VEB Chemische Fabrik Finowtal
Julian-Dakota Bock
Aufgrund ihrer Beteiligung an der Rüstungsproduktion im Zweiten Weltkrieg, sollte die von der Schering AG Berlin nach 1921 auf dem Gelände der ehemaligen Linoleumfabrik eingerichtete „Chemischen Fabrik“ ursprünglich durch die SMAD demontiert werden. Dies wurde jedoch verhindert und die Fabrik zum 1. Juni 1946 in die „Hände des Volkes“ übergeben. Zunächst wurden hier Pflanzenschutzmittel, Raupenleim und Magnesia unter einfachen Bedingungen hergestellt. Im Jahr 1947 erfolgte die Gründung des „VEB Chemische Fabrik Finowtal“ und ab 1950/51 auch die Wiederaufnahme der Kampferproduktion. Verwendet wurde jener in Kosmetikprodukten, Pharmazeutika und Pflanzenschutzmitteln. Parallel dazu wurden auch synthetischer Kupfer und Azetylzellulose hergestellt. Mit dem gestiegenen Bedarf an Azetylzellulose beschloss die Regierung der DDR 1967, diese in einer eigenständigen Fabrik in Eilenburg zu produzieren. (Abb. 1-5)
Aufgrund des Wegfalls der Azetylzellulose musste sich der „VEB Chemische Fabrik“ ein Ersatzprodukt suchen, welches in der Herstellung von Carboxymethylzellulose gefunden wurde. Die CMC diente u.a. als Grundlage für Tapetenkleber, Zahnpasta, Backwaren und Kosmetik. 1968 begann auf dem stark erweiterten Betriebsgelände der Aufbau einer bedeutenden Carboxymethylzellulose-Produktion mit zuletzt mehr als 20.000 t Jahresproduktion. Bei Camphen und dem in der Riechstoffindustrie wichtigen Isobornylacetat (Fichtennadelduft) war das Werk schließlich weltweit größter Hersteller.
Die Fabrik verfügte über ein eigenes Kraftwerk und war damit unabhängig vom örtlichen Stromnetz. Darüber hinaus besaß der Betrieb eine eigene Forschungsabteilung, welche an der Verbesserung der Produkte arbeitete. In den 1980ern gab es im „VEB Chemische Fabrik“ ca. 620 Beschäftigte, die in den Abteilungen Terpen, CMC, Kraftwerk, Transport, Werkstatt, Küche und Verwaltung arbeiteten. Neben Laboranten wurden im Werk auch Handwerker, jedoch keine Chemiefacharbeiter, ausgebildet. (Abb. 6, 7)
Nach 1990 komplett wurde der Betrieb abgewickelt und innerhalb kürzester Zeit vollständig demontiert. Heute ist das Gelände der „Festplatz“ und Parkplatz für den Familiengarten.
Literatur
Schmidt, Hans-Joachim: Die Entwicklung des VEB Chemische Fabrik Finowtal. In: Eberswalder Heimatkalender 1985, S. 37-41.
Groß, Werner: VEB Chemische Fabrik Finowtal. In: http://wirtschaftsgeschichte-eberswalde.de/industrie-2/vweb-chemische-fabrik-finow/ (Letzter Zugriff am 06.10.2021 um 14:34 Uhr)
Rohowski, Ilona: Landkreis Barnim. Teil 1: Stadt Eberswalde (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Brandenburg Band 5.1). Worms 1997.
Abbildungsnachweis
Abb. 1-5 Kreisarchiv Barnim, Eberswalde (Fotograf unbekannt).
Abb. 6 Oberbarnimer Kreisblatt (Fotograf unbekannt).
Abb. 7 Museum Eberswalde.
Empfohlene Zitierweise
Bock, Julian-Dakota: VEB Chemische Fabrik Finowtal, publiziert am 12.10.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)