Mühlenwesen (Kurmark, plattes Land)

Gerd-Christian Th. Treutler

Das Mühlenwesen ist historisch betrachtet zuallererst als verarbeitendes Gewerbe unverzichtbar für die Ernährung (Brot und Bier). Die dazu notwendigen Kornmühlen verfügen als Wasser- bzw. Windmühlen über eine vergleichsweise herausgehobene technologische Basis. Für die Volksernährung spielt bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die bäuerliche Eigenversorgung eine Hauptrolle. Die städtische Versorgung wurde in erster Linie durch die Belieferung der Märkte mit Getreide sichergestellt, welches in den städtischen Mühlen verarbeitet wurde. Da allein aus Gründen der Transportproblematik der damaligen Infrastruktur eine Versorgung der bis zu 90% der Gesamtbevölkerung ausmachenden Landbevölkerung nicht möglich war, stellte das Müllergewerbe zugleich das einzige flächendeckend (Stadt und Land) vorhandene Handwerk dar. Dass Mühlen, lange allgemein als Synonym für Maschinen stehend, auch als Schneide-, Öl-, Grütz- oder Papiermühlen große wirtschaftliche Bedeutung entfalteten, sei hier nur am Rande erwähnt.

Dieses Gewerbe wird so zur Projektionsfläche der Gesetzgebung (Mühlenbann und -zwang) im Spannungsfeld von Herrschaftsanspruch und Durchsetzungswirklichkeit, was u.a. auch seinen Ausdruck in der Unstetigkeit der Gewerbeausübung und zeitweiligen Stigmatisierung der Müller als „unehrlich“ fand (Treutler 2014). Die Zwangsmahlpflichtigkeit der Untertanen erscheint als ein grundlegendes Rechtsinstitut der Herrschaftsausübung zur Kontrolle der Getreideverarbeitung. Zwangsrechte, Volumenmaße, undurchschaubare Technik, die Arbeit am Sonntag, der Standort oft abseits des Dorfes usw., ließen das Misstrauen der Bauern gegenüber dem Müller und seiner Arbeit jedoch nie ganz ruhen.

Mittelalterliche Ursprünge und Mühlenrecht

In der Zeit vor der deutschen Eroberung und Besiedlung der Mark Brandenburg bewohnten slawische Stämme das Gebiet. Sie verarbeiteten ihr Getreide individuell mittels Handmühlen, wie auch die westlich der Elbe siedelnden germanischen Stämme. Erste Kornmühlen größerer Bauart sind im 9. Jahrhundert zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung der Burgbezirke im Herzogtum Lothringen belegt. Diese verbreiteten sich im 10. und 11. Jahrhundert auch in den anderen Herzogtümern des Reiches und verschmolzen mit dem Lehnswesen in Form auch selbstständig verlehnbarer Gerechtigkeiten (Koehne 1913, S. 37).

Nach den Beschlüssen des Reichstages von Ronkali (1158) spielte zum anderen für die reichsweite rechtliche Kodifizierung das aus dem mittelalterlichen königlichen Wasserrecht abgeleitete Mühlenregal eine wichtige Rolle (Arras 1882/2014, S. 8). Mit dem später weitgehenden Übergang der Ausübung der kaiserlichen Regalien auf Landesherrschaft, Adel oder Städte, haben sich beide Ursprünge „gegenseitig beeinflußt, und aus letzterem wurden die verschiedensten landesherrlichen Rechte über Mühlen aller Art abgeleitet“. (Koehne 1913, S. 38) Dies waren in erster Linie das Bann- und Zwangsrecht, für die Müller nicht selten Fluch und Segen zugleich. Auf den Punkt gebracht, bedeutet dies: „Mühlen wurden besonders wertvoll durch den Mahlzwang.“ (Peschke 1937, S. 35) Gleichzeitig betätigte sich nahezu jeder Müller auch als Landwirt. Meint man nun, dass sich mit dem Aufkommen der Windmühlen daran etwas änderte, da diese ja nicht mehr an das Wasserrecht gebunden waren, trügt dieser Schluss, denn schließlich gehörte auch der Wind der Herrschaft (Mager 1988, S. 129) (Abb. 1).

