestellt. Aufgebaut wurde eine neue Ringspinnerei, mit der sich der „VEB Gubener Wolle“ aus eigenem Aufkommen mit Garn versorgen konnte. Ab 1969 wuchs die Produktion von Streichgarngeweben mit einem Anteil synthetischer Fasern. Es wurden vor allem Damen- und Herrenmantelstoffe mit verschiedenen Wollanteilen - überwiegend in Flausch- und Veloursausrüstung - hergestellt, die teilweise auch exportiert wurden.

Der VEB Gubener Wolle unterstand ab 1948 dem VVB (Z) Spinnweber Cottbus bzw. deren Nachfolgern, ab 1958 der VVB Volltuch Cottbus und ab 1970 dem VEB Textilkombinat Cottbus.

1990 erfolgte die Privatisierung zur „Gubener Wolle GmbH“, wenige Jahre später wurde der Betrieb abgewickelt.

VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep 907 VEB Gubener Wolle [Siehe: Hier]

Literatur

Hempe, Mechthild: Kette und Schuss. Die Tuchmacherei in Guben. Böhlau Verlag, Köln 2006.

Krönert, Gertraute/ Leibger, Heide: Tuchstädte der Niederlausitz gestern und heute. Forst, Guben, Spremberg, Finsterwalde. Dokumentarisches Auf und Ab in einem traditionsreichen Berufszweig. Cottbus 1995.

Pagel, Diethelm / Augustyniak, Manfred u.a.: Vom Tuchmachergewerbe zur Gubener Wolle. Cottbus 2004.

Verch, Katrin: VEB Gubener Wolle. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 402f.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 File:Bundesarchiv Bild 183-27466-0006, Guben, VEB Gubener Wolle.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-27466-0006; Foto: Krueger - CC-BY-SA 3.0).

Abb. 2-4 SLUB / Deutsche Fotothek / H. Reinecke.

Empfohlene Zitierweise

Verch, Katrin: VEB Gubener Wolle; publiziert am 07.04.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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