VEB Walzwerk Finow

Marie Schröder

Im Januar 1951 wurden die Überreste der 1945 größtenteils demontierten „Finow Kupfer- und Messingwerke AG“ und der Treuhandbetrieb Eisenwalzwerk „Hoffmann und Motz“ zum „VEB Walzwerk Finow“ (WWF) zusammengeschlossen. Das Werk gehörte zum „VEB Bandstahlkombinat Hermann Matern“ Eisenhüttenstadt und bestand aus einer Stabstahlstraße, einer Warmbandstraße und einem Rohrwerk. Im „VEB WWF“ waren in den späten 1980er Jahren rund 2.300 Arbeiter beschäftigt, nach der Wiedervereinigung wurde der Betrieb privatisiert und schließlich im Jahr 2012 eingestellt (Abb. 1-3).

Schon 1947 war im Eisenwalzwerk „Hoffmann und Motz“, Ortsteil Eisenspalterei, der Betrieb wieder angelaufen und die Doppel-Duo-Straße in Betrieb genommen worden. Einfacher Stabstahl wurde hier zu Rund-, Sechskant-, Vierkant-, zu Flach- und Moniereisen warmgewalzt, der dann im Bauwesen in der Sowjetischen Besatzungszone verwendet wurde. Der Betrieb war in den ersten Nachkriegsjahren durch die Verwendung von Dampfantrieb und einer Turbine, die am Finowkanal Strom erzeugte, von den häufigen Stromabschaltungen unabhängig. Dennoch blieb die Produktion störanfällig durch den Einsatz veralteter Technologien, hinzu kam die begrenzte Kapazität der Öfen, sodass die durch die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) vorgegebene Produktionsmenge zu Beginn nicht erreicht werden konnte.

Ab 1948 gelangte auch die veraltete Trio-Straße von „Hoffmann und Motz“ wieder zum Einsatz, was eine Erweiterung der Produktpalette u.a. um Stahldraht bedeutete (Abb. 4). Bereits nach zwei Jahren wurden monatlich 2.000 t Stahlprodukte hergestellt. Ab 1951 erfolgte eine umfassende Renovierung und Erweiterung der Anlagen für insgesamt 1,1 Millionen Mark. Von der Mitte der 1960er Jahre an liefen Doppel-Duo- und Trio-Straße nicht mehr parallel, um eine höhere Effektivität zu erzielen und Arbeitskraft einzusparen.

Zum Bereich der Stabstahlstraße gehörte auch eine Presserei. Hier wurden zwischen 1949 und 1966 Hufeisen hergestellt, die ab 1956 vor allem nach Mittel- und Südamerika gingen. Insgesamt etwa 50.000 t, was in etwa einer Stückzahl von über 50 Millionen Hufeisen entspricht. Ein weiteres Erzeugnis der Presserei waren die Schienenfedernägel, die ab 1954 an die Deutsche Reichsbahn geliefert wurden und mit denen über die Jahre die Befestigung von 4.800 km Bahngleisen in der DDR erfolgte.

Nach der Gründung des „VEB WWF“ begann im sogenannten Neuwerk des ehemaligen Messingwerks der Bau der Warmbandstraße, die 1956 ihren Betrieb aufnahm. 1960 wurden bereits 93.120 t, 1973 sogar 183.830 t Schmalband hergestellt (Abb. 5). Umbauten und Modernisierungen in der Warmbandstraße erfolgten im Verlauf der 1970er Jahre, u.a. mit der Einführung eines Teleskopkrans oder einer Bundbindemaschine zur Erleichterung der Arbeitsvorgänge.

1959 war durch die erste Profiliermaschine Blema im Werk mit der Produktion von Stahlleichtprofilen aus Warmband begonnen und diese in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich erweitert worden: Ab 1968 der größte Hersteller von Stahlleichtprofilen in der DDR, errichtete der „VEB WWF“ hierfür eine neue Halle, in der Stahlleichtprofile sowohl aus Warm- als auch aus Kaltband gewalzt wurden, weitere Profiliermaschinen kamen zum Einsatz und ab 1981 wurden Roboter getestet, die das Abstapeln der Profile teilweise übernahmen.

Der dritte große Bereich des „VEB WWF“ war das Präzisionsstahlrohrwerk, das ab 1960 errichtet wurde. Die wichtigsten Anlagen, um aus den in der Warmbandstraße gefertigten Bunden Stahl das gewünschte Produkt herzustellen, waren die Rohrschweißautomaten „W 40“, „M 3“ und „W 20“ sowie eine Kaltwalzanlage. 1965 waren diese ausreichend erprobt und das Rohrwerk konnte offiziell eröffnet werden.

Allerdings hatte das Werk anfangs mit Qualitätsproblemen zu kämpfen. Noch während der daraus resultierenden Umstrukturierung kam es 1967 zu einem Großbrand, der große Teile der Elektroanlagen im Rohrwerk vernichtete.

Während der 1970er Jahre begann der Export der Präzisionsstahlrohre, zudem konnte mit der Erhöhung der Frequenz der Rohrschweißautomaten eine weitere Qualitätsverbesserung erreicht werden. Die 1980er Jahre brachten unter anderem mit dünnwandigen Rohren für Staubsauger oder Luftpumpen Erweiterungen im Sortiment. 1982 war die 100.000 t-Marke bei den hergestellten Rohren und Rohrprofilen erreicht.

Ebenfalls zum Finower Werk gehörte eine breite Palette an Konsumgütern. Dazu zählten zunächst Bierkastengriffe, Schippen und Schaufeln oder Achsen für Kinder- und Handwagen. Später kamen unter anderem Ausrüstungen für die Gartenarbeit und Möbel hinzu. Im Industrieladen des Walzwerks wurden Rohre, Profile und Bleche für den Hausbedarf verkauft.

Zur Qualitätssicherung und Instandhaltung aller Anlagen des „WWF“ gab es eine eigene Werkzeugfertigung und den Rationalisierungsmittelbau. Hier sollten die Arbeitsprozesse überprüft, Störquellen identifiziert und an der Herstellung, Entwicklung und Verbesserung von Ersatzteilen und Maschinen gearbeitet werden.

Zur Effektivierung der Produktion sollte ebenso eine gezielte Gestaltung von Arbeits- und Lebensbedingungen der Walzwerker beitragen. Lärmgeschützte Pausenräume wurden im Zuge der Umstrukturierung des Rohrwerks eingerichtet und Mahlzeiten sowie Getränke bereitgestellt. Im privaten Bereich stellte der „VEB WWF“ seinen Beschäftigten Neubauwohnungen sowie Unterkünfte im Arbeiterwohnheim in der Stadt Finow zur Verfügung und gewährleistete eine Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung (Abb. 6).

Literatur

Arendt, L.: Die Arbeitsbedingungen im Walzwerk Finow früher und heute. In: Eberswalder Heimatkalender 1960, S. 128-131.

Berus, Kurt: Walzwerk im Finowtal, Eberswalde 2017.

Berus, Kurt: VEB Walzwerk Finow (WWF). In: http://wirtschaftsgeschichte-eberswalde.de/industrie-2/veb-walzwerk/ (Letzter Zugriff am 6.10.2021 um 09:02 Uhr).

Janz, W. / Johnschker, R.: Kurzpoträt Walzwerk Finow mit Bildreport. In: Eberswalder Heimatkalender 1982, S. 33-39.

Rohowski, Ilona: Landkreis Barnim. Teil 1: Stadt Eberswalde (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Brandenburg Band 5.1). Worms 1997.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Museum Eberswalde.

Abb. 2, 4-6 Kreisarchiv Barnim, Eberswalde (Fotograf unbekannt).

Abb. 3 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Eberswalde_Finow_Walzwerk_Wasserturm.jpg (Foto: Oberlausitzerin64 - CC BY-SA 4.0).

Empfohlene Zitierweise

Schröder, Marie: VEB Walzwerk Finow, publiziert am 12.10.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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