Die bis zur Gewerbegesetzgebung von 1810 andauernde Situation lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: „Alle Fragen, die mit den Mühlen zusammenhängen, stellen eine eigenartige Mischung von privatem und öffentlichem Recht dar.“ (Wiemann 1948, S. 498) Die öffentliche, also obrigkeitliche Mühlengesetzgebung regelte: 1. die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Abgabeneinnahme (Mahlziese, Metz-Korn u.a.), 2. die allgemeine Polizei, also Ordnung und Sicherheit der Mühlen (Feuerschutz, Reglement der Wandergesellen u.a.), und 3. den Neubau bzw. die Wiedererrichtung einer Mühle, wodurch ja eine neue Gerechtigkeit entstünde, die keine bestehende beeinträchtigen durfte (Peschke 1937, S. 25). Wem aber die Gerechtigkeiten an und die Einnahmen aus einer Mühle zustünden, wurde in privaten Rechtsakten ausgestaltet. (z. B. CDB 1-XIII, Nr. 35, S. 508, Kaufbrief über die Wasser- und Windmühlen zu Gramzow vom 8. September 1580)

Mühlengewerbe in der Frühen Neuzeit

Für die Kurmark kann die nur fragmentarisch überlieferte „Generaltabelle aller in der Kurmark vorhandenen königlichen, adligen und Particulier-Mühlen von 1750/51“ als die früheste aussagekräftige Quelle gelten, da deren Daten durch die zuständigen Landreiter vor Ort erhoben wurden, also auf den Inhalten der damals anerkannten Gerechtigkeiten und Abgabelasten beruhen (BLHA, Rep. D 1532) (Abb. 2).

Die auf den Lehnsbriefen oder Erbverschreibungen beruhenden Register verzeichneten auch, welche Untertanen auf welcher Mühle zwangsmahl- und damit abgabepflichtig waren. Da die Grundherrschaft oft nicht nur einen Ort umfasste bzw. eine Mühle nicht zur Befriedigung aller Mahlgäste (Getreide anliefernde Bauern) ausreichte, konnte der Mühlenzwang auch aufgeteilt werden. Die rechtlichen Beschränkungen des Mühlengewerbes wurden wesentlich aus dem Mittelalter fortgeschrieben, im frühmodernen Territorialstaat ausgebaut und unter dem Einfluss der brandenburgisch-preußischen Verwaltung im Ancien Régime verfeinert. Erst die Durchsetzung wirtschaftsliberaler Auffassungen unter dem Einfluss der napoleonischen Besatzung führte im Rahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen 1810 zur Gewerbefreiheit und damit auch zur Aufhebung von Mühlenbann und -zwang. Somit unterlag kaum ein anderes Gewerbe über rund 700 Jahre einer solchen direkten obrigkeitlichen Regulierung wie das Mühlenwesen. In der Tat sind viele Regelungen in den Mühlenordnungen auf einen nahezu idealtypischen Ausgleich der Interessen ausgerichtet. So wurden detaillierte Regelungen zur „Beförderung“ der Mahlgäste auch bei Niedrigwasser oder Windstille, deren Schutz vor „Unterschleife“ durch den Müller ebenso wie zur Verhinderung des „Abmahlens ungeziesten Getreides“ getroffen. All dies diente sowohl der Sicherung einer stabilen Volksernährung zur Erhöhung der Bevölkerungszahl als Hauptkapital des Staates, als auch zugleich einer Steigerung der Abgabenerhebung. (z. B. CCM I, IV. Theil, IV. Abt., No. LV, Patent von der Mahl-Metze, und wie solche abzumessen)

Eigentumsverhältnisse der Mühlen

Der Müller als Gewerbe treibender Handwerker wäre vom Stand her dem Bürgerstande zuzurechnen und somit in Städten ansässig. „Von Handwerkern dürfen nur als Ausnahme wenige, z.B. Schmiede, Rademacher, Leinweber, Schneider, Zimmerleute und Müller auf dem Lande wohnen, und müssen sich zur Zunft einer benachbarten Stadt bekennen.“ (Bratring 1804, S. 52) Diese Zwitterstellung, als grundherrlicher Untertan einerseits und Handwerker andererseits, bestand seit dem Mittelalter. Wenn vom Müller die Rede ist, sagt dies noch nichts Konkretes über seine Rechtsstellung aus.

