Schlacht bei Wittstock 1636

Frank Göse

 „Im Treffen selbst aber / suchte ein jeder seinem Todt mit Nidermachung deß Nächsten / der ihm auffstieß / vorzukommen / das greuliche schiessen / das gekläpper der Harnisch / das krachen der Biquen / und das Geschrey beydes der Verwundten und Angreiffenden / machten neben den Trompeten / Trommeln und Pfeiffen ein erschröckliche Music!“

(Grimmelshausen, Simplicissimus, 177)

Die Schlacht bei Wittstock ist der vierten und letzten Phase des Dreißigjährigen Krieges (1635-1648) zuzuordnen, die durch eine zunehmende Unüberschaubarkeit und Atomisierung des Kriegsverlaufes charakterisiert war. Sie stellt eine der wenigen größeren Scharmützel in der an Schlachten eher armen vierten Kriegsphase dar; auf brandenburgischem Gebiet blieb es zudem die einzige Schlacht im gesamten Kriegsverlauf.

Vorgeschichte

Trotz des 1635 zwischen dem Kaiser und der großen Mehrheit der evangelischen Reichsstände in Prag geschlossenen Friedens ging der nunmehr bereits 17 Jahre währende Krieg weiter. Im gleichen Jahr war Frankreich offiziell gegen Spanien in den Krieg eingetreten und hatte deshalb auch ein vitales Interesse daran, dass Schweden sich weiterhin auf dem deutschen Kriegsschauplatz engagierte. Die bislang erfolgsverwöhnte nordische Militärmacht hatte nach der Niederlage von Nördlingen (1634) einen Prestigeverlust erlitten und musste ihren Aktionsbereich in den folgenden beiden Jahren auf den nordöstlichen Teil des Reiches beschränken. Nach dem Übertritt Bernhards von Weimar in französische Dienste standen Schweden nur noch die unter dem Kommando des Feldmarschalls Johan Banér (Abb. 1) im Mittelelbegebiet operierenden Truppen zur Verfügung. Eine gewisse Entlastung trat ein, als infolge des im Herbst 1635 verlängerten schwedisch-polnischen Waffenstillstandes schwedische Kontingente aus dem Herzogtum Preußen verlagert werden konnten. Die strategischen Pläne und taktischen Handlungen beider Heere wurden in starkem Maße durch die Suche nach bislang noch halbwegs verschonten Kontributionsgebieten bestimmt, denn beide Armeen litten permanent am Mangel an Lebensmitteln und Munition.

Im Juli 1636 gelang es kursächsischen Truppen nach längerer Belagerung Magdeburgs die dortige schwedische Besatzung zum Abzug zu bewegen. Diese Einheiten gingen nach Werben in der Altmark, wo sich das Hauptquartier Banérs befand. Der schwedische Feldmarschall trachtete danach, Magdeburg in seinen Besitz zurückzuholen und beabsichtigte deshalb eine Zusammenfassung aller im norddeutschen Raum operierenden schwedischen Kontingente, um dann den Krieg nach Kursachsen zu tragen. Die im Weserraum liegenden Truppen Alexander Leslies zogen daraufhin ostwärts zu Banér, der ihm bis Lüneburg entgegenkam. Nachdem sich die kaiserlich-sächsischen Truppen angeschickt hatten, von Magdeburg aus mit Werben und Havelberg wichtige Plätze entlang der Elbe in den Besitz zu nehmen, eilte Banér mit seinem nun verstärkten Heer zurück und setzte sich in der Festung Dömitz an der Elbe fest. Die verbündeten Truppen versuchten in den folgenden Wochen das schwedische Heer in Dömitz zu isolieren und von der Versorgung abzuschneiden. Banér seinerseits hoffte zudem auf Verstärkung einiger unter dem Kommando Carl Gustaf Wrangels in Pommern operierender schwedischer Truppen, die unter dem Befehl des Generalleutnants Vitzthum zu ihm eilten.

