VEB Reifenwerk Fürstenwalde

Katrin Verch (bearbeitet und ergänzt von Julian-Dakota Bock)

Die in Ketschendorf ansässige „Deka Pneumatik GmbH“ wurde nach 1945 enteignet und das insgesamt nur wenig zerstörte Werk bis auf die Gebäude demontiert. Der SMAD-Befehl Nr. 84 vom 18. März 1946 verfügte dann den Wiederaufbau des Werkes und Anfang 1947 entstand in dem nunmehr provinzeigenen Betrieb der erste neue Reifen. Zuvor waren auf Befehl der SMAD Maschinen und weitere Ausrüstung aus der gesamten SBZ in das Reifenwerk gebracht worden, um den Wiederaufbau zu beschleunigen. Darüber hinaus stand das Werk in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor erhebliche Rohstoffproblemen. Auch hier intervenierte die SMAD und verpflichtete Betriebe in der Besatzungszone, die entsprechenden Rohstoffe zu liefern. Ab Ende des Jahres 1948 wurden im Werk auch die ersten Gummifacharbeiter ausgebildet.

Nach der am 1. Juli 1950 erfolgten Eingemeindung von Ketschendorf als Stadtteil von Fürstenwalde änderte sich der Name von „VEB Reifenwerk Ketschendorf“ in „VEB Reifenwerk Fürstenwalde“. Zunächst wurde noch unter dem Warenzeichen „Deka“ produziert, ab 1959 aber unter dem neuen Warenzeichen „Pneumant“ (Abb. 1, 2). Während des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 kam es auch im Reifenwerk zu Demonstrationen. Obgleich die DDR-Behörden meldeten, dass die Resonanz auf die Protestaktionen im Werk gering ausfiel, wurden am Abend des 17. Juni sechs Mitarbeiter festgenommen.

Im Werk wurden Decken und Schläuche für LKW, PKW, Traktoren, Flugzeuge, Motorräder und Fahrräder hergestellt. Allerdings wurde 1953 die Fahrradreifenproduktion ausgelagert. Nach einer Sortimentsbereinigung zwischen den reifenherstellenden Industriestandorten der DDR in den 1960er Jahren spezialisierte sich Fürstenwalde auf LKW-, Ackerschlepper- und Spezialreifen (Abb. 3-5).

Am 1. Januar 1964 erfolgte der Anschluss des „VEB Reifencord- und Baumwollweberei Fürstenwalde“, einem wichtigen Zulieferer, an den „VEB Reifenwerk“ 1965 nahm eine neue Schlauchabteilung, 1973 eine Radialreifenabteilung und 1986 ein Stahlkordwerk die Produktion auf. Ermöglicht wurden die Erweiterungen der 1970er und 1980er-Jahre durch die intensivierte Kooperation zwischen der DDR und der BRD. So kamen im neuen Radialreifenwerk französische Maschinen und Ausrüstung zum Einsatz, welche von der DDR erst im Zuge der Annäherung an den Westen auf den dortigen Märkten erworben werden konnten. Vor diesem Hintergrund konnte das Reifenwerk ab den 1970ern verstärkt in das nicht-sozialistische Ausland exportieren. Dieser Handel diente zum Großteil der Beschaffung von Devisen (Abb. 6-8).

Der „VEB Reifenwerk“ unterstand ab 1948 der VVB (Z) Kautschuk und Asbest Leipzig, ab 1951 dem Ministerium für Schwerindustrie bzw. dem Ministerium für Chemische Industrie und ab 1958 der VVB Gummi und Asbest Berlin. Innerhalb der VVB Gummi und Asbest schlossen sich am 1. Januar 1969 die Reifenwerke Fürstenwalde, Riesa, Dresden und Heidenau zum „VEB Reifenkombinat Pneumant Fürstenwalde“ zusammen (Abb. 9). Das Reifenkombinat gehörte ab 1. Januar 1970 zur VVB Plast- und Elastverarbeitung. Am 1. Januar 1975 wurde es dem Ministerium für chemische Industrie direkt unterstellt. Bis Ende der 80er Jahre gehörten zum „VEB Reifenkombinat“ der Stammbetrieb Fürstenwalde, die Reifenwerke in Riesa, Berlin, Dresden, Heidenau und Neubrandenburg sowie zeitweilig der VE Außenhandelsbetrieb Pneumant-Bereifung Export-Import Berlin und das Leitkontor Reifen Berlin.

1990 entstand mit der Privatisierung die „Pneumant Reifenwerke Fürstenwalde AG“.

VVB - Vereinigung Volkseigener Betriebe

Quellen

Der Reifen. Betriebszeitung der Belegschaft des Reifenwerk Fürstenwalde VEB (1952-1953).

Der Reifenwerker. Betriebszeitung. Organ des SED-BPO des VEB Reifenwerk (1953-1965).

Pneumant Profil. Betriebszeitung. Organ der Betriebsparteileitung der SED des VEB Reifenkombinat Fürstenwalde (1971-1988).

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 703 VEB Reifenwerk Fürstenwalde [Siehe: Hier].

Literatur

Stammbetrieb des VEB Reifenkombinats Pneumant (Hg.): Unser Werk Pneumant. 25 Jahre Reifenwerk Fürstenwalde 1946-1971. Fürstenwalde 1971.

Stammbetrieb des VEB Reifenkombinats Pneumant (Hg.): Unser Werk Pneumant. Betriebsgeschichte Teil II 1969-1974. Fürstenwalde 1975.

Verch, Katrin: VEB Reifenwerk Fürstenwalde. Stammbetrieb des VEB Reifenkombinat Fürstenwalde. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 351-353.

Woldt, Hans-Jürgen: Profilspuren. 80 Jahre Reifenwerk, Fürstenwalde 2020.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 2, 6 Gemeinfrei

Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-69929-0001,_Reifenwerk_F%C3%BCrstenwalde,_Jugendbrigade_%22Max_Reimann%22.jpg?uselang=de (Bundesarchiv, Bild 183-69929-0001; Foto: Schreiber - CC-BY-SA 3.0)

Abb. 4, 5 SLUB / Deutsche Fotothek / Richard Peter jun.

Abb. 7, 8 Technisches Handbuch 1972.

Abb. 9 Museum Fürstenwalde

Empfohlene Zitierweise

Verch, Katrin: VEB Reifenwerk Fürstenwalde, publiziert am 16.08.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.