Moschee Wünsdorf

Reinhard Bernbeck, Torsten Dressler, Martin Gussone, Thomas Kersting, Susan Pollock, Ulrich Wiegmann

Pünktlich zum Jubiläum des 100jährigen Baubeginns am 13. Juli 2015 begann das BLDAM zusammen mit der FU Berlin eine Lehr- und Forschungsgrabung auf dem Areal der Moschee im Kriegsgefangenenlager des Ersten Weltkriegs am Militärstandort Zossen (Abb. 1).

Unabhängig davon plante das Land Brandenburg schon länger die Einrichtung eines Erstaufnahmelagers für Asylsuchende auf einer Landesliegenschaft, die sich schon über 100 Jahre in öffentlicher Hand befindet. Groß war das Erstaunen auf beiden Seiten, als sich bei der Grabungsvorbereitung herausstellte, dass es sich um dieselbe Fläche handelt. Insofern war nun wegen der umfangreichen Bauplanungen im Bodendenkmal „Kriegsgefangenen-Lager und Moschee der Neuzeit“ zusätzlich eine baubegleitende Dokumentation durch eine Fachfirma fällig.

Ziel der Forschungsgrabung war die genaue Lokalisierung der Moschee, die trotz des bekannten Grundrisses (publiziert im Zentralblatt der Bauverwaltung 1916, Abb. 2) im Lagerplan von 1918 nur als Karten-Signatur auftaucht (Abb. 3). Ziel der Baubegleitung war die Dokumentation und Bergung aller bei den Bauarbeiten zerstörten Funde und Befunde des Lagers.

Das „Halbmondlager“ war 1914 für muslimische Kriegsgefangene angelegt, die im Lager befindliche Moschee 1915 errichtet und bereits im Jahr 1930 (nach einem Dokument des „Reichswehrministeriums“) wieder abgebaut worden. Auch von den 50 ursprünglich zum Lager gehörenden Baracken sind keine bekannten Reste vorhanden. Der bauhistorische Wert der Moschee als ältester religiöser Bau des Islam in Deutschland liegt einerseits in der Besonderheit ihrer Leichtbauweise (Holzwände und –kuppel) und andererseits darin, dass hier bewusst viele unterschiedliche islamische Stilelemente als Aspekt psychologischer Kriegsführung genutzt wurden. Der Bau sollte islamische Kriegsgefangene aus weiten Teilen der von der Entente kolonialisierten Länder von Marokko bis Indien ansprechen. Vor der Ausgrabung war unklar, ob überhaupt noch Reste der Moschee bzw. des Lagers zu finden sein würden, war doch das Gelände in den Jahren 1934 und 1935 stark durch die Umgestaltung für die Wehrmacht verändert worden. Der Straßenname „Moscheestraße“ erinnert bis heute an das Halbmondlager.

Die Ausgrabungen

Der bislang nur mittels Überlagerung historischer Karten und schriftlicher Quellen bekannte Fundplatz Wünsdorf Nr. 48 „Kriegsgefangenenlager“ konnte durch geophysikalische Untersuchung und insbesondere durch diese Ausgrabung nunmehr in situ lokalisiert werden.

Obgleich an verschiedenen Stellen das „Bauvorhaben Erstaufnahmelager“ durch die Fundamente für NS-Panzerhallen (1934-45), die Bauaktivitäten der Sowjetischen Truppen und die Verlegung einer Fernwärme-Leitung zu DDR-Zeiten (1945-90) und durch aktuelle Bebauung tangiert wurde, war es noch möglich, vielfältige Strukturen des ehemaligen Halbmondlagers und der Moschee zu identifizieren. Insgesamt konnten über 300 Befunde dokumentiert werden, von denen etwa ein Drittel dem Zeithorizont des Ersten Weltkrieges zugeordnet werden.

Ergebnisse

Da die Moschee 1930 planmäßig abgebrochen und alle brauchbaren Reste einer Wiederverwertung zugeführt wurden und ihr Standort danach durch zwei weitere Neubau- und Abbruchphasen in NS- und Sowjetzeit sowie nach der „Wende“ in Mitleidenschaft gezogen worden war, schienen die Aussichten auf Funde und Befunde eher gering. Durch die intensive Kooperation von Universitäts-Institut, Fachfirmen und Fachamt konnten aber die schütteren Reste der Leichtbau-Holzkonstruktion der Moschee identifiziert und lokalisiert werden (Abb. 4, 5).

Beim gezielten Abtrag der Moschee wurden sowohl die Holzstruktur der aufgehenden Architektur als auch die Ziegelsteine des Fußbodenbelages bzw. des Fundamentes nahezu vollständig entfernt, um sie sekundär andernorts wieder zu verwenden. Bei den zerbrechlichen, nicht transportablen und nicht wieder benutzbaren Baumaterialen war das nicht so: Es fanden sich noch zahlreiche Reste der Fußbodenunterlage (Estrich), diverser Ziegel- bzw. Betonbruch, Eisenspannungen, Fensterglasscherben und Fliesen. Die Erd-Befunde wie die dunkel-schlammige Begehungsschicht mit Fussabdrücken, auf der das Lagerleben stattfand, und vor allem die ausgeräumten und dann mit Estrichschutt und roten Ziegeln vom Bodenbelag verfüllten Fundamentgraben (Abb. 6), die noch an mehreren Stellen erfasst werden konnten, lassen jetzt den genauen Standort der Moschee erkennen.

Dieser 4 m lange, schmale Fundamentgraben konnte sowohl im Planum als auch im Profil erfasst werden. Er bestand aus einer dunkelbraunen sandigen Verfüllung mit dunkelroten Ziegelstücken („Rathenower Ziegel“, wie 1916 im Zentralblatt der Bauverwaltung beschrieben) und Zementbruch, wobei einige Teile Eisenarmierungen sowie einige andere Spuren eines roten Ziegelfarbabdrucks enthielten. Der Befund wird durch ein massives Betonpfeilerfundament einer NS-Panzerhalle tangiert. Er ist als Fundamentgraben des Haupteingangs der Moschee anzusprechen, da dessen Breite genau der Breite des Haupteinganges an der Südseite der Moschee entspricht. Er war offenbar nach Herausnahme der Ziegel des ursprünglichen Fundaments mit von nicht verwertbarem Schutt des Bodenunterbaues der Moschee verfüllt worden. Auch die Ergebnisse der geophysikalischen Prospektion durch die HTW Berlin / Eastern Atlas, C. Müller, zeigen genau in diesem Areal des zu vermutenden Südeinganges die deutlichsten Anomalien, die auf Bodeneingriffe zurückgehen.

Deutlich zeichnete sich eine ca. 5 cm dünne, dunkel-graue, feste sandige Schicht ab, die dem Begehungshorizont im äußeren Umfeld der Moschee bzw. des Kriegsgefangenenlagers entspricht. Auf dessen Oberfläche lagen zahlreiche verstreute Eisenteile, darunter Rundeisenverspannungen mit Knotenanschlüssen, die zu den Gebälk-Verspannungen des Holzfachwerks der Moscheekuppel gehörten (Abb. 7). Dieser Begehungshorizont war mit einer hauchdünnen sandigen Schicht mit einigen darin festgestellten Fußabdrücken überlagert, was als Indiz für eine zeitliche Zäsur zwischen dem Abbruch der Moschee (1930) und der Konstruktion der NS-Panzerhalle (1934) gesehen werden kann.

Eiserne Bolzen und Drahtverspannungen der Kuppel, Blitzableiter, Kronleuchter (Abb. 8), Glasfragmente von bunten Glasfenstern (Abb. 9) und -lampen (Abb. 10), Keramik-Fliesen der rituellen Waschräume sind Funde, die unmittelbar von und aus der Moschee stammen.

Andere Funde wie eiserne Reste von Öfen, Schlackegruben, Blechtassen, datierbare Industrieprodukte wie Abwasserrohre und Elektrozubehör stammen aus der Lagerzeit 1915-18, relativ wenige dagegen aus der NS- und wieder deutlich mehr aus der Zeit der Nutzung durch die Rote Armee.

Weitere Bauarbeiten werden noch mehrfach die Chance zu archäologischen Dokumentationen eröffnen – sowohl im Bereich der Moschee selber wie auch im Lagerareal.

Zahlreiche Spatenspuren neben verschiedensten nicht zum Moscheegebäude zugehörigen Pfostengruben und Strukturen weisen auf eine undefinierbare Nutzung dieser Freifläche südlich vor der Moscheeanlage hin, die vor dem Umbau des Areals 1935 stattgefunden haben muss – sicher erst nach der Zeit der Fotoaufnahmen des Moschee-Umfeldes während der Lagerzeit, das auf diesen Bildern immer leer erscheint.

Geschichte

Die Grabungsergebnisse belegen eine dreifache Geschichte dieses Militär-Ortes, von dem aus der „Dschihad“ im Namen des Kaiserreiches beginnen sollte – eine mehrsprachige Lagerzeitung dieses Namens kursierte im Lager. Hier hatte man eigens die gefangenen Truppen islamischen Glaubens der gegnerischen Kolonialreiche (Frankreich, England, Russland) konzentriert, um sie gegen ihre „Kolonial-Herren“ und für Deutschland zu instrumentalisieren und ihnen aus Propaganda-Gründen eine Moschee bereitgestellt – angeblich ein Geschenk des Kaisers persönlich.

Gleichzeitig freuten sich die Berliner Ethnologen, denen ihr Forschungsmaterial „frei Haus“ geliefert wurde, das sie sogleich gerne nutzten, u.a. zu musik-, sprach- aber auch rassekundlichen Dokumentationen – hier beginnt schon die Geschichte der Ausnutzung Gefangener als unfreiwillige Objekte der Wissenschaften, die wenig später in den NS-zeitlichen Zwangslagern ihren menschenverachtenden Höhepunkt erlebte.

Dass nun – in der vierten Phase seiner Geschichte – am selben Ort diejenigen, die vor der heutigen Ausprägung des Dschihad fliehen müssen, vorübergehend angesiedelt werden, birgt einen welthistorischen Zirkelschluss, dessen Bedeutung noch nicht abzusehen ist.

 

Dieser Beitrag erschien unter dem Titel: Kersting, Thomas / Bernbeck, Richard / Dressler, Torsten / Escobedo, Manolo / Gussone, Martin / Pollock, Susan / Wiegmann, Ulrich: Ausgrabungen im Wünsdorfer „Halbmondlager“. Zur Geschichte der Moschee (1915-1930). In: Heimatjahrbuch Teltow-Fläming 2017, S. 79-88.

Literatur

Gussone, Martin: Die Moschee im Wünsdorfer ‚Halbmondlager’. Zwischen Gihãd-Propaganda und Orientalismus. In: Beiträge zur Islamischen Kunst und Archäologie 2 (2010), S. 204–231.

Höpp, Gerhard: Muslime in der Mark. Als Kriegsgefangene und Internierte in Wünsdorf und Zossen. Berlin 1997.

Schultze, A.: Ein mohammedanisches Bethaus für Kriegsgefangene in Wünsdorf. In: Prov. Brandenburg. Zentralblatt der Bauverwaltung 36 (25) (1916), S. 177–180.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Staatliche Museen zu Berlin, Otto Stiehl; Bildquelle https://moscheestrasse.files.wordpress.com/2014/07/1_moschee.jpg

Abb. 2 Zentralblatt der Bauverwaltung 1916.

Abb. 3 Dieter Kießlich nach Gussone 2010.

Abb. 4, 5, 10 Th. Kersting.

Abb. 6-9 T. Dressler.

Empfohlene Zitierweise

Bernbeck, Reinhard / Dressler, Torsten / Gussone, Martin / Kersting, Thomas / Pollock, Susan / Wiegmann, Ulrich: Moschee Wünsdorf, publiziert am 03.11.2023; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Preußische Provinz - Land Brandenburg
Themen: Archäologie und Siedlung - Militär - Religion und Kirche


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