Die Schlacht

Im Raum Parchim-Perleberg kam es schon seit dem 14. (24.) September immer wieder zu kleineren Scharmützeln zwischen den zum Fouragieren ausschweifenden Vortruppen; eine Schlacht in der Umgebung Perlebergs schien schon in greifbare Nähe gerückt zu sein. Zunächst beschränkten sich aber beide Seiten auf kleinere Aktionen, die vor allem auf die Sicherung der Versorgung der Heere gerichtet waren. Die Alliierten bezweckten eine Verbindung ihrer Truppen mit anderen in der Mark Brandenburg lagernden Einheiten und beabsichtigten in das Oberhavelgebiet (Ruppin) zu marschieren. Banér wollte dies verhindern und zog mit seinen Einheiten in Richtung Kyritz / Wusterhausen (Dosse) den kaiserlich-sächsischen Regimentern nach. Diese mussten nunmehr, bedingt durch den raschen Vormarsch Banérs, bei Wittstock Stellungen beziehen und dort den Feind erwarten. Banér wollte jetzt die Schlachtentscheidung und ließ den verbündeten Truppen keine Chance, dieser zu entweichen.

Die kaiserlich-sächsische Seite formierte ihre etwa 22.000 Mann umfassenden Truppen am Morgen des 24. September (4. Oktober) auf dem südlich Wittstocks gelegenen Schreckenberg in Schlachtordnung, d.h. das Fußvolk wurde – nach der allerdings nicht ganz zuverlässigen Überlieferung – in Form der spanischen Terzios (Gevierthaufen) aufgestellt, während die Kavallerie an den Flügeln positioniert wurde. Zudem verfügte das Heer über 40 Geschütze. Das Gelände, das durch Schanzen verstärkt worden war, schien den Alliierten Vorteile zu bieten. Allerdings gab es keinen einheitlichen Oberbefehl; die kaiserlichen Regimenter, zu denen auch die Kontingente des General-Wachtmeisters Marazini gezählt wurden, kommandierte Melchior von Hatzfeldt (Abb. 2). Die sächsischen Truppen standen unter dem Kommando des Kurfürsten Johann Georg I. (Abb. 3).

Die kaiserlich-sächsischen Truppen verharrten zunächst in ihren günstig gewählten Stellungen südlich Wittstocks, bis dann gegen Mittag die Kampfhandlungen nach dem Übersetzen der schwedischen Einheiten über die Dosse begannen. Die Infanterie bildete das Zentrum der schwedischen Verbände, die Kavallerie formierte sich an den Flügeln. Zwischen die berittenen Einheiten wurden Musketiere als Schützen verteilt. Der schwedische Oberbefehlshaber Banér verfolgte angesichts der gut befestigten Stellungen der verbündeten Truppen den Plan, diese Einheiten mit seinen beiden Flügeln zu umgehen. Vor allem in den Nachmittagsstunden fanden erbitterte Gefechte um den Besitz des Schreckenberges statt, deren Ausmaß fast einzigartig in der langen Reihe von Schlachten des Dreißigjährigen Krieges dasteht und mit der Schilderung aus der Feder Grimmelshausens „Simplicissimus“ ein bis heute eindrückliches literarisches Zeugnis bietet. Mehrfach schienen die schwedischen Kontingente vor der feindlichen Übermacht weichen zu müssen. Endlich wurde der schwedische Oberbefehlshaber gewahr, dass es dem linken Flügel unter dem Kommando von James King und Torsten Stalhans gelungen war, dem Gegner in den Rücken zu fallen und damit die rechte Flanke der Kaiserlichen zu attackieren. Zugleich trafen die schon lange erwarteten Einheiten unter Vitzthums Kommando auf dem Schlachtfeld ein. Die anbrechende Dunkelheit ließ aber gegen 18 Uhr eine Fortsetzung des Kampfes als unmöglich erscheinen. Angesichts der großen Verluste und Demoralisation der Truppen beschloss ein eiligst einberufener Kriegsrat der verbündeten Truppen den sofortigen Rückzug. Einige schwedische Einheiten setzten ihnen nach und konnten den Alliierten somit noch weitere Verluste zufügen und reiche Beute machen.  (Abb. 4-7)

