Burgwall Lossow (Bronzezeit)
Ines Beilke-Voigt
Lage
Direkt am Flusslauf der Oder, auf einer markanten Hochfläche 30 Meter über dem Wasser gelegen, befindet sich die Burgwallanlage von Lossow, die als eines der bedeutendsten bronze-/früheisenzeitlichen Bodendenkmale der Region gilt (Abb. 1). Die Vorzüge dieser exponierten Höhenlage erkannte man bereits in der frühen Bronzezeit, wovon erste Besiedlungsspuren zeugen. Doch erst am Übergang von der mittleren zur jüngeren Bronzezeit (Periode III/IV) wurde hier eine befestigte Siedlung angelegt. Diese entwickelte sich in ihrer damaligen Siedlungskammer im Laufe der Bronzezeit zu einem wichtigen Burgzentrum mit zentralörtlichen Funktionen. In diesem Zentrum bündelte sich neben hauswerklichen Tätigkeiten (Töpferei, Textilherstellung, Knochen- und Geweihverarbeitung) ebenso spezialisiertes Handwerk (Bronzeherstellung), aber auch regionaler und überregionaler Handel konnte hier nachgewiesen werden. Durch die attraktive topografische Höhenlage hatte man eine hervorragende Rundumsicht, die sowohl das flache Niederungsgebiet nach Osten als auch das eigene Hinterland betraf. Zudem bot sich eine ausgezeichnete Möglichkeit, den Flusslauf der Oder nach Norden und Süden zu überblicken und den Wasserweg in beide Richtungen zu überwachen. Die Burgwallbewohner verfügten somit über eine gut geschützte Hoch- und günstige Verteidigungslage. Eine Vielzahl von Befunden zu Wohn- und Wirtschaftsaktivitäten zeugen von einer langen und intensiven Nutzung der Anlage bis an den Beginn der frühen Eisenzeit. Direkt vor dem Burgwall lagen die zeitgleiche Vorburgsiedlung sowie das dazugehörende Gräberfeld und die landwirtschaftlichen Nutzflächen, Weiden und Waldgebiete.
Aber auch in ihrer zweiten, um 800 v. Chr. beginnenden und damit früheisenzeitlichen Nachnutzung als Kultplatz war die Burgwallanlage von Lossow nicht weniger bedeutsam und erlangte durch ihre sogenannten Opferschächte überregionalen Bekanntheitsgrad. Von nun an bestimmten bis zu über sieben Meter tiefe brunnenähnliche Schachtanlagen das Gepräge des Ortes und leiteten eine neue Nutzungsphase des Burgwallareals ein. Die aufsehenerregenden Schächte enthielten größtenteils Menschen- und Tierknochen bzw. auch vollständige Skelette, die eine Deutung als kultisch genutzte Anlagen nahelegen und in der Forschung als Opferschächte interpretiert werden.
Forschungsgeschichte
Die mit Lossow verbundenen Forschungen gehen an den Anfang des vorletzten Jahrhunderts zurück und sind eng mit der „Vorgeschichtlichen Abteilung des Königlichen Museums für Völkerkunde Berlin“ (heute Neues Museum) verbunden. Auf Veranlassung Carl Schuchhardts wurden hier die ersten dokumentierten Ausgrabungen unter der örtlichen Grabungsleitung von Reinhold Agahd im Jahre 1909 durchgeführt. Seinerzeit konzentrierte sich Agahd ausschließlich auf den Aufbau der befestigten Wallanlage und legte dazu einen großen Suchschnitt quer durch den Westwall an. Dabei konnte er erstmalig die sogenannte Kastenbauweise als Befestigung im Wallinneren nachweisen. Erst Wilhelm Unverzagt unternahm zwischen 1926 und 1929 größere Flächenuntersuchungen innerhalb des Burgwallgeländes, wobei es zur Ausgrabung und Dokumentation der berühmten Opferschächte kam. Eine einjährige Notgrabung im Jahre 1968 wurde durch Horst Geisler vom Museum für Ur- und Frühgeschichte Potsdam durchgeführt. Weitere Ausgrabungen folgten 1980 bis 1984 durch Siegfried Griesa und Studierende der Humboldt-Universität zu Berlin. Aktuellste Forschungen in und um Lossow fanden zwischen 2007 und 2017 als DFG-Forschungsprojekt mit Anbindung an die Humboldt-Universität sowie im Rahmen des Exzellenzclusters „TOPOI“ unter der Leitung von Ines Beilke-Voigt statt. Die Fragestellungen des interdisziplinär ausgerichteten Projektes betrafen die Entstehung und zeitliche Entwicklung des Burgwalls; im Weiteren sollte sein Charakter als Zentralort herausgearbeitet und die Gesamtanlage mit der dazugehörenden Vorburgsiedlung und dem zeitgleichen Brandgräberfeld in ihrem naturräumlichen Kontext untersucht werden.
Genese – Entstehung und Entwicklung des Burgwalls
Die aktuellen Forschungen haben gezeigt, dass es auf der siedlungsgünstigen Hochfläche von Lossow zunächst eine offene Ansiedlung gab, wahrscheinlich in Form von Einzelgehöften. Diese ging der befestigten Burgwallsiedlung voraus und kann bereits in die frühe Bronzezeit datiert werden. Erst danach wurde der Burgwall in zwei Bauphasen errichtet und das Areal funktional unterschiedlich genutzt. Die erste Bauphase liegt mit einem kalibrierten Alter zwischen 1406 bis 1292 BC und damit am Übergang von der mittleren zur jüngeren Bronzezeit. Diese erste Befestigung wurde in Planken- bzw. Palisadenbauweise errichtet und durch zwei Reihen von großen Pfosten bzw. einer dazwischen liegenden Reihe von kleineren Pfosten gebildet. Im Zuge dieser Befestigung wurde eine Fläche von ca. drei bis vier Hektar von der zeitgleichen Vorburgsiedlung, die sich westlich vor dem Burgwall befand, abgegrenzt. Heute umfasst dieses Areal noch ca. 2,2 Hektar. Die Flächenverringerung ist auf den Bau der Eisenbahnstrecke Berlin – Breslau im Jahre 1844 zurückzuführen, die seinerzeit quer durch das östliche Burgwallgelände verlief und zu großflächigen Zerstörungen führte.
Die zweite Bauphase der Befestigung datiert in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts bzw. um 800 v. Chr. In diesem Zeitraum geht ein Funktionswandel des bewohnten Burgareals einher: Die intensive Siedlungstätigkeit wird aufgegeben und das Burgwallinnere von nun an als früheisenzeitlicher Kultplatz genutzt.
Lossow als bronzezeitliches Burgzentrum - Wohnen und Handwerk
Der Burgwall von Lossow war in der Bronzezeit ein befestigtes Burgzentrum mit zentralörtlichen Aufgaben. Er stellte einen dauerhaften Siedlungs- und Mittelpunkt des Wirtschaftslebens in der Region dar und war durch die sichtbare Befestigung von seiner unmittelbaren Vorburgsiedlung und weiteren, ihn umgebenden kleineren Siedlungen abgegrenzt. Hier bündelten sich Handwerk und Handel. Hier residierten die mit der Planung und Durchführung der wirtschaftlichen Aktivitäten betrauten Personen, denen aus dieser Position heraus eine führende Stellung zuzuschreiben ist.
Eine ausgeprägte Kulturschicht mit einer außerordentlichen Befunddichte an Siedlungs-, Abfall- und Speichergruben, Nachweisen von Gebäuden und Feuerstellen zeugen von dieser dauerhaften und intensiven Besiedlung auf dem Burgwall. Zahlreiche Pfostengruben sowie über 2.500 Hüttenlehmfragmente sind als Überreste von hölzernen Pfostenbauten zu deuten, die aus einer Kompositbauweise aus Holz und Lehm bestanden. Für die Konstruktion der Pfostengebäude nutzte man senkrecht stehende Rundhölzer, die mit Ruten verbunden wurden, so dass Flechtwerkwände entstanden. Diese wurden flächig mit Lehm verputzt, der als wetterfestes Dichtungsmittel sowie zum Temperatur- und Feuchtigkeitsausgleich diente. Keramikanalytische Untersuchungen erbrachten, dass eine in ca. 800 Meter Entfernung, nördlich des Burgwalls liegende Tongrube für die Herstellung des Lehmverputztes diente. Die als Flechtwerk genutzten, nur 0,5 cm starken Ruten waren aus Weide, Pappeln oder anderen biegsamen Hölzern.
Neben den Pfostenbauten gab es Blockbaukonstruktionen in Lossow. Sie bestanden aus aufeinander liegenden Rundhölzern, deren aufgehende Blockwand innen und/oder außen ebenfalls mit Lehm verputzt wurde, um das Hausinnere vor Witterungseinflüssen zu schützen. Den gleichen Effekt erzielte man, indem man die Balkenritzen mit Moos, Heu oder Stroh abdichtete. Die Balkennegative des Bauholzes sind mit Durchmessern zwischen 8 und max. 18 cm zu rekonstruieren. Bautechnisch konnte beobachtet werden, dass die Negative am jeweiligen Lehmfragment immer vergleichbare Durchmesser aufwiesen, was darauf hindeutet, dass die verwendeten Bauhölzer bewusst in ihren Größen ausgesucht wurden, um eine einheitliche Hauswand zu errichten. Etliche Putzfragmente zeigten weiße kalkhaltige Anstriche. Diese erzielten neben der optischen Aufhellung des Gebäudes ebenso eine höhere Witterungsbeständigkeit, hatten aber auch eine desinfizierende Wirkung und konnten Pilz- und Ungezieferbefall fernhalten.
Weiterhin geben zahlreiche Funde Einblick in die täglichen Lebens- und Arbeitsbereiche der Burgwallbewohner. Mehrere Knochen- und Geweihgegenstände, etliche Silex- und Steingeräte sowie Spinnwirtel und Webgewichte für die Textilverarbeitung repräsentieren ein breites Spektrum an handwerklichen Tätigkeiten vor Ort. Über 40.000 Keramikscherben belegen die Herstellung und Nutzung der vielfältigen Haushaltskeramik. Es konnten 14 Gefäßtypen wie Töpfe, Terrinen, Schalen, Tassen, Becher, Näpfe, Backteller und Löffel nachgewiesen werden. Weiterhin wurde auf dem Burgwall qualitätsvolle Turbanrandkeramik hergestellt, deren beachtenswerte Fundmenge von über 200 Scherben als besonders hervorzuheben ist (Abb. 2). Bronzeverarbeitung als spezialisiertes Handwerk ist mit mehreren Gussformen, den dazugehörenden Formmänteln und technischer Keramik wie Schmelztiegel- und Tondüsenfragmenten belegt. Die für die technische Keramik genutzten Rohtone konnten archäokeramisch verifiziert werden und stammen ebenfalls aus der Tongrube, die sich nördlich des Burgwalls befand.
Handel und Fernkontakte
Eng verbunden mit der handwerklichen Produktion sind zahlreiche Nachweise von Fernhandelskontakten, die Lossow als Burgzentrum charakterisieren. Importe und qualitätsvolle Einzelfunde, die in der Regel nicht zum Fundgut der Region gehören, sprechen dabei für seine feste Einbindung in das bronzezeitliche Handelsnetz. So wurde Salz in sogenannter Briquetage-Keramik nachweislich aus der Umgebung von Halle (Saale) nach Lossow verhandelt. Weitere Kontakte und kulturelle Einflüsse gab es in den schlesischen Raum, wie graphitierte Scherben und ein Bronzearmring mit Riefengruppen zeigen. Verbindungen zum Nordischen Kreis sind durch den Altfund eines fünfteiligen bronzenen Plattenhalskragens mit Rillenzier (Typ Bebertal Variante C) sowie Fragmente einer Lappenschale belegt. Weitere Metallfunde stammen aus der Vorburgsiedlung und beziehen sich auf einen bronzenen Doppelknopf und ein einschneidiges Rasiermesser Typ Lháň/Hrušov, das seine Hauptverbreitung im Mittelelbe-Saale-Gebiet bis zur March aufweist. Vom zeitgleichen Brandgräberfeld stammt eine Bronzenadel mit profiliertem konischen Kopf und Halsrippe am Nadelschaft (Variante Mostkovice), die wiederum Kontakte in das schlesische Gebiet unterstreicht (Abb. 3, 4). Eine kleine Vasenkopfnadel mit schräg gekerbter Verzierung am Umbruch weist in den mährischen Kulturraum.
Viehzucht und Ackerbau
Auf Grundlage archäozoologischer (rund 5.500 Tierknochen) und archäobotanischer Untersuchungen (> 2.900 verkohlte Pflanzenreste) konnte erwiesen werden, dass Ackerbau und Viehzucht das Bild des Nahrungserwerbs in Lossow bestimmten.
Der domestizierte Haustierbestand setzte sich aus verschiedenen Groß- und Kleinsäugern zusammen, die in erster Linie der Fleischversorgung aber auch als Milch- und Rohstofflieferanten (Knochen/Geweih, Fett, Sehnen, Wolle) dienten. Das Rind hatte mit 41 % die größte Bedeutung, gefolgt vom Schwein (27 %) und Schaf/Ziege (26 %). Mit einigen wenigen Knochen ist das Pferd belegt. Ebenso fanden sich Knochen vom Haushuhn, das bislang als vermutlich ältester Nachweis für diese Zeit in Mitteleuropa gilt. Hunde, die ebenfalls nachweisbar waren, wurden wohl eher als Hof- und Hütehunde gehalten.
Domestizierte Tierhaltung setzt eine intensive Weidewirtschaft voraus, die durch bestimmte Grünlandpflanzen und verschiedene Kleearten archäobotanisch belegt werden konnte. So standen nachweislich fruchtbare Ackerflächen für den Anbau von Getreide sowie Nutz- und Gemüsepflanzen zur Verfügung, die durch fast 3.000 Pflanzenreste näher bestimmt werden konnten. Unter den neun nachgewiesenen Getreidearten steht die Rispenhirse an erster Stelle, gefolgt von Gerste und Dinkel. Vereinzelte Nachweise liegen von Saat-Weizen, Emmer, Einkorn und Kolbenhirse vor. Roggen- sowie Haferkörner ergänzen die Belege. Zum weiteren Anbau zählten Hülsenfrüchte (Linse, Ackerbohne, Erbse), Ölsaaten (Lein, Schlafmohn) und Gemüse (Rote Beete, Mangold). Auch für die aus der Wildflora nachgewiesenen Pflanzen (Gänsefußarten, Melde, Möhre/Wilde Gelbe Rübe, Brennnessel, Vogelmiere) ist eine Nutzung als Gemüse, Salatpflanze oder als wohlschmeckende Kräuter durchaus denkbar. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass man um die Wirkung von Holunderblüten, Wegerich oder Minze wusste und diese bewusst als Heilkräuter sammelte.
Dass Getreide zum Zweck der Bevorratung in der Lossower Burgsiedlung gelagert wurde, belegen Befunde von rund 30 Speichergruben, die neben sortenreinen Lagerungen (Hirse) auch Mischvorräte (Hirse mit Spelzgerste) beinhalteten. In einigen dieser leicht kegelstumpfförmigen Eintiefungen konnten organische Auskleidungen aus Kiefer nachgewiesen werden (Abb. 5). Funde von Reibkugeln und Unterlegsteinen belegen die Weiterverarbeitung des Getreides vor Ort.
Jagd und Landschaftsnutzung
Neben der Viehzucht spielte die Jagd eine weitere, wenn auch untergeordnete Rolle. Mit einem Wildtieranteil von 6 % wurden Wildschwein, Reh, Rothirsch und Biber sowie in geringer Anzahl auch Rotfuchs, Dachs, Wildkatze und Feldhase nachgewiesen. Auf eine handwerkliche Weiterverarbeitung von Haus- und Wildtierknochen bzw. Geweih verweisen mehrere Geräte wie Pfrieme und Ahlen, aber auch eine Pfeilspitze aus Rothirschgeweih (Abb. 6, 7) oder ein durchbohrter Eberzahn. Im Weiteren diente die Oder als Nahrungsquelle, und Funde von Schuppen und Gräten zeigen, dass Fischfang betrieben wurde. An Fischresten konnten Karpfen, Hecht und Wels nachgewiesen werden. Das Fragment eines Angelhakens von 5 cm Länge belegt ein dementsprechendes Fanggerät. Zu den Tierresten gehören außerdem zahlreiche Muscheln, die aus heimischen Gewässern stammen. Wildvögel wie Enten und Gänse ergänzten das tierische Nahrungsangebot.
Außerhalb des Burgwalls befanden sich die landwirtschaftlichen Nutz- und Ackerflächen, Rohstoffressourcen und Waldgebiete. Letztere bestanden aus einer mischwaldähnlichen Vegetation. Durch archöobotanische Untersuchungen zeigte sich, dass sich diese aus Nadelbäumen (Kiefer), Laubbäumen (Erle, Eiche, Hasel, Weide/Pappel) und Gehölzen (Schwarzer Holunder) zusammensetzte.
Die Vorburgsiedlung
Ein Zentralort musste über ein wirtschaftlich gut funktionierendes Umland verfügen. In diesem lebte die eng mit dem Zentralort verbundene Siedlungsgemeinschaft, welche die vorrangige Aufgabe hatte, die Nahrungsmittelversorgung des Zentralortes sicherzustellen. Durch Siedlungsfunde aus dem Jahre 1964 gab es bereits Indizien, dass ca. 150 Meter westlich vor dem Burgwall mit einer Vorburgsiedlung zu rechnen ist (Abb. 8). Diesen Indizien wurde durch Grabungen im Jahre 2009 nachgegangen. Mehrere siedlungsrelevante Befunde, wie Gruben und Feuerstellen, sowie das hier geborgene Keramik- und Fundmaterial belegen eine offene Ansiedlung, die dem des Burgwalls zeitlich gleichzusetzen ist. Interessanterweise lässt sich im Vergleich des Fundmaterials zwischen Burg und Vorburgsiedlung feststellen, dass die spezialisierten handwerklichen Produktionen wohl ausschließlich in der Höhenbefestigung stattfanden und die Burg als Produktions- und Distributionszentrum herauszustellen ist. Dies zeigt sich zum einen darin, dass in der Vorburgsiedlung bislang keine Belege für Bronzeverarbeitung erbracht werden konnten und zum anderen auch keine Nachweise für die exklusive Turbanrandkeramik vorliegen. Beide Beobachtungen sprechen für eine bewusste handwerkliche Aufgabenverteilung, die an die Burg gebunden war. Eine hierarchische Differenzierung und soziale Abstufung zwischen Burg und Vorburgsiedlung lässt sich auch durch das archäozoologische Material herausstellen. So konnten in der Vorburgsiedlung ausschließlich Haustiere unter den Schlacht- und Nahrungsabfällen dokumentiert und bislang keine Nachweise von Wildtierknochen erbracht werden. Möglicherweise ist davon auszugehen, dass sowohl Jagd als auch der Verzehr von Wildbret als Privilegien verstanden wurden und an den Burgwall und dortige Bewohner bzw. die dort zu vermutende Führungsschicht gebunden waren.
Das Brandgräberfeld
Das nur 800 Meter westlich vom Burgwall liegende Brandgräberfeld wurde 2011 wiederentdeckt (Abb. 8). Eine erste Untersuchung auf 110 m² erbrachte über 34 Befunde, die mehrere Urnengräber, Leichenbrandnester und -schüttungen sowie Branderdegruben einschließen (Abb. 9). Die verwendete Grabkeramik sowie Metallbeigaben umfassen eine mittel- bis spätbronzezeitliche Einordnung und weisen auf die zur Burg und Vorburg gehörende Bestattungsgemeinschaft.
An keramischen Sonderfunden ist ein kleines Vogelprotom mit Kopf- und Halsbereich zu nennen, das möglicherweise zu einem zoomorphen Gefäß zu rekonstruieren ist (Abb. 10). Des Weiteren wurde eine keramische Rassel mit Griff gefunden (Abb. 11). Sie weist eine Länge von 8,5 cm auf und hat einen rundstabigen Querschnitt. Das als Halbrund ausgeformte Rasselende trägt eine sternenförmig angeordnete Verzierung. Wie Röntgenaufnahmen zeigen, befinden sich in dem Hohlkörper sieben kleine Kieselsteine, die als Rasselelemente dienten (Abb. 12).
Bezüglich der Grabkeramik sind zwei Auffälligkeiten zu betonen. Zum einen scheint sich für den hier vorliegenden Gräberfeldausschnitt ein spezieller Bestattungsritus herauszukristallisieren: Alle als Urnen genutzten Grabgefäße, zumeist Terrinen, waren im Bereich des Schulterumbruchs abgeschlagen und nur deren Unterteil wurde für die Aufnahme des Leichenbrandes verwandt. Anschließend wurde das so intentionell zugerichtete Grabgefäß mit einer Deckschale verschlossen. Zum anderen konnte durch archäokeramische Analysen gezeigt werden, dass es eine strikte Trennung zwischen profaner Haushaltskeramik und Bestattungskeramik gab. Bereits die Nutzung des Rohtons wurde streng unterschieden und für die Herstellung der Sepulkralkeramik bewusst eine andere Tongrube genutzt als für die der Siedlungsware. Auch die manuelle Aufbereitung des Rohtons der Grabkeramik wich erheblich von der Siedlungsware ab: Er war weniger sorgfältig durchgeknetet und geschlämmt und hatte eine schlechtere Qualität, die sich in einer hohen Porosität und Wasserdurchlässigkeit der Scherben nachweisen ließ. Dieses Ergebnis belegt, dass die Gräberfeldkeramik nicht – wie hinlänglich angenommen – aus dem Bestand der Siedlungs- und Haushaltsware genommen, sondern dass sie eigens für das Bestattungsritual als Grab- oder Beigefäß hergestellt wurde. Zudem konnte anhand der Leichenbrände vom Lossower Gräberfeld festgestellt werden, dass die Verstorbenen i. d. R. zwischen 650 und 700 °C verbrannt wurden. Bezüglich dieser niedrigen Brenntemperaturen ist davon auszugehen, dass die für die Bestattung genutzten Gefäße als rohe und nicht gebrannte Keramik zusammen mit dem Verstorbenen auf dem Scheiterhaufen platziert und erst dort gebrannt wurden. Kein aus der Bestattungskeramik beprobtes Gefäß, weder Urnen noch Beigefäße, war überbrannt.
Literatur
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Griesa, Siegfried: Früheisenzeitliche Kultplätze. In: Schlette, Friedrich / Kaufmann, Dieter (Hrsg.): Religion und Kult in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Berlin 1989, S. 251-259.
Griesa, Siegfried: Der Burgwall von Lossow. Forschungen von 1909 bis 1984. Lossower Forschungen Bd. 2. (= Materialien zur Archäologie in Brandenburg; 6). Rahden/Westf. 2013.
Abbildungsnachweis
Abb. 1, 8 Klaus Ziedler (Frankfurt/Oder).
Abb. 2, 4, 7, 10, 11 Lossow-Projekt, Humboldt-Universität zu Berlin (Zeichnung: Torben Stupp).
Abb. 3 BLDAM (Foto: Detlev Sommer).
Abb. 5, 9 Lossow-Projekt, Humboldt-Universität zu Berlin (Foto: Andreas Mehner).
Abb. 6 Lossow-Projekt, Humboldt-Universität zu Berlin (Foto: Ines Beilke-Voigt).
Abb. 12 Aufnahme: Chirurgische Gemeinschaftspraxis Calmez & Ewald, Berlin-Prenzlauer Berg.
Empfohlene Zitierweise
Beilke-Voigt, Ines: Burgwall Lossow (Bronzezeit), publiziert am 08.09.2020; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)
Kategorien
Epochen: Ur- und Frühgeschichte
Themen: Archäologie und Siedlung