Deutsche Landkraftführerschulen (DEULAKRAFT) GmbH Zeesen (1926-1935)

Wolfgang Müller

Über kaum einen anderen Ortsteil des heutigen Königs Wusterhausen existieren mehr Bücher und lokalhistorische Beiträge als über Zeesen. Im Mittelpunkt standen häufig Künstler wie Gustav Gründgens (Völker 2008), vor allem aber das einstige Rüstungsunternehmen „Schütte-Lanz“ und damit zusammenhängende Ereignisse. Dessen Schicksal besiegelte bekanntlich der Versailler Friedensvertrag vom 28. Juni 1919, als Deutschland u.a. der Bau von Luftschiffen, Flugzeugen, Panzern und ähnlichen kriegstauglichen Konstruktionen verboten worden war. Die Immobilien der „Schütte-Lanz-AG“ in Zeesen gingen im April 1925 an die Deutsche Reichspost über, wobei nach Tradition der kaiserlichen Heereszentralfunkstelle Königs Wusterhausen längst nicht nur zivile Rundfunkinteressen, sondern auch militärpolitische Aspekte hinsichtlich weltweiter Sende- und Empfangsmöglichkeiten maßgebend waren.

Unter Ausnutzung des Geländes und der Baulichkeiten des ehemaligen Schütte-Lanz-Unternehmens wurde hier Ende des Jahres 1926 vom „Unterausschuss zur Förderung der Kraftpflugverwendung“ beim „Reichsausschuss für Technik in der Landwirtschaft“ (RTL) die „Deutsche Landkraftführerschulen GmbH“ Zeesen ins Leben gerufen (100 Jahre KTBL 2023, 15). Der Eintrag der GmbH ins Handelsregister B im Amtsgericht Königswusterhausen erfolgte am 31. Dezember 1926 (Landesarchiv Berlin, C Rep. 304 Bezirksvertragsgericht, Nr. 53718 Deutsche Landkraftführerschulen „Deulakraft“ GmbH) (Abb. 1).

Bereits 1920 hatte sich auf Anregung maßgeblicher agrarischer Kreise und der Landmaschinenindustrie jener „Reichsausschuss für Technik in der Landwirtschaft“ (RTL) konstituiert, der dann als „Beirat“ beim 1919 neugegründeten Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft unter Minister Dr. A. Hermes beratend tätig wurde (100 Jahre KTBL 2023, 15). Die Initiativen des RTL konzentrierten sich auf die wissenschaftliche und technische Durchdringung der Landwirtschaft, insbesondere auf deren motorisierten Maschineneinsatz, vor allem mit Traktoren. In Bornim bei Potsdam entstand z.B. das erste deutsche Schlepperprüffeld (100 Jahre KTBL 2023, 28). Es spricht viel dafür, dass die Anregung zur Standortwahl Zeesen aus der Führungsebene der „Heinrich Lanz Mannheim AG“ gekommen war, die sich 1925 mit dem Bau von landwirtschaftlichen Kleinkraftschleppern industriell wieder erfolgversprechend betätigte. Die offizielle Stellvertretung der Landmaschinenindustrie in diesem Gremium wurde anfangs vom Direktor der Zweigniederlassung Berlin der Firma wahrgenommen, die von da an im Reichsausschuss bzw. -kuratorium personell immer vertreten war.

Diese neue Ansiedlung in Zeesen wird in jüngeren ortsgeschichtlichen Beiträgen gemeinhin als Musterbeispiel erfolgreicher Konversion – der Umwandlung von militärischen Gütern, Flächen und Produktionen zur zivilen Nutzung – angesehen, sozusagen vom „Flugplatz zum 'Pflugplatz'“ (Hafemann 2023, 144). Dabei werden Fortschritte technischer Durchdringung der Landwirtschaft von den Autoren durchaus objektiv gewürdigt. Ein Autor erklärt sehr richtig: „Die Aufgabe der neuen Deulakraft bestand darin, sowohl Besitzer als auch Führer von Motorpflügen und Traktoren technisch und praktisch in vierwöchigen Kursen umfassend auszubilden, sodass diese in der Lage waren, die damals kostspieligen Geräte und Fahrzeuge sachgemäß zu verwenden und zu warten“ (Hafemann 2023, 144). (Abb. 2-6). An anderer Stelle ist zu lesen, dass dank angeblich vom Reichsernährungsminister angeordneter Errichtung von Landkraftführerschulen ab 1927 durch die „Deutsche Landkraftführerschulen (DEULAKRAFT) GmbH“ in Zeesen „Pionierarbeit für die Landwirtschaft“ geleistet worden wäre, die dann für ganz Deutschland zum Begriff geworden sei (Dussa 2021, 122-127). Militärische Gesichtspunkte scheinen bei dem Unternehmen, will man diesen Veröffentlichungen glauben, keine Rolle gespielt zu haben.

