VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder)

Katrin Verch

In den Jahren 1952/53, knapp vier Jahre nach der Entdeckung des Transistoreffekts in den USA, begannen in der DDR die ersten eigenen Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Halbleitertechnik. Eine Forschungsgruppe ging die ersten Schritte labormäßiger Halbleiterfertigung im „VEB Werk für Bauelemente der Nachrichtentechnik Carl von Ossietzky“ in Teltow. In den nächsten Jahren forderte die SED mehrfach, die Automatisierung der Produktion voranzutreiben. Aus diesem Grund beschloss die SED-Bezirksleitung Frankfurt (Oder) am 17. Oktober 1957, mit der Produktion von Halbleiterbauelementen in Frankfurt zu beginnen. Als Betriebsteil des „VEB Werk für Bauelemente der Nachrichtentechnik Teltow“ nahm die neue Produktionsstätte bereits am 2. 1958 in der ehemaligen Berufsschule die Arbeit auf.  Am 4. November 1958 fiel mit Zustimmung des Volkswirtschaftsrates die Entscheidung, zum 1. Januar 1959 den „VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder)“ zu bilden und im Ortsteil Markendorf aufzubauen. Die erste Produktionshalle wurde im Januar 1961 eingeweiht (Abb. 1, 2, 3). Der VEB HFO war der VVB Bauelemente und Vakuumtechnik Berlin zugeordnet.

Das Werk stellte v.a. Transistoren, Gleichrichter und Zener-Dioden her. Waren bis etwa 1965 die Betriebe der VVB Rundfunk und Fernsehen Radeberg die Hauptabnehmer, so erfolgte nun eine Verlagerung zu den sich schnell entwickelnden Betrieben der VVB Datenverarbeitung und Büromaschinen. Aber auch in den Industriezweigen Nachrichten- und Messtechnik, Gerätebau, Optik, Anlagenbau und anderen stieg der Bedarf an Halbleiterbauelementen. 1963 begann man, statt Germanium, Silizium als Grundmaterial einzusetzen. Auf 1967 ist der Produktionsbeginn von Festkörperschaltkreisen zu datieren.

Zur besseren Verbindung von Wissenschaft und Halbleiterproduktion wurde 1964 das Institut für Halbleitertechnik Teltow/Stahnsdorf, ab 1965 unter dem Namen Gleichrichterwerk Stahnsdorf, dem VEB HFO angegliedert. Auch die Bildung der Erzeugnisgruppe Halbleitertechnik im November 1967, in welcher der VEB HFO Leitbetrieb wurde, verfolgte das Ziel, die Effektivität zu erhöhen. Am 1. Januar 1970 wurde innerhalb der VVB Bauelemente und Vakuumtechnik das Kombinat „VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder)“ gebildet. Das Halbleiterwerk wurde Stammbetrieb des Kombinates.

In den 1970er Jahren erfolgte eine Umstellung und Erweiterung der Produktionsstruktur. Der VEB HFO entwickelte sich zum Haupthersteller von diskreten und integrierten Halbleiterbauelementen in der DDR. Neben analogen Schaltkreisen wurde 1971 mit der Produktion von digitalen Schaltkreisen für eine neue Generation von EDV-Anlagen des Kombinates Robotron Dresden begonnen. Statt Keramikgehäusen wurden Plastikgehäuse für die Festkörperschaltkreise verwendet. 1972 startete die Herstellung von Konsumgütern (z. B. Scheibenwischer-Intervallschalter, Bastlerbeutel) (Abb. 4). 1977 lief die Produktion von Germanium-Bauelementen aus.

Die Steigerung der Produktivität durch Maßnahmen aus Wissenschaft und Technik wurde eine Aufgabe für die gesamte Volkswirtschaft. Hierbei kam insbesondere nach dem IX. Parteitag der SED im Jahre 1976 dem Einsatz der Mikroelektronik eine besondere Bedeutung zu. Unter diesem Aspekt wurde im Bereich des Ministeriums für Elektrotechnik und Elektronik zum 1. Januar 1978 der „VEB Kombinat Mikroelektronik Erfurt“ gebildet, der dem Minister direkt unterstellt war. Das Kombinat „VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder)“ wurde aufgelöst. Der VEB HFO wurde dem neuen Kombinat Mikroelektronik Erfurt zugeordnet und gleichzeitig Leitbetrieb für die ehemals zum Kombinat VEB HFO gehörenden Betriebe. Der Leiter dieses Bereiches war Stellvertreter des Generaldirektors und voll verantwortlich für den Reproduktionsprozess des Wirtschaftsbereiches, Forschung und Entwicklung, Produktion und Absatz von Halbleiterbauelementen. 1979 machten digitale und analoge Schaltkreise 70 % des Wertvolumens der Produktion aus, 16 % entfielen auf Silizium-Transistoren, hinzu kam die Konsumgüterproduktion (Abb. 5, 6). Schwerpunkt der Produktion waren bipolare Schaltkreise. Eine enge Verbindung entstand zum 1983 gebildeten Institut für Halbleiterphysik der Akademie der Wissenschaften in Frankfurt (Oder).

Nach dem Ende der DDR erfolgte die Privatisierung des Betriebes im Jahr 1990.

Quellen

Betriebsgeschichte des VEB Halbleiterwerk Frankfurt / Oder. 2 Bde. Frankfurt (Oder) 1979.

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 704 VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder). [Siehe: Hier]

Literatur

Aldenhoff-Hübinger, Rita / Becker, Denny / Müller, Tim S. / Rehfeld, Constanze (Hrsg.): Halbleiterstadt Frankfurt (Oder), 1959-1990 (= Frankfurter Jahrbücher 2022). Berlin 2022.

Berkner, Jörg: Halbleiter aus Frankfurt. Die Geschichte des Halbleiterwerkes Frankfurt (Oder) und der DDR-Halbleiterindustrie. Dessau-Roßlau 2005.

Verch, Katrin: VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder). In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 367-369.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 2 SLUB / Deutsche Fotothek / Richard Peter jun.

Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-C1012-0018-003,_Frankfurt-Oder,_VEB_Halbleiterwerk,_Schichtwechsel.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-C1012-0018-003, Foto: Stöhr - CC-BY-SA 3.0)

Abb. 4 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:BastlerbeutelHFO.jpg (Foto: Drahtlos - CC BY-SA 4.0)

Abb. 5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HFO_C574C.jpg (Foto: Drahtlos - CC BY-SA 4.0)

Abb. 6 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:TV-spiel.jpg (Foto: liftarn - CC BY-SA 2.0)

Empfohlene Zitierweise

Verch, Katrin: VEB Halbleiterwerk Frankfurt (Oder), publiziert am 18.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.