Nachwirkungen

Der bei Wittstock erfochtene Sieg erhöhte unzweifelhaft das angeschlagene Prestige Schwedens. Dieser fast unerwartete Erfolg brachte zudem auch für die schwedische Kriegsfinanzierung eine gewisse Entlastung. Nicht nur, dass auf dem Schlachtfeld von den überstürzt zurückflutenden kaiserlich-sächsischen Truppen große Mengen an Munition, Kriegsgerät und Geld erbeutet wurde; langfristig zählte vor allem, dass sich nunmehr wieder das schwedische Einzugsgebiet für Kontributionen im Reich beträchtlich ausweiten konnte. Der Sieg von Wittstock stellte zugleich die Voraussetzung für den schwedischen Zug nach Thüringen dar, in dessen Folge Erfurt eingenommen wurde. Diese Stadt nahm in der Folgezeit eine wichtige Funktion als Zentrum zur Versorgung und Finanzierung der im mitteldeutschen Raum operierenden schwedischen Regimenter ein.

Quellen

Theatri Europaei Continuatio III. Das ist: Historischer Chronicken Dritter Theil. In sich begreiffend Eine kurze und warhaffte Beschreibung aller vornehmen, Denck- und Chronickwürdigen Geschichten […]. Frankfurt 1670, S. 707-710. [Siehe: Hier]

Budzies, Friedrich: Der Feldzug der sächsischen Armee durch die Mark Brandenburg im Jahre 1635 und 1636. Aus dem Tagebuch eines Zeitgenossen, in: Märkische Forschungen 16 (1881), S. 303-386. [Siehe: hier]

Eigentlicher Verlauff Des Treffens bey Wittstock/ [et]c. vorgangen den 14. October/ 24. September 1636. [Siehe: Hier]

Gründlicher und warhafftiger Bericht/ Von dem Blutigen Treffen/ Welches den 24. Septembr. 4. Octobris im Lande zu Mechelburg bey Wittstock/ zwischen Churfürstl. Durchl. zu Sachsen/ [et]c. So wol dem Keys. General Feldmarschalck Graff von Hatzfeldt/ [et]c. Und der Cron Schweden Generaln Johann Banner vorgangen. 1636. [Siehe: Hier]

Extract Und Eigentlicher Bericht Auß Wittstock vom 25/ und 26. Septembris/ Wie es mit dem Treffen zwischen der Königlichen Schwedischen Armee eins Theils unnd der Churfürstl. Durchl. zu Sachsen/ andern Theils abgangen sey. 1636 [Siehe: Hier]

Außführliche und Gründliche Nachrichtung/ Wie es mit dem blutigen zwischen dero Königl. Mayest. und Reiche Schweden Kriegsarmee/ und denen beyden Keyserlichen […] und dero Chur Sächsischen Armaden/ den 24. Septem. jüngsthin bey Wittstock gehaltenem Treffen hergangen / auß einer Hohen Vornehmen Person zu Garleben/ den 24. Octobr. 1636. datirtem Notificationschreiben außgezogen. 1636. [Siehe: Hier]

Außführlicher Bericht/ Deß gantzen Verlauffs zwischen der Kron Schweden und Chur-Sächsischen Armeen gewaltiges Treffen/ geschehen zu Wittstock/ den 26. Septembr. Anno 1636. Hierbey die Verzeugnis Aller Käyserlichen unnd Chur-Sächsischen Regimenter/ welche bey dem Treffen gewesen. 1636 [Siehe: Hier]

Relation Veritable De Tovt Ce Qvi S''est Passè En La Sanglante Deffaicte De L''armee Dv Dvc De Saxe Et de l''Empereur, par la Couronne de Suede, soubs la conduitte du General Banier, pres de Vvitstocq, le 16. Octobre 1636. Ensemble les noms de tous les Officiers qui ont estè en la Bataille. [Siehe: Hier]

Matthäus Merian, WITTSTOCKER SCHLACHT. PRAELIVM AD WITTSTOCKIVM Eigentliche DELINEATION des Treffens so zwischen der Keys. / Ligistisch: vnd Chur Sachsischen vnd dan anders theils den / Schwedischen Armeen bey Wittstock den 24. September Ao. 1636 vorgang[en], Kupferstich 1639. (Theatri Europaei Continuatio III. Das ist: Historischer Chronicken Dritter Theil. In sich begreiffend Eine kurze und warhaffte Beschreibung aller vornehmen, Denck- und Chronickwürdigen Geschichten […]. Frankfurt 1670, nach S. 706). [Siehe: Hier]

Weishun, Samuel: Relation Deß blutigen treffens/ welches den 24. Septem. 4. Octobr. bey Witstock zwischen Churf. Durchl. zu Sachsen/ so wol dem Käiserl. General FeldMarschalck Graf von HatzFeld. Unnd dann Der Cron Schweden General Joh. Banner vorgangen. 1636. [Siehe: Hier]

Maesberg, Conradus A.: Delinsatio viva et vera Praelii Istivs Crventissimi Inter Sereniss: Maiestat. Sveciae per Germaniam Campiductorem Illustrisimo bellicosissimum Dn: Dn: Ioannem Banern Heroem Fortissimum: nec non Caesareae Maiestatis pro tempore Generalem Electorem Saxoniae prope Witstochium circa montem in chroniae Marchica multis ab aetatibus Scharpenberg dictum, feliciter commissi. Anno MDCXXXVI. 24 Septem: Et subsecutae, exercitus Caesareo - Saxonici stragis, fugaeq(ue) ad piam posteritatem notabilis, cum instructae aciej utriusq(ue) partis tÿpo accurato quam Adornavit et a prioribus mendis denuo repurgavit Conradus A. Maesberg. (Maesberg, Conradus A.: Schlacht von Wittstock am 24. September. 1636. Der Vormarsch der schwedischen Armee, die befestigten Stellungen der vereinigten kaiserlichen und sächsischen Armee zwischen Papenbruch und Scharfenberg. Der Kampf in der entscheidenden Phase. Feindliche Flucht.) [Siehe: Hier]

Anonymus: Vorzeichnuss vnd Abriss des Treffens so zwischen den Schwedischen vnd Keiserischen, bey Wittstock auff den Scharffen Berge geschehen […] Den 24 September 1636. (Der Vormarsch der schwedischen Armee, die konsolidierte Position der vereinigten kaiserlichen und sächsischen Armee zwischen Papenbruch und Scharfenberg. Der Kampf in der entscheidenden Phase. Feindliche Flucht. Legende.) [Siehe: Hier]

Ordres de bataille. "Schwedische Bataglia beÿ Witstock." [Siehe: Hier]

Ordres de bataille. Svensk ordre de bataille vid Wittstock 24 sept. 1636. [Siehe: Hier Hier Hier]

Literatur

Asche, Matthias / Kollenberg, Marco / Zeiger, Antje (Hrsg.): Halb Europa in Brandenburg. Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen. Berlin 2020.

Eickhoff, Sabine / Grothe, Anja / Jungklaus, Bettina (Hrsg.): 1636 – Ihre letzte Schlacht. Leben im Dreißigjährigen Krieg. Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum 2012.

Grimmelshausen, Hans Jacob Christoffel von: Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch und Continuatio des abentheuerlichen Simplicissimus, hrsg. v. Rolf Tarot. Tübingen 1984.

Schmidt, Rudolf: Die Schlacht bei Wittstock. Ein Beitrag zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Halle 1876.

Schröer, Fritz: Das Havelland im Dreißigjährigen Krieg. Ein Beitrag zur Geschichte der Mark Brandenburg. Köln / Graz 1966.

Schultze, Johannes: Die Mark Brandenburg. Vierter Band. Berlin 1964.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 3 Cornelis Danckaerts: Historis oft waerachtich verhael […]. 1642.

Abb. 2 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Melchior_von_Hatzfeldt.jpg

Abb. 4 Theatri Europaei Continuatio III. Frankfurt 1670.

Abb. 5 Weishun, Samuel: Relation […]. 1636.

Abb. 6 Krigsarkiv Stockholm, Sveriges Krig 3:200

Abb. 7 Krigsarkiv Stockholm, Sveriges Krig 3:199

Empfohlene Zitierweise

Göse, Frank: Schlacht bei Wittstock 1636, publiziert am 24.04.2020; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen:  Konfessionelles Zeitalter
Themen: Ereignisse - Militär


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