In der Jubiläumsschrift des „Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V.“ (KTBL) von 2023, das sich als Nachfolger und in der Tradition des o.g. „Reichsausschusses für Technik und Landwirtschaft“ sieht, ist die Firmengründung dagegen wie folgt beschrieben: „In Zeesen bei Königs Wusterhausen wird die Deutsche Landkraftführerschulen (DEULAKRAFT) G. m. b. H. als eigenständige Lehranstalt gegründet, Träger ist das Reichslandwirtschaftsministerium; unterhalten wird die DEULAKRAFT aber vom Verteidigungsressort im Rahmen der geheimen Aufrüstung. Landwirtschaftliche Kräfte werden anfangs nur zur Tarnung geschult.“ (100 Jahre KTBL, 24).

Dieser hier genannte militärpolitische Hintergrund wird in den erwähnten lokalgeschichtlichen Darstellungen nicht andeutungsweise berücksichtigt. Der ursprünglichen Rolle der „DEULAKRAFT GmbH“ wirklich gerecht zu werden, bedarf daher der Betrachtung einiger geschichtlicher Zusammenhänge.

Traktoren und Panzer

Führende Kreise der deutschen Industrie und die Reichswehrgeneralität hatten ihre militärische und politische Niederlage von 1918 niemals anerkannt. Mit dem Ziel der Eroberung eines europäischen Großwirtschaftsraums und anschließender globaler Expansion war ihr Streben darauf gerichtet, Vorbereitungen auf einen neuen Krieg zu treffen. Seit 1921 vorbereitete geheime Rüstungspläne der revanchistischen Reichswehrführung sahen den Ausbau der Reichswehr zu einem modern bewaffneten Massenheer vor. Eingedenk der Kriegserfahrungen erhielten bei der Modernisierung aller Waffenarten die allgemeine Heeresmotorisierung und die gepanzerten Truppen den Vorrang (Berthold 1988, 216). Zugleich war angesichts im Krieg erlebter und lange nach dem Krieg noch immer unbeschreiblicher Hungersnot der technische Rückstand der Agrarwirtschaft zweifellos ein akutes Problem. „Motorisierung der Landwirtschaft“ schien ein Lösungswort zu effektiverer Nahrungssicherstellung zu sein. Das Hauptinteresse galt besonders Schleppern bzw. Traktoren, „um die deutsche Landwirtschaft so zu technisieren und zu rationalisieren, dass bzgl. des menschlichen Arbeitskräfteeinsatzes ein verlässlicherer Agrarbereich, nicht zuletzt für den Fall eines weiteren irgendwie bereits vorgedachten Krieges bestünde“ (Jacobeit 1994, 224).

Was lag näher, als materiell-technische und personelle Voraussetzungen zu schaffen, die sowohl der Entwicklung von Landwirtschafts- als auch Kampftechnik von Nutzen sein konnten. Hier trafen sich die Interessen führender deutscher Industrieller, Bankiers, Großagrarier, Politiker und der Reichswehrführung in für alle Seiten vorteilhafter Weise. Früh formierten sich streng geheime personelle Netzwerke dieser Akteure, um systematisch den Versailler Vertrag zu umgehen. Die ‚Netzwerker‘ organisierten z.B. die Produktion als landwirtschaftliche Schlepper getarnter Panzerkonstruktionen. Diese bei allen Waffengattungen ähnlichen geheimen Vorgänge zum Erhalt oder Aufbau militärischer Fähigkeiten werden als illegale Aufrüstung, weil gegen den Versailler Friedensvertrag von 1919 verstoßend, bezeichnet.
So befasste sich der „Reichsausschuss für Technik und Landwirtschaft“ (RTL) nach außen hin mit dem agrartechnischen Fortschritt zur Rationalisierung der landwirtschaftlichen Produktion. Das ab 1924 bestehende Rüstungsamt als geheime Abteilung im Reichswehrministerium intensivierte dagegen die Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und führenden Industriellen, die ihrerseits dafür legale und illegale Strukturen zur Wiederbewaffnung Deutschlands formierten. Zum Beispiel traf Dezember 1925 Generaloberst Hans von Seeckt, Chef der Heeresleitung, im Ruhrgebiet mit Industriemagnaten zusammen, die als ehemalige Rüstungsunternehmer nach neuen Absatzmärkten suchten. Im Haus von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, der „Villa Hügel“, erörterte er mit dem Schwager Gustav Krupps, Tilo Freiherr von Wilmowsky (1878-1966), stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der „Fried. Krupp AG“, und Direktoren wie Dr. Oesterlen (techn. Leiter) künftige Rüstungsaufträge, u.a. die Konstruktion von „deutschen Tanks“ in den Krupp-Werken sowie mit Krupps Hilfe die „Herstellung von Tankmodellen“ in Schweden (Eichholtz/Schumann 1969, 85; Dokument 5). Als aus dem o.g. Reichsausschuss (RTL) 1927 auf Veranlassung von Reichslandwirtschaftsminister Dr. h.c. Schiele (DNVP) das „Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft e.V.“ (RKTL) geworden war,  wurde Wilmowsky 1928 als sein Parteikollege und Wunschkandidat zum Vorsitzenden gewählt (100 Jahre KTBL 2023, 25).
Die Landmaschinenindustrie wünschte sich mehr praktische Schulungen zum Absatz ihrer agrartechnischen Neuerungen, und in der vorwiegend für Transportaufgaben bestehenden „Kraftfahrtruppe der Reichswehr“ bildete sich bereits die „Kraftfahrkampftruppe“ heraus. Seit 1926 unterhielt die Reichswehr auch die „Kraftfahr-Versuchsstelle (Verskraft)“ auf dem Gelände des Schießplatzes Kummersdorf bei Zossen. Der Ausbildung mit verbotenen Waffen kam also jetzt besondere Bedeutung zu.

Bereits ältere Literatur hatte deshalb die militärische Funktion der „DEULAKRAFT“ Zeesen in diesem Sinne bewertet: „Technisch-konstruktive Schritte zur Entwicklung leistungsfähiger Gleiskettentraktoren waren nahezu identisch mit den militärischen Bestrebungen zur Entwicklung von Panzern und Halbkettenfahrzeugen. Das personelle Problem - die Ausbildung sachkundigen Bedienungspersonals – wurde mit Hilfe des Kuratoriums [bzw. derzeit noch vom „Reichsausschuss für Technik und Landwirtschaft“ (RTL) – W.M.] gelöst. Vom Kuratorium wurde 1927 [meint Beginn des 1. Kurses; richtig: Jahresende 1926 – W.M.] in Zeesen bei Königs Wusterhausen die Deulakraft als Ausbildungsstätte für Traktorenfahrer gegründet, deren Absolventen durchweg in der Lage waren, auch Panzer zu bedienen“ (Berthold 1988, 330).

Deckname: Landkraftführerschule

Das Reichslandwirtschaftsministerium hatte die Trägerschaft übernommen, um der „DEULAKRAFT“ im Interesse der Reichswehr einen zivilen Tarnanstrich zu geben. Das Heereswaffenamt beabsichtigte, „angesichts der Motorisierung der Reichswehr mit schweren Maschinen eine genügende Anzahl von ausgebildeten Reichswehrsoldaten zur Verfügung zu haben.“ (GStA PK, I. HA Rep 87 B Nr. 10607, fol. 174). Die Leitung der „DEULAKRAFT“ war deshalb einem Oberstleutnant a.D. Ernst Reiner übertragen worden. Der erste Kurs in Zeesen begann am 14. März 1927. Ein Grund für gemeinsame Interessen von Industrie und Reichswehr lag auf der Hand: „Seit Mitte der zwanziger Jahre ließ die Reichswehrführung unter strengster Geheimhaltung drei leichte und zwei mittlere Panzertypen entwickeln.“ (Förster/Paulus 1977, 125) „Großtraktor“, „Leichttraktor“, „Neubaufahrzeug“, „Zugkraftwagen“, „Versuchskraftwagen 617“ waren einige der Tarnbezeichnungen für Motor- und Panzerentwicklungen von Firmen wie Daimler, BMW, Krupp, Hanomag und Rheinmetall. Um Produktionskapazitäten für eine Serienfertigung vorzubereiten, kam es darauf an, den jeweils zweckmäßigsten und besten Typ zu ermitteln. „DEULAKRAFT“ hatte speziell Erfahrungen mit Traktoren zu sammeln und Ausbildungsmethoden zu erproben.
Die Beziehungen von Reichswehr und Industrie zur „DEULAKRAFT“ in Zeesen hatte bereits der KPD-Reichstagsabgeordnete Ernst Schneller (1890-1944) während der Reichstagssitzung am 6. Juli 1927 in der Debatte zum Kriegsgerätegesetz als illegale Aufrüstung und Kriegsvorbereitung enthüllt, als er auf Grundlage des „Geschäftsberichts der Kraftpflugindustrie E.V. vom Januar dieses Jahres“ mitteilte, „wie auch in der Motorpflugindustrie die Herstellung von bestimmten Traktoren maskiert wird […] dass der Traktorenbau auf solche Typen eingestellt wird , die sich leicht auf Tanks umstellen lassen. Nach diesem Bericht […] ist eine Motorpflugführerschule gegründet worden, die sogenannte Deula-Kraft, Deutsche Land-Kraftführerschule G.m.b.H. in Zeesen bei Königs Wusterhausen. Sie wird von früheren Kraftfahroffizieren geleitet, und zwar von Oberstleutnant Reiner und Graf Münster, […] Beiträge für diese Führerschule werden vom Reichswehrministerium gezahlt“ (Verhandlungen des Reichstages. Bd. 393, 11339).  Über Reiner ist wenig Biographisches bekannt. Nachweislich war Oberstleutnant a.D. Ernst Reiner (1878 -1945?) beim Ausscheiden aus der Reichswehr im November 1926 Kommandeur der 1. (Preußischen) Nachrichtenabteilung (BArch - Militärarchiv, Freiburg i. Br., RW 59/2079). Überhaupt war die Schule mit weiteren ehemaligen Offizieren besetzt. Die verdeckte Militanz der Kraftführerschule mit ihrer Organisation und speziellen Öffentlichkeitsarbeit in Schriften und Bildern (1928 - Werbefilm mit Spielhandlung: „Hinter Motorpflug und Schraubstock“) war bei genauem Hinsehen früh erkennbar. Alles blieb auch konspirativ, als die „DEULAKRAFT“ im März 1928 dem „Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft“ (RKTL) mit seinem Vorsitzenden Tilo Freiherr von Wilmowsky unterstellt wurde. Jedenfalls erfüllte Reiner als altgedienter Offizier seinen Spezialauftrag „mit großer Energie und weiser Mäßigung“ (DEULA, Schulen des KTL 1960, 11). Im Oktober 1928 durfte ein Journalist die Deutsche Landkraftführerschule in Zeesen besichtigen und stellte fest: „Ein Wunder fast, dass der frühere Feindbund in der Ausbildung zu Motorpflügern nicht tankmäßige Kriegsvorbereitungen sieht!“ (Teltower Kreisblatt, 12.10.1928).

Der KFZ-Bestand wurde systematisch aktualisiert, sodass im Jahre 1930 mindestens 30 sogenannte Landkraftschlepper verschiedener Hersteller, außerdem zwei LKW, fünf PKW und vier Kräder zum Fuhrpark gehörten (Teltower Kreisblatt, 06.06.1930). (Abb. 7) Von 1927 bis 1930 wurden etwa 6.500 Teilnehmer von „DEULAKRAFT“ in Schlepper-Reparatur-Kursen, Fahrschulkursen, technischen Kursen, Lehrbefähigungskursen und mit mobilen Wanderschulen ausgebildet, sogenannten „DEULAKRAFT-Karawanenschulen“ (Abb. 8, 9), die durchweg militärischen Erfordernissen entsprachen. Sie befähigten auch grundlegend dazu, Kriegsgerät ‚im Felde‘ zu reparieren. Gewiss wurde nicht jeder Kursteilnehmer Angehöriger der Reichswehr oder Panzerfahrer im Zweiten Weltkrieg. Es galt ja tatsächlich, mit Motorisierung der Landwirtschaft dem Ziel weitgehender Nahrungsmittelautarkie näher zu kommen. Nicht zuletzt wurde für den geplanten Kriegsfall ein riesiger Bedarf an Truppenpferden erwartet, an deren Stelle auf den Gütern und Bauernwirtschaften Technik treten konnte. Aber die (vor)militärtechnische Ausbildung an Traktoren in Zeesen hatte die Kaderreserve der Reichswehr erweitert und den landwirtschaftlich getarnten Erfahrungsschatz für militärtechnische Konstruktionen der Industrie bereichert. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass hier schon 1928 Sprengmeister-Ausbildungskurse zur Anwendung von „Romperit“- Sprengstoff stattfanden – offiziell zum ‚Sprengkulturverfahren‘, um Findlinge und Bodenverdichtungen zu beseitigen. Die militärische Anwendung von Romperit war im Krieg ausreichend praktiziert worden, z.B. 1916 bei Verdun.

Kapital, Reichswehr, NSDAP

Das Reichswehrministerium hatte seit Jahren zusammen mit traditionellen deutschen Rüstungsbetrieben an Beschaffung und Bau von Kampfwagen gearbeitet. Im Reichstag erklärte der Abgeordnete Schneller (KPD) am 15. März 1928 die Rolle des RKTL dabei: „Dieses Kuratorium ist eine Stelle, die keine andere Aufgabe hat, als die Zusammenarbeit der Traktorenindustrie mit dem Ernährungsministerium und dem Reichswehrministerium sicherzustellen.“ (Verhandlungen des Reichstages. Bd. 395, 13419). Britische Carden-Lloyd Kleinpanzer (Fabrikat Vickers Armstrong) waren getestet und gemeinsam mit Krupp eine eigene Konstruktion, als Raupenschlepper getarnt, entwickelt worden (Förster/Paulus 1977, 123f.). Als für Heeresmotorisierung und Aufbau der Panzerwaffe seit 1929/30 eine neue Entwicklungsphase begann, wurden von der Reichswehr in getarnten Lehrgängen sogenannter Fachschulen und seit 1929 (bis 1933) in der UDSSR Panzerbesatzungen herangebildet (Zeidler 1994, 190). In höchstens fünf Jahren sollten moderne Panzertruppen aufgestellt sein, wozu die Ausbildung in Zeesen nicht ausreichen konnte. Die DEULAKRAFT war nach den ersten Jahren für die Reichswehr militärisch weniger interessant geworden, ohne für paramilitärische Zwecke überflüssig geworden zu sein. Dennoch verfügte Reichswehrminister Groener im Jahre 1930 die Schließung der Schule und Einstellung der Zahlungen. Aber das war die Begründung nicht allein. Während der Weltwirtschaftskrise seit 1929 wurde erkennbarer, dass die NSDAP von bestimmten Bank- und Monopolkreisen nicht nur finanziell unterstützt wurde und die Nazis ihren Terrorapparat wie die paramilitärische SA mit Hilfe der Reichswehr weiter ausbauten. Faschisten gewannen besonders dort zunehmenden Einfluss, wo ihnen günstige Bedingungen dafür geboten wurden.

Polizeibericht an das Polizeipräsidium Berlin vom 18. Oktober 1930: „Die bei der Deutschen Landkraftführerschule in Zeesen b. Königs Wusterhausen beschäftigten Lehrer, etwa 30, sollen zum größten Teil der NSDAP angehören bzw. nahestehen. Was man auch von dem Leiter dieser Schule, die dem Landwirtschaftsministerium untersteht, Oberstleutnant a.D. Reiner, und dessen Sekretär, einem früheren Leutnant namens Schäfer, annimmt. Die bei der Deutschen Landkraftführerschule ständig zur Ausbildung befindlichen Landwirtssöhne […] sollen während ihres 6-wöchigen Kurses in Zeesen stark für die NSDAP interessiert werden. Das Lehrpersonal sowie die jeweiligen Schüler stellen auch die größte Zahl der SA-Angehörigen des Trupps Königs Wusterhausen dar.“ (BLHA, Rep. 2A I Pol Nr. 100, fol. 579).

Führungspersonen der „DEULAKRAFT“ hatten sich bereits vor ihrer Anstellung in Zeesen als SA-Führer bewährt und bildeten in der Schule u.a. SA-Männer in Fahrschulkursen aus, getarnt als „Privatfahrschule der Deulakraft GmbH (Fahrschule)“. Unübersehbar: „Die Schule hatte sich um 1930 zu einer Hochburg der Nationalsozialisten entwickelt […] Der Skandal wurde freilich mit Ermahnungen von Leitung und Mitarbeitern der Deulakraft behände unter den Teppich gekehrt.“ (Uekötter 2011, 293)

Dieses NS-Gespinst war im Jahre 1930 besonders von der zeitgenössischen Linkspresse scharf angegriffen worden. Direktor Oberstleutnant a.D. Reiner erklärte später den Fakt so: Schon „[…] allein deshalb, weil ich als alter Offizier Leiter war und es natürlich auch durchsickerte, dass das RWM [Reichswehrministerium – W.M.] der Deulakraft nicht fernstand […] und die Deulakraft selbst eine nationalsozialistische Zelle sei […] Ich habe diese nationalsozialistischen Bestrebungen unterstützt, musste natürlich nach außen hin sehr vorsichtig sein.“ (BArch, R.9361 II/452201). Weitere Skandalnachrichten über republikfeindliche Handlungen von „DEULAKRAFT“-Mitarbeitern und Kursteilnehmern in der Region Königs Wusterhausen hatten damals Reichswehrminister Groener und auch den Preußischen Staatsminister des Innern, Severing, erreicht (GStA PK, I. HA Rep 87 B Nr. 10607, fol. 147). Diese Vorgänge glichen atmosphärischen Störungen im Komplex geheimer Vorbereitungen der Reichswehr auf den Fall eines „inneren Notstandes“, in gewisser Weise auch der weiteren Realisierung des geheimen 1. Rüstungsprogramms (1928 -1932). Während der Haushaltsdebatte des Reichstages im März 1931 musste sich Groener erklären. Die SPD-Zeitung „Vorwärts“ zitierte ihn: „Die Deulakraft bekommt seit 1930 keine Mittel mehr, der Betrieb wird liquidiert.“ (Vorwärts Nr. 115. 10. März 1931, 2). Als Reichswehrminister Groener im Mai 1931 nochmals die Auflösung der „DEULAKRAFT“ bestätigte, intervenierten einflussreiche industrielle und landwirtschaftliche Netzwerke, besonders das RKTL unter Leitung Tilo Freiherr von Wilmowskys (GStA PK, I. HA Rep 87 B Nr. 106007, fol. 167). Auch der Chef des Stabes der Abteilung Inspektion der Verkehrstruppen im Reichswehrministerium, Oberst Oswald Lutz (1876 - 1944 München; zuletzt General der Panzertruppe im Zweiten Weltkrieg), hatte am Fortbestehen der Einrichtung vertraulich Interesse bekundet und mit der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) dementsprechende Verhandlungen aufgenommen.

Die Reichswehr wurde am 19. April 1932 im Verwaltungsausschuss der „DEULAKRAFT“ durch Oberleutnant a.D. Hans von Fichte (seit 1928 Reichswehr-Angestellter als Referent z.b.V. beim Wehrkreis-Kommando III - Berlin/Mark Brandenburg) vertreten - Seite an Seite mit Dr. Willi Schlabach und Tilo Freiherr v. Wilmowsky vom RKTL – und erwies sich wie bisher als großzügig (GStA PK, I. HA Rep 87 B Nr. 10607, fol. 141). Schließlich war die DLG bereit, als neuer Träger den Fortbestand der Schule zu gewährleisten – im Interesse weiterer Motorisierung der Landwirtschaft sowie spezifischer Ziele der Reichswehr.
Das militärische Gründungsmotiv tarnend, hatte die „DEULAKRAFT“ sich im Laufe der Zeit unter Agraringenieuren und -wissenschaftlern, Landmaschinenproduzenten und bäuerlichen Interessenvertretungen als agrartechnische Ausbildungsfirma Ansehen erworben. Am 20. Mai 1932 bestätigt das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Schreiben an das RKTL die Weiterführung der „DEULAKRAFT-Schule“ (GStA PK, I. HA Rep 87 B Nr. 10607, fol. 245).

Zeitenwende zum Ernstfall

Noch waren den deutschen Waffenschmieden die Hände gebunden. Seit dem 2. Februar 1932 tagte mit Unterbrechungen (bis 11. Juni 1934) in Genf eine internationale Abrüstungskonferenz. Ihr Verlauf führte mit einer Resolution im Dezember 1932 de facto jedoch zur Anerkennung deutscher Rüstungsgleichberechtigung. Damit zeichneten sich Chancen für die legale Wiederaufrüstung ab. Zunächst aber blieb der Reichswehr, in den Kursen der „DEULAKRAFT“ für sich einen gewissen militär- und personaltechnischen Nutzen zu sehen und diese erwartungsvoll wie bisher großzügig zu unterstützen (Hochstetter 2005, 255/56).

Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Generalfeldmarschall a.D. Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. „Die Nationalsozialisten strukturieren das landtechnische Organisationswesen komplett um […] Das RKTL bekommt nach Gleichschaltung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft die gesamten Geschäftsanteile der DEULAKRAFT G. m. b. H. übertragen.“ (100 Jahre KTBL 2023, 33). Der Vorstand des RKTL wurde von den Nazis zum Rücktritt aufgefordert und Tilo Freiherr von Wilmowsky durch Walter Gramzow, einem ranghohen NSDAP-Mitglied, ersetzt.

Am 1. November 1933 wurde in Zossen ein sogenanntes „Kraftfahrlehrkommando“ als erster Panzerausbildungstruppenteil aufgestellt. Auch die „DEULAKRAFT GmbH“ hatte mit ihren Schlepperführer- und Reparaturkursen dem faschistischen Regime ermöglicht, „in wenigen Jahren eine modern ausgerüstete, schlagkräftige Aggressionsarmee zu schaffen […] Im Dezember 1933 lagen drei Prototypen unter der Tarnbezeichnung ‚Landwirtschaftlicher Schlepper‘ (LaS) vor. Ein halbes Jahr später erging bereits ein Serienauftrag für 150 Stück.“ (Förster/Paulus 1977, 126).

Bis 1933 hatte die „DEULAKRAFT“ in Zeesen über 11.000 Kursanten geschult. Sie wurde im Jahr 1935 unter Oberstleutnant a.D. Direktor Ernst Reiner, seit Mai 1933 NSDAP-Mitglied (BArch Berlin, R 9361-IX Kartei/34210951), nach Berlin-Weißensee in das ehemalige Gut Wartenberg verlegt.

Fazit

Die „Deutsche Landkraftführerschule“ in Zeesen war bis Januar 1933 eine landtechnische Lehranstalt, die von Beginn an auch als getarnte vormilitärische Test- und Ausbildungsstätte der Reichswehr im Rahmen planmäßiger Kriegsvorbereitung sowie als Schulungshort der NSDAP und ihrer SA diente. Ganz im Sinne des RKTL waren die agrartechnischen Kurse zunehmend darauf ausgerichtet, auch die deutsche Landwirtschaft für den Kriegsfall zu rüsten (100 Jahre KTBL 2023, 38).

Quellen

Bundesarchiv Berlin (BArch), Militärarchiv, Freiburg i. Br., RW 59/2079 Ausgeschiedene Offiziere des Heeres (Abgangskartei I).

BArch Berlin, R.9361 II/452201, Bestand Parteikorrespondenz (Brief Reiner an Seifert v. 05.12.1933).

BArch Berlin, R 9361-IX Kartei/34210951.

BArch Berlin, Akte DC 15/974 (Beschluss der DWK S 277/48).

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam (BLHA), Rep. 2A I Pol Nr. 100, fol. 579.

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK), I. HA Rep 87 B Nr. 10607, fol. 174 (Schreiben v. 27. März 1931).

GStA PK, I HA Rep 87 B Nr. 10607, fol. 147 (Schreiben A. Falk v. 10. Februar 1931).

GStA PK, I. HA Rep 87 B Nr. 106007, fol. 167.

GStA PK, I. HA Rep 87 B Nr. 10607, fol. 141.

GStA PK, I. HA Rep 87 B Nr. 10607, fol. 245.

Landesarchiv Berlin, C Rep. 304 Bezirksvertragsgericht, Nr. 53718

Teltower Kreisblatt, 12.10.1928 (Mit der A.T. L. in Zeesen) (Sammlung Klaar).

Teltower Kreisblatt, 06.06.1930

Verhandlungen des Reichstages. Stenographische Berichte. Bd. 393. S. 11339 (335. Sitz., Mittwoch den 6. Juli 1927, Abgeordneter Schneller, KPD). Berlin 1927.

Verhandlungen des Reichstages. Stenographische Berichte. Bd. 395. S. 13419 (400. Sitzung. Donnerstag den 15. März 1928, Abgeordneter Schneller, KPD).

Vorwärts, Nr. 115 10. März 1931, S. 2 (Die Reichswehr im Brennpunkt).

Literatur

100 Jahre KTBL – eine Chronik 1923-2023. hrsg. vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. Frankfurt am Main 2023. [Siehe: Hier]

Berthold, Rudolf (Hrsg.): Geschichte der Produktivkräfte in Deutschland von 1800 bis 1945 (3 Bände). Bd. 3. Berlin 1988.

Deula - Schulen des KTL. Entwicklung und heutige Lage der deutschen Landmaschinenschulen des Kuratoriums für Technik in der Landwirtschaft (= Flugschrift des Kuratoriums für Technik in der Landwirtschaft e.V.; 8). Wolfratshausen bei München 1960.

Eichholtz, Dietrich / Schumann, Wolfgang (Hrsg.): Anatomie des Krieges. Berlin 1969.

Dussa, Ulla: Die Deutsche Landkraftführerschule (Deulakraft) in Zeesen. In: Heimatkalender 2021, Königs Wusterhausen und Dahmeland, S. 122-127.

Fischer, Gustav: Wie ich zur DEULA kam. In: Max-Eyth-Gesellschaft für Agrartechnik (MEG) e. V. (Hrsg): Miterlebte Landtechnik. Band II. Darmstadt 1985.

Förster, Gerhard / Paulus, Nikolaus: Abriss der Geschichte der Panzerwaffe. Berlin 1977.

Hafemann, Denny: Hergestellt im Verborgenen. Der Ort Zeesen und seine besondere Industrie- und Militärgeschichte. Königs Wusterhausen 2023 (2. Aufl.).

Hochstetter, Dorothee: Das Nationalsozialistische Kraftfahrtkorps (NSKK) 1931-1945. München 2005.

Jacobeit, Wolfgang: Das „Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft“ (RKTL) und die Bauern. In: Reif, Heinz (Hrsg): Ostelbische Agrargesellschaft im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Berlin 1994.

Uekötter, Frank: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Umwelt und Gesellschaft. Band 1. Göttingen 2011.

Völker, Klaus: Mephistos Landhaus. Klabund (1926) und Gründgens (1934 -1946) in Zeesen (= Frankfurter Buntbücher). Berlin 2008.

Zeidler, Manfred: Reichswehr und Rote Armee 1920-1933. Wege und Stationen einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit. Oldenburg 1994 (2. Aufl.).

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Schiffbeker Zeitung, Beilage 13, 1.2.1927.

Abb. 2-4, 6, 7 Gemeinfrei.

Abb. 5 Archiv Hubert Flaig.

Abb. 8, 9 Bundesverband Deula e.V.

Empfohlene Zitierweise

Müller, Wolfgang: Deutsche Landkraftführerschulen (DEULAKRAFT) GmbH Zeesen (1926-1935), publiziert am 03.04.2025; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Preußische Provinz
Themen: Wirtschaft - Herrschaft und Verwaltung - Militär - Bildung und Kultur


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