Brandenburgische Sprachlandschaft

Elisabeth Berner

Die sprachliche Entwicklung Brandenburgs ist zum einen wesentlich durch das niederdeutsche Substrat, zum anderen durch verschiedene Sprachkontaktphänomene geprägt, die durch die historischen Besiedlungsphasen der Mark Brandenburg entstanden sind und zu einer vielschichtigen Sprachsituation geführt haben. Mit der Entwicklung Berlins zur Metropole weitet sich die dort entstehende Stadtsprache auch auf das Umland aus und überlagert die Basisdialekte. Im Südosten des heutigen Brandenburg (dem historischen Gebiet der Sorben) finden sich im Vergleich zu den übrigen Regionen keine niederdeutschen Basisdialekte.

Zur Bezeichnung „Brandenburgisch“

In Darstellungen zur sprachlichen Entwicklung des Brandenburger Raumes werden sowohl die Bezeichnungen „Brandenburgisch“ als auch „Märkisch“ verwendet, die jedoch beide nicht identisch sind. Während sich „Brandenburgisch“ regional auf die durch das Niederdeutsche geprägte Sprachsituation im Land Brandenburg (mit Ausnahme des ursprünglich sorbisch geprägten Gebietes der Lausitz) bezieht, ist „Märkisch“ eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe ostniederdeutscher Dialekte, zu denen außer den gegenwärtig noch in einigen Brandenburger Regionen gesprochenen niederdeutschen Dialekten (s.u.) auch das Altmärkische in Sachsen-Anhalt (sowie das heute nicht mehr existierende Neumärkische östlich der Oder) gehören.

Das Brandenburgische grenzt sprachlich im Norden an das Mecklenburgisch-Vorpommersche (wie das Brandenburgische zum Ostniederdeutschen gehörig), im Westen an das Ostfälische (zum Westniederdeutschen gehörig), im Osten an das Polnische, im Süden an das Obersächsische (zum Ostmitteldeutschen gehörig) und (nur noch in Resten vorhandene) Sorbische.

Die sprachliche Gliederung innerhalb Brandenburgs wird nicht einheitlich vorgenommen. Neben einer Einteilung in Nord- und Südbrandenburgisch (Schirmunski 1962) bzw. Nord- und Mittelmärkisch (Mitzka 1943, Teuchert 1964) findet sich auch eine Untergliederung in Nord-, Mittel- und Südmärkisch (Schönfeld 1981, Bock/Langner 1998, König 1996, Stellmacher 1990).

Das Südmärkische weist als Übergangslandschaft zum südlich angrenzenden Ostmitteldeutschen eine Vielzahl von Kontaktformen (Mischformen) bzw. nur noch eine geringe Zahl an niederdeutschen Elementen auf und wird deshalb von einigen Dialektologen nicht mehr zum Brandenburgischen gezählt. Wiesinger (1982) hebt das Südmärkische als Übergangslandschaft deutlich hervor.

Insgesamt ist das Brandenburgische im Ergebnis der mittelalterlichen Ostkolonisation/Ostexpansion auf ursprünglich slawischem Gebiet durch verschiedene Sprechergruppen wie u.a. Elbostfalen, Niederländer (insbesondere Flamen) und später Hugenotten geprägt worden, deren Spuren sich bis heute finden lassen. Doch nicht nur bei seiner Herausbildung im Zuge der Kolonialisierung, sondern auch in den nachfolgenden Jahrhunderten haben kulturelle, wirtschaftliche und politische Einflüsse unterschiedlicher Siedlergruppen und Herrschaftshäuser die Sprache insgesamt wie auch die regionalen Varietäten auf allen linguistischen Ebenen beeinflusst.

Zur historischen Entwicklung

Die älteste sprachliche Schicht geht auf die Germanen zurück. Es sind vor allem die Namen der größeren Flüsse, die allerdings oft noch älteren Ursprungs sind, die später auch von den Slawen übernommen und so tradiert wurden: Spree zu *sprewjan ‚spritzen‘ oder zu *spreu ‚streuen, ausbreiten, spritzen‘; Havel zu *hafa ‚Meer‘, weiterhin Elbe, Oder, Havel, Nute, Notte, Dosse u.a.