Rechtsverhältnis Inhaber
Mühlenregal König/Landesherr
Mühlengerechtigkeit König immediate Stadt adl./geistl. Grundherr Erbmüller/ Partikulier
Mühlenherr als Betriebsinhaber kgl. Amt beauftragter Ratsherr   Erb- oder Zeitpächter
Müller als gewerbeausübender Meister Erbpächter oder Zeitpächter
selbst oder durch angestellten Mühlenmeister
unbefristete Bedienstete Bescheider (Altgesellen)
befristete Bedienstete Mühlenknappen/-burschen/-knechte (Gesellen) und Mühlenjungen (Lehrlinge)

Tab. 1: Übersicht zu den Rechtsverhältnissen und ihren Trägern im Mühlenwesen

Den Betrieb einer Mühle verantwortete der Mühleneigentümer oder Mühlenherr. Dieser hat die, wenn man so will, Betriebserlaubnis von den die Mühlengerechtigkeit innehabenden Grundherren (Adliger, herrschaftliches Amt oder Stadt) entweder in Personalunion als Erbmüller erworben, als Erbpächter in Form eines erblichen Gebrauchs gekauft oder als Zeitpächter meist auf drei Jahre gepachtet (Peschke 1937, S. 24).

Die Erbmüller sind, als an Person und Besitz Freie, Eigentümer der ursprünglichen Erbmühlen. Sie konzentrieren sich, wie auch die Mühlen in Erbpacht, „auf Gebiete östlich der Elbe-Saale-Linie, wo […] Siedlern aus dem Westen zunächst besondere Vergünstigungen eingeräumt wurden“ (Mager 1988, S. 128). Insoweit weichen die Eigentumsverhältnisse in der Altmark von denen der ostelbischen Gebiete der Kurmark ab.

Wurde der Mühlenherr nicht selbst als Müller tätig, übergab er die Ausübung des Mühlenbetriebs einem bezahlten oder am Gewinn beteiligten Mühlenmeister (Lamprecht 1797, S. 369-385). Er fungierte als Verwalter oder Angestellter, meist auf Zeit. Stellvertreter des Müllers bzw. Mühlenmeisters war der Mühlenbescheider, vergleichbar mit dem Altgesellen. Er strebte in der Regel den Erwerb oder die Pacht einer Mühle an, hatte aber entweder noch keine geeignete Mühle gefunden oder nicht das Geld dafür. Die eigentliche Arbeit machten die Müllerburschen oder Mühlen-Knappen, also die Gesellen. Diese waren nur Tage, Wochen oder höchstens Monate auf der Mühle, bevor sie weiter zogen oder weiterziehen mussten.

Abgaben und Einnahmen der Müller

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien im Folgenden kurz die Abgaben und Einnahmen thematisiert. Die Mühlenabgaben setzten sich aus zwei miteinander verknüpften Bestandteilen zusammen. Die eigentliche Pacht meint die Abgabe für den Mühlenbetrieb, der Mühlenzins meint die Abgabe für die Mühlenstätte, also den Grund und Boden. Beides wurde ganz verschieden in Geld, Naturalien oder einer Kombination aus beidem erhoben. Die Naturalien wurden meist in Korn aber auch in Hühnern oder Schweinen, welche oft als Nebenerwerb bei den Mühlen gehalten wurden, sowie anderen Naturalien geleistet. Ebenso verschieden war die Höhe der Abgaben, wenngleich generell ein Bezug zur Leistungsfähigkeit der Mühle bestand. Zusätzlich wurden sie meist auch zu den städtischen oder Landessteuern (Schoss bzw. Bede) herangezogen (Lamprecht 1797, S. 370f.). Ähnlich verhielt es sich mit den Einnahmen, welche noch in der Generaltabelle von 1750/51 anteilig als Metz-Korn in natura und Mahl-Geld von den Mahlgästen an die Müller je Scheffel zu leisten waren (BLHA, Rep. 2 D 1532). Während auch die Mahlziese zunächst in Korn zu leisten war, kam es im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend zu einer Ablösung der Natural- durch eine reine Geldabgabe und einer Vereinheitlichung der Preise (CCM, Th. 4, Abt. 4, No. LXI. und CCM, Cont. II., 1743, No. XXXVIII.).

Mühlenarten und Mühlsteinwesen

Zum Verständnis der Sonderstellung des Mühlenwesens ist auch eine technologisch-historische Betrachtung erforderlich. Erst etwa um das Jahr 1000 haben in Mitteleuropa Wassermühlen die Handmühlen abgelöst, bevor ab 1400 Windmühlen aufkamen (Koehne 1913, S. 40). Diese zwei technologischen Schritte waren flächendeckend bestimmend. Von Tieren angetriebene Mühlen waren stets Notbehelfe bei fehlender Wasser- oder Windkraft. Entscheidend ist der Übergang von der, letztlich jedermann zur Verfügung stehenden Handmühle, zur Maschine „Wassermühle“, bevor dann in einem weiteren technologischen Schritt, durch die Einführung der „Windmühle“, die Unabhängigkeit vom Standort Fließgewässer errungen wurde. Die ursprünglichen Mühlen waren also auf das primitive Mahlwerk aus Boden- und Läuferstein, die Mühlsteine, beschränkt. Da die ersten größeren Mühlen aber Wassermühlen waren, kam zu den höheren Herstellungs- und Unterhaltskosten auch noch die Notwendigkeit der Wassernutzung als externe Antriebsenergie. Diese war jedoch an die genannten Wassernutzungsrechte gebunden, die in der Regel direkt oder indirekt der Grundherrschaft zustanden.

Die Antriebskraft Wasser war aber auch durch ihre natürliche Begrenztheit charakterisiert. Der Betrieb von Schiffmühlen setzte eine Mindestfließgeschwindigkeit voraus, welche fast nur die Elbe bot. Nahezu alle Wassermühlen erforderten daher die Anstauung der vorhandenen Kleingewässer. Hier gab es zwei grundlegende Probleme. Je geringer das Mindestvolumen an Wasserdurchfluss pro Zeit ausfiel, welches der Bach oder die Quelle hervorbrachte, desto höher musste das Wasser gestaut werden, um das erforderliche Gefälle und die nötige Wassermenge zum Betrieb bereit zu stellen. Große Staue bedeuteten nicht nur Bauaufwand, sie gefährdeten auch oft Äcker und Weiden in der meist flachen Kurmark oder hinderten den Betrieb weiterer Mühlen stromabwärts. Waren natürliche Wasserläufe ohnehin schon ungleichmäßig im Lande verteilt, nahm auch die unter König Friedrich Wilhelm I. einsetzende Melioration, also die Trockenlegung von ganzen Landesteilen, Einfluss auf den Grundwasserspiegel, infolgedessen viele Quellen versiegten und Bäche nicht mehr ganzjährig zum Mühlenbetrieb geeignet waren. Der Einsatz von Windmühlen war also nicht nur eine Folge der starken Bevölkerungszunahme, insbesondere nach dem Siebenjährigen Krieg, sondern auch der Trockenlegungen zum Landesausbau. Insoweit lässt sich beobachten, wie die Zahl der Windmühlen dort am stärksten zunahm, wo Grundwasserabsenkung und Bevölkerungswachstum gemeinsam und ausgeprägt auftraten. Dies war um die aufstrebenden Residenzstädte Berlin und Potsdam besonders auffällig (Herzberg/Rieseberg 1986). Ein Technologietransfer im Mühlenwesen vollzog sich zumeist indirekt im Rahmen der Gesellenwanderung aber auch direkt durch Gesuche von auswärtigen Mühlenbaumeistern, hiesige Mühlen zu verbessern (BLHA, Rep. 2 D 1537). Entscheidend ist jedoch, dass das Mühlenrecht vollständig auf die Windmühlen übertragen worden ist. Obwohl mittels des Windantriebes erheblich ortsunabhängiger, wurde auch die Windmühle Mühlenbann und -zwang unterworfen, so dass nun nicht mehr die Nutzung der Antriebskraft, sondern die Eigenschaft der Mühle als Monopolgewerbe der Getreideverarbeitung im Mittelpunkt stand.

Diese Monopolisierung fand ihre nochmalige Steigerung in der Übertragung auf das Mühlsteinwesen. Das Mühlsteinregal war gleichfalls Ausfluss mittelalterlichen Rechts, welches noch auf der mehrheitlichen Verwendung der Handmühlen, also des Mühlsteins als Mühle, beruhte, deren Erwerb und Betrieb an herrschaftliche Genehmigungen gebunden war. Mit dem Aufkommen der Wassermühlen als Fremdantriebsmaschine wurden Wasser- und Mühlsteinregal verknüpft. Damit einhergehend war der Betrieb von Handmühlen faktisch verboten, damit das Monopol nicht unterlaufen werden konnte.

Kurmärkische Mühlen auf dem platten Land

Die Kurmark verfügte Ende des 18. Jahrhunderts mit seinen Hauptkreisen bzw. Landschaften Altmark, Prignitz, Uckermark und Mittelmark über rund 2.000 Dörfer (Bratring 1805, S. 55). Ungewöhnlich war im Vergleich zu den anderen ostelbischen Provinzen das Verhältnis von Land- zu Stadtbevölkerung, das sich um 1800 etwa 2:1,5 (also ca. 56% auf dem Lande) verhielt (in den anderen Provinzen 7:2). Dies war im Wesentlichen auf die Haupt- und Residenzstadt Berlin im Zentrum der Kurmark (Berlin 1800: 172.132 Einwohner) zurückzuführen (Müller, H.-H. 1967, S. 24).

Dazu gilt es zunächst die Begrifflichkeit zu klären. Das „platte Land“ als offizieller Terminus technicus der preußischen Verwaltung (Spoerer 2004, S. 16, Anm. 15) grenzt sich von seinem Pendant „Stadt“ durch Ausgestaltung und Umsetzung nahezu aller gesetzlichen Regelungen hinsichtlich Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Abgabensystem ab. Es ist der Lebensbereich von Adels- und Bauernstand, von Angehörigen der Domänen-, der Ordensverwaltung und der Dorfkirchen. Als Handwerker gehörten die Müller zu den Bauern. Die Kossäten waren nach ihrer Besitzgröße Kleinbauern und in der Regel keine Handwerker. Zu den weiteren unterbäuerlichen Schichten gehörten die Büdner, Häusler und Einlieger. Unter diesen finden sich die Landhandwerker ungleich verteilt. Gab es unter den Büdnern mehr Gutstagelöhner, so waren unter den Häuslern mehr Landhandwerker. Einlieger waren in erster Linie Hilfskräfte auf den Bauernhöfen. Augenfällig ist die Übertragbarkeit der bäuerlichen Besitzverhältnisse auf die der Müller, sowohl im Grundsatz als auch in der regional unterschiedlichen Verteilung. Es liegt daher nahe, den Grund dafür in dem Umstand zu sehen, dass der Müller auf dem Lande meist zugleich auch Landwirt war. Sie alle lebten in Dörfern, Kolonien oder Vorwerken, die stets einer bestimmten Grundherrschaft unterworfen waren. Unterschieden werden zwei grundlegende herrschaftliche Verhältnisse auf dem platten Land: einerseits zu einem Viertel aller Dörfer die gutsherrschaftlich verfassten Rittergüter, andererseits mit gut einem Achtel die in Ämtern verwalteten Domänendörfer. Etwa ein Zehntel waren städtische Kämmereidörfer, der Rest entfiel auf die Kommenden und Ämter des Johanniterordens und Dörfer auf bürgerlichem Besitz, von Klosterstiften, sonstigen Stiftungen und Universitäten (Müller, H.-H. 1967, S. 44). Beide Herrschaftsformen konnten auch in einem Dorf zugleich auftreten.

Objekte 1773 1791 1798 1801
Dörfer 1.967 1.991 2.042 2.053
Landwassermühlen k. A. 416 442 427
Landwindmühlen k. A. 573 648 638
Städtische Mühlen k. A. 303 314 330

Tab. 2: Dörfer und Mühlen der Kurmark (nach Bratring 1804 und Schulze 1935)

Während für die Landmühlen vor 1791 keine detaillierten Zahlen vorliegen, verfügen wir für das Jahr 1725 (Bratring 1804, S. 60) mit 494 wenigstens über die Anzahl der Müllermeister auf dem Lande. Für 1801 werden 902 Müller angegeben, die 1.065 Landwasser- und Landwindmühlen betreiben, was einer Verdoppelung entspricht (Tab. 2). Der Grund dafür ist in der gleichzeitigen Verdoppelung der Landbevölkerung zu suchen, trotz der Verluste im Siebenjährigen Krieg. Doppelt so viele Menschen benötigten zu ihrer Ernährung auch doppelt so viele Mühlen. Eine Effizienzsteigerung der Mühlentechnik war demnach nicht zu verzeichnen.

  um 1600 um 1700 um 1750 um 1775 um 1800
Altmark k. A. 2,8 k. A. 1,7 1,5
Prignitz 6,5 2,9 3,5 k. A. 2,8
Uckermark 2,8 2,5 2,5 1,3 2
Mittelmark 5,5 3,5 2,6 1,7 2,1

Tab. 3: Versorgungsdichte kurbrandenburgischer Kornmühlen (Dörfer je Mühle)

(eigene Zusammenstellung und Berechnung nach Angaben bei Enders 2000, Bratring 1804 und BLHA, Rep. 2 D 1532, 1599, 1600, 1601, 1602)

Auch die Daten zur Versorgungsdichte (Tab. 3) zeigen die allgemeine Tendenz der Zunahme mit der Bevölkerungszahl und Bevölkerungsdichte bei gleich bleibender Anzahl der Dörfer (Abb. 3, 4).

Resümee

Zusammenfassend betrachtet stellt sich das kurmärkische Mühlenwesen bis zur Einführung der Gewerbefreiheit und der damit verbundenen Aufhebung der Bann- und Zwangsrechte als eine direkte Folge der Fortschreibung derjenigen mittelalterlichen Rechtsinstitute dar, die dem wirtschaftlich bestimmenden merkantilistisch-kameralistischen Modell in Brandenburg-Preußen dienlich waren. Das war keine singuläre Erscheinung. Vergleichbare Bestimmungen wirkten auch in Kursachsen und Mecklenburg als benachbarten Territorialstaaten sogar bis 1861 bzw. 1869 fort. Kennzeichnend für die preußische Monarchie war jedoch, ganz im Sinne ihres zentralen Herrschaftsanspruches, der zielgerichtete Ausbau der landesherrlichen Einflussnahme auf die gesamte Wirtschaftstätigkeit, so auch auf das Mühlenwesen. Dies spiegelte sich in der Privilegierung der vom jeweiligen Amt direkt verwalteten königlichen Amtsmühlen, d.h. der amtszugehörigen Mühlen in direkter und nicht in Erbpacht ausgetaner Amtsführung, und den ihnen gewährten Zwangsmahlgerechtigkeiten wider, insbesondere seit Friedrich Wilhelm I. (siehe dazu: CCM I, IV. Theil, IV. Abt.No. LXIII. Edict, daß die Saarmundische Ambts- und andere nechstbelegene Unterthanen, derer Gerichts-Obrigkeit keine Muhlen-Gerechtigkeit hat, in denen Königl. Mühlen, in und bey dem Ambt Saarmund, nicht aber in andern Mühlen mahlen sollen) (Abb. 5). Im Allgemeinen wurde dies akzeptiert. Konflikte waren individueller Natur.

Die technische Entwicklung war, abgesehen von der zunehmenden Bedeutung der Wind- gegenüber der Wassermühle, marginal. Die Verdoppelung der Bevölkerung im Laufe des 18. Jahrhunderts ging mit einer Verdoppelung der Mühlenanzahl einher, so das um 1800 durchschnittlich jedes zweite Dorf über eine Mühle verfügte. Mit der Gewerbefreiheit ab 1810 nahm die Mühlenzahl, insbesondere im Umkreis der expandierenden Hauptstadt Berlin, rapide zu. Von einem eigenständigen Mühlenwesen konnte nun nicht mehr gesprochen werden. Es wurde zu einem Gewerbe unter vielen.

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam (BLHA), Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer – Akten Domänenregistratur Generalia. Mühlen D 1532-1590.

BLHA, Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer – Akten Domänenregistratur Generalia. Mühlenstein-Sachen D 1591-1613.

BLHA, Rep. 2 Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer – Akten Domänenregistratur Generalia. Oderetablissements. Mühlen D 3154-3159.

Corpus Constitutionum Marchicarum, Oder Königl. Preußis. und Churfürstl. Brandenburgische in der Chur- und Marck Brandenburg, auch incorporirten Landen publicierte und ergangene Ordnungen, Edicta, Mandata, Rescripta [et]c.: Von Zeiten Friedrichs I. Churfürsten zu Brandenburg, [et]c. biß ietzo unter der Regierung Friderich Wilhelms, Königs in Preußen [et]c. ad annum 1736. inclusivè/ … colligiret und ans Licht gegeben von Christian Otto Mylius. Berlin 1737-1755 [Zitiert als CCM]. [siehe: Hier].

Bratring, Friedrich Wilhelm August: Statistisch-topographische Beschreibung der gesammten Mark Brandenburg. Bde. 1-2. Berlin 1804/1805. [siehe: Hier]

Lamprecht, Georg Friedrich von: Von der Kameralverfassung und Verwaltung der Handwerke, Fabriken und Manufakturen in den preußischen Staaten und insonderheit in der Kurmark Brandenburg. Berlin 1797. [siehe: Hier]

Literatur

Arras, Paul: Die Ronkalischen Beschlüsse vom Jahre 1158 und ihre Durchführung. Zittau 1882 (ND Paderborn 2014).

Enders, Liselott: Die Uckermark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis 18. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 28), Berlin 2008 (1992).

Dies.: Die Prignitz. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis 18. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; 38). Potsdam 2000.

Dies.: Die Altmark. Geschichte einer kurmärkischen Landschaft in der Frühneuzeit (Ende des 15. bis Anfang des 19. Jahrhunderts), (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; 56). Berlin 2008.

Herzberg, Heinrich / Riesberg, Hans Joachim: Mühlen und Müller in Berlin. Ein Beitrag zur Geschichte der Produktivkräfte, Berlin 1986.

Koehne, Carl: Die Mühle im Rechte der Völker. In: Matschoss, Conrad (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie. Jahrbuch des Vereines Deutscher Ingenieure 5 (1913), S. 27-53.

Mager, Johann / Meißner, Günter / Orf, Wolfgang: Die Kulturgeschichte der Mühlen. Leipzig 1988.

Müller, Hans-Heinrich: Märkische Landwirtschaft vor den Agrarreformen von 1807 (= Veröffentlichungen des Bezirksheimatmuseums Potsdam, 13). Potsdam 1967.

Peschke, Werner: Das Mühlenwesen der Mark Brandenburg - von den Anfängen der Mark bis um 1600. Berlin 1937.

Schulze, Berthold: Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik der brandenburgischen Ämter und Städte 1540-1800. Beiband zur Brandenburgischen Ämterkarte (= Einzelschriften der Historischen Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin; 7). Berlin 1935.

Spoerer, Mark: Steuerlast, Steuerinzidenz und Steuerwettberwerb. Verteilungswirkungen der Besteuerung in Preußen und Württemberg (1815-1913). Berlin 2004.

Treutler, Gerd-Christian: Ist das Wandern des Müllers Lust oder Last? – Zusammenhang von Gesetzgebung, Unehrlichkeit und erzwungener Mobilität in der Arbeitswelt der Frühen Neuzeit Brandenburgs am Beispiel des unsteten Berufes Müller, in: Brandenburgisches Genealogisches Jahrbuch 8 (2014), S. 26-57.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Amman, Jost: Das Ständebuch, 1568.

Abb. 2 BLHA, Rep. 2 D 1532

Abb. 3 Autor, auf der Kartengrundlage von Sotzmann, Daniel Friedrich: Spezial Karte von der Prignitz, Berlin 1795 und Daten aus BLHA, Rep. 2 D 1532 sowie Bratring 1804.

Abb. 4 Autor, auf der Kartengrundlage von stepmap.de.

Abb. 5 Autor

Empfohlene Zitierweise

Treutler, Gerd-Christian Th., Mühlenwesen (Kurmark, plattes Land), publiziert am 23.04.2018; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de/ (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Konfessionelles Zeitalter, Absolutismus/ Aufklärung, Preußische Provinz
Themen: Ländlicher Raum, Herrschaft und Verwaltung, Wirtschaft


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