VEB Lokomotivbau / Klimatechnik / Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg
Katrin Verch
Die wechselvolle Geschichte des VEB Lokomotivbau, später Klimatechnik und schließlich Maschinenbau „Karl Marx“ in Babelsberg ging auf die seit 1899 dort bestehende Lokomotivfabrik (ursprünglich „Orenstein & Koppel AG“) zurück. Im Sommer 1945 wurde das enteignete Werk bis auf die leeren Hallen und wenige Reste demontiert. Der Betrieb jedoch wurde bald wiederaufgenommen: Bereits am 30. August 1945 fuhr die erste reparierte Lok mit einem Zug von 30 Waggons aus dem Werk.
Während der Nachkriegszeit wurden einfache Öfen für Geflüchtete und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, sogenannte Siedlerherde, produziert. Hinzu kamen Geräte für die Neubauern wie Garbenleger, Saateggen, Häufelpflüge und Kartoffelkörbe. Der SMAD-Befehl Nr. 120 vom 17. April 1946 forderte die Konstruktion und den Bau von 500 Loks des Typs „GR, 250 PS, Schmalspur“ als Reparationsleistung für die UdSSR. Am 1. Mai 1947 verließ die erste Lok als Baumuster die Montagehallen. Mit der Auslieferung der 100. Lok erhielt die Fabrik am 18. März 1948 den Namen „VEB Lokomotivbau Karl Marx“.
Insbesondere ab 1950 wurden Lokomotiven für die Deutsche Reichsbahn sowie Industrie- und Baulokomotiven verschiedenster Stärken und Spurweiten hergestellt (Abb. 1). Am 1. Oktober 1950 erfolgte die Auslieferung die ersten Motorlok mit 30 PS für die Bauwirtschaft der DDR. Mitte der 1950er Jahre begann die Entwicklung und Konstruktion von Großdiesellokomotiven, zuerst der „V 60“ (ab 1960 Serienproduktion, 1964 Abgabe der Produktion an den „VEB Lokomotivbau-Elektrotechnische Werke Hennigsdorf“) (Abb. 2) und „V 180“ (ab 1962 Serienproduktion, am 31. März 1970 letzte Lok an die Deutsche Reichsbahn übergeben) (Abb. 3). Ende 1960 verließ die letzte Dampflokomotive das Werk.
Von 1948 bis1952 war der Betrieb der VVB (Z) Lowa Wildau, einer VVB des Lokomotiv- und Waggonbaus, zugeordnet, 1952 bis1958 der Hauptverwaltung Lokomotiv- und Waggonbau des Ministeriums für Transportmittel- und Landmaschinenbau, des Ministeriums für Maschinenbau bzw. Allgemeinen Maschinenbau und ab 1958 der VVB Schienenfahrzeuge Berlin.
Am 16. Januar 1969 wies der Minister für Schwermaschinen- und Anlagenbau die Umstellung der Produktion auf klimatechnische Anlagen an. Hintergrund dafür waren einerseits Sortimentsbereinigungen innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW): Die Deutsche Reichsbahn benötigte zunehmend größere Diesellokomotiven, die aus der UdSSR bezogen werden sollten. Andererseits wurde für die Zukunft ein höherer Bedarf an Klimaanlagen für die EDV, den Industrie- und Landwirtschaftsbau sowie den wissenschaftlichen Gerätebau erwartet. Der „VEB Lokomotivbau Karl Marx“ wurde zum 1. Januar 1970 aus der VVB Schienenfahrzeuge ausgegliedert und dem neu gebildeten VEB Kombinat Luft- und Kältetechnik Dresden zugeordnet.
Der neue Betriebsname lautete nun „VEB Klimatechnik Karl Marx“. Gefertigt wurden als Haupterzeugnisse Klimaanlagen, Klimaschränke und Dampfbefeuchtungsgeräte, aber auch noch Kleinlokomotiven (Abb. 4). Hinzu kamen Radsätze für die „V 60“ und „V 100“. Es zeigte sich jedoch, dass der Bedarf an Klimatechnik geringer war als eingeschätzt. Deshalb endete bereits am 31. Oktober 1974 die Produktion klimatechnischer Erzeugnisse.
Am 1. Januar 1974 startete die Umstrukturierung auf Autodrehkräne, da sich im Zuge des Ausbaus der Energiegewinnung auf Braunkohlenbasis in der DDR diejenigen Betriebe, die bisher die Autodrehkräne hergestellt hatten, verstärkt auf die Produktion von Tagebau- und Kraftwerksausrüstungen konzentrieren sollten. Der in „VEB Maschinenbau Karl Marx“ umbenannte Betrieb wurde dem VEB Schwermaschinenbaukombinat TAKRAF, Betrieb für Anlagenbau und Rationalisierung Leipzig, unterstellt. Man übernahm die Produktion des „ADK 70“ und des „ADK 125“ (Abb. 5). Babelsberg wurde so Alleinhersteller von Autodrehkränen in der DDR. Die Kleinlokproduktion wurde zunächst fortgeführt und am 20. Juli 1976 mit der letzten Lok der Baureihe „V 23“ eingestellt. 1982 wurde die Produktion von Konsumgütern wie Rohren für Abgasanlagen von Import-PKW und Heimtrainern aufgenommen. Noch bis 1983 mussten Ersatzteile für die ehemals produzierten Loks bereitgestellt werden.
Am 14. Juni 1983 beschloss das Zentralkomitee der SED ein Programm zur Entwicklung des PKW- und NKW-Baus. Das Produktionsprofil des „VEB Maschinenbau Karl Marx“ wurde infolgedessen wieder modifiziert und mit Beginn des Jahres 1984 in den VEB IFA-Kombinat Nutzkraftfahrzeuge Ludwigsfelde eingegliedert. Die Herstellung von Sattelaufliegern für den LKW „W 50“ sowie Achsen und Bremsbacken in Babelsberg kam hinzu, Autodrehkräne wurden weiterhin produziert. 1985 war die Serienreife für den „ADK 80“ erreicht, 1987 begannen die Konstrukteure mit den Arbeiten am „ADK 100“. Am 31. März 1987 wurde die Produktion des „ADK 125“ eingestellt. 1990 erfolgte die Privatisierung zur Maschinenbau Babelsberg GmbH.
VVB (Z) – Vereinigung Volkseigener Betriebe
Quellen
Betriebsparteiorganisation im VEB Lokomotivbau Karl-Marx-Babelsberg (Hrsg.): Die Friedenslok. Organ der Leitung der SED-BPO im VEB Lokomotivbau Karl-Marx-Babelsberg. Potsdam 1949-1969.
Betriebsparteiorganisation VEB Klimatechnik Karl Marx Babelsberg (Hrsg.): ILKA-Report. Organ der Leitung der BPO der SED VEB Klimatechnik Karl Marx Babelsberg. Potsdam 1970-1974.
Leitung der BPO der SED des VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg (Hrsg.): Karl-Marx-Werk-Report. Organ der Leitung der BPO des SED VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg. Potsdam 1974-1990.
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 505 VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg. [Siehe: Hier]
Literatur
Kandler, Udo: Lokomotivbau „Karl Marx“. Die Lokschmiede der DDR in Babelsberg. Freiburg 2018.
Gallinat, Hans: 1899-1945 (= Beiträge zur Geschichte des VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Potsdam-Babelsberg; 1). Potsdam 1986.
Gallinat, Hans: 1945-1952 (= Beiträge zur Geschichte des VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Potsdam-Babelsberg; 2). Potsdam 1986.
Gallinat, Hans: 1951-1955 (= Beiträge zur Geschichte des VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Potsdam-Babelsberg; 3). Potsdam 1987.
Gallinat, Hans: Die Vorbereitung des Betriebes auf den Bau von Großdiesellokomotiven 1956-1961 (= Beiträge zur Geschichte des VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Potsdam-Babelsberg; 4). Potsdam 1987.
Gallinat, Hans: Der VEB Maschinenbau „Karl Marx“ in der Zeit des umfassenden Aufbau’s des Sozialismus in der Zeit der DDR 1961-1966 (= Beiträge zur Geschichte des VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Potsdam-Babelsberg; 1). Potsdam 1988.
Verch, Katrin: VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 371-374.
Abbildungsnachweis
Abb. 1 SLUB / Deutsche Fotothek / Ivo Petrik.
Abb. 2 SLUB / Deutsche Fotothek / Asmus Steuerlein.
Abb. 3 File:Bundesarchiv Bild 183-B0111-0016-001, Diesellok V 180 005 (BR V180), Fertigstellung.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-B0111-0016-001 - CC-BY-SA 3.0).
Abb. 4 SLUB / Deutsche Fotothek / André Rous.
Abb. 5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:IFA_W50_Mobile_Crane,_Barth_Germany_-_Flickr_-_sludgegulper.jpg (Foto: Felix O - CC BY-SA 2.0).
Empfohlene Zitierweise
Verch, Katrin: VEB Lokomotivbau / Klimatechnik / Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg, publiziert am 21.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)