Nachdem die germanischen Bevölkerungsgruppen weitgehend das Land verlassen hatten, folgten im 7./8. Jahrhundert westslawische Stämme, die zunächst große Gebiete bis an die Küste und westlich der Elbe besiedelten, im Laufe der folgenden Jahrhunderte aber bis auf ihre heutigen Kerngebiete in der Ober- und Niederlausitz zurückgedrängt wurden. Dass sie auch am Landesausbau beteiligt waren, davon zeugen die in Urkunden bezeugten Bezeichnungen einzelner Dörfer als villae slavicales. Aus diesem Ausdruck kann geschlossen werden, dass deren Bewohner zu der Zeit, als die Dörfer in den Urkunden erwähnt wurden, noch rein slawisch waren (Teuchert 1964, 161). Vom Verbleiben slawischer Siedler im von Deutschen beherrschten Gebiet zeugen Ortsbezeichnungen wie Wendisch-Rietz, Wendisch-Buchholz, Wendisch-Gottschow, Wendisch-Pankow. Ihre Spuren finden sich auch in den zahlreichen Orts-, Flur- und Gewässernamen auf -ow, -in und -itz: Beeskow zu asorb. bezk ‚Holunder‘, Lausitz zu asorb. lozia, lug, log ‚Sumpfland‘, Pulsnitz zu asorb. polzati ‚kriechen, langsam fließen‘, Prenzlau zu altpolab. Premislav ‚Ort des Premislav‘; weitere sind Teltow, Storkow, Wusterwitz, Beelitz, Berlin, Ruppin, aber auch z.B. Potsdam. Ebenso zeugen (meist jüngere) Familiennamen wie: Wachowiak, Walczick von einem friedlichen Miteinander slawischer und deutscher Bewohner in der Mark. Demgegenüber ist der Einfluss auf die Alltagssprache relativ gering und zeigt sich vor allem in Sachbezeichnungen wie: Gurke, Ziesel, Zeisig, die sogar in die Standardsprache übernommen werden, aber auch regional begrenzte Wörter wie Kokoschken ‚Pfifferlinge‘,Maline ‚Himbeere‘ oder Pätzanke ‚ein Stück Backobst‘, Pupse (hd. Hautpickel), Drogatz (hd. Feldbirne).

Seit dem 17./18. Jahrhundert wurde die sorbische Bevölkerung der Lausitz zweisprachig und verliert zugleich von den Rändern her ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet. So wurde am Nordrand der Lausitz im Kreis Beeskow-Storkow noch bis Ende des 18. Jahrhunderts sorbisch gesprochen. Später finden sich jedoch keine Hinweise mehr auf Sorbischsprecher. Insbesondere in der brandenburgischen Enklave Cottbus/Peitz gewannen hochdeutsche Einflüsse zeitig an Bedeutung und strahlen von diesem städtischen Zentrum auf die umgebende Landbevölkerung aus.

Im Übergang zum 20. Jahrhundert ist die Zweisprachigkeit weitgehend durchgesetzt, auch wenn dies für die deutschsprachige Bevölkerung durchaus nicht durchgängig erkennbar war. Seit 1945 werden umfangreiche Bemühungen zur staatlichen Förderung des Sorbischen unternommen, um es zu bewahren bzw. zu revitalisieren. Nach Selbstaussagen beträgt die Zahl der Sprecher des (Nieder-)Sorbischen in Brandenburg aktuell ca. 7000.

Die entscheidende Besiedlung beginnt dann aber erst im 12./13. Jahrhundert durch die aus westlich der Elbe ins Land gerufenen, also niederdeutschen Gebieten stammenden Siedler, vor allem Elbostfalen, mit den ebenfalls ins Land einwandernden niederfränkischen Flamen. Während die Dialekte der Elbost- und Westfalen die grundlegende Basis der gesprochenen Sprache bildeten, zeigt sich der Einfluss der Flamen in einigen sprachlichen Besonderheiten, die weitgehend nur im Brandenburger Raum zu finden sind. Diese zeigen sich bis heute z.B. im Landschaftsnamen des Fläming (zu lat. Flamingia ‚Land der Flamingi, der Flamen‘), Flemingorum ist die Benennung für eine Brücke in Jüterbog, Upstall bezeichnet eine ‚umzäunte Lagerstelle für das Weidevieh auf einem höher gelegenen Platz in der Nähe von Wasser‘; Heininge stehen für das ‚ruhende und zur Weide gehegte Ackerland‘. An die flämischen Siedler erinnern auch die aus Flandern mitgebrachten Ortsnamen Brück, Niemegk und Lichterfelde. Einige dialektale Besonderheiten wie das palatale det (gegenüber dem im nördlich angrenzenden Mecklenburgischen dat, im südlich angrenzenden Hochdeutschen das), der Erpel (hd. Enterich, mndl. erpel, das auf ide. *erb(h) ‚dunkelrötlich, bräunlich‘ zurückgeht, ‚männliche Ente‘) oder die Färse (mndl. vaerse, veerse, verse ‚junges weibliches Rind‘) gelten als brandenburgische Sprachspezifika. Andere sind vor allem kleinräumig begrenzt und finden sich insbesondere im mittelmärkischen Raum, dem sie insgesamt sein besonderes Gepräge geben. Dazu gehören die Schüppe (mndl. scoppe, ‚Spaten‘); Spade (mndl. spade lässt sich auf ide *sp(h)e ‚langes, flaches Holzstück‘ zurückführen), Hinne (mndl. hinne ‚die zum Hahn Gehörige‘), Stulle (ndl. stull ‚Kloß Butter, Brocken, Stück, Lappen‘); Buchte (ndl. bocht ‚Biegung, Bucht, Verschlag‘); Spind(e) (mndl. spende, spinde ‚Austeilung von Speisen an Arme, das Ausgeteilte, Almosen, Vorrats-, Speisekammer, Speiseschrank, Schrank’).

Das Eindringen der hochdeutschen Schriftlichkeit, die in den folgenden Jahrhunderten und je nach Region und Domäne differenziert Latein und Niederdeutsch in der Schriftlichkeit ablöste, und Phasen politischer Wirren und Wüstungen mit den nachfolgenden Maßnahmen der Brandenburger Herrschaftshäuser zur Neubesiedlung trugen dazu bei, dass die niederdeutsche Dialektbasis mehrfach durch neue sprachliche Einflüsse überlagert, alte dialektale Siedlungsstrukturen zerstört und damit der Abbau bzw. Wandel der Dialekte hin zu überregionalen Varietäten besonders gefördert und hochdeutsch-niederdeutsche Interferenzen im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands sehr zeitig wirksam wurden.

Eine weitere für das Märkische prägende Bevölkerungsgruppe waren die hugenottischen Flüchtlinge, die 1685 durch das Edikt von Potsdam nach Brandenburg eingeladen wurden. Sie haben ihre Spuren vor allem in der Uckermark sowie in Berlin hinterlassen und von hier aus ins Umland ausgestrahlt. Und es verbreiten sich im 18./19. Jahrhundert schließlich auch Wörter und Wendungen, die mit den Juden in Verbindung gebracht werden, obwohl die Einflüsse im Einzelnen oft vermittelt – z.B. über das Rotwelsche (die „Gaunersprache“) oder die Studentensprache – erfolgt sein dürften und wiederum insbesondere ausgehend von Berlin oder anderen größeren Städten in die (Alltags-)Sprache der Brandenburger Bevölkerung eingedrungen sind.

Sprachliche Besonderheiten

Das grundlegende Einteilungskriterium für die sprachliche Gliederung des deutschsprachigen Raumes ist die sogenannte Zweite (oder althochdeutsche) Lautverschiebung. Dabei handelt es sich um einen Prozess, bei dem die Konsonanten p, t, k (regional unterschiedlich) „verschoben“ werden, und zwar: p zu f(f)/pf, t zu s(s)/z, k zu hh(ch)/kch. Während im Oberdeutschen alle Prozesse relativ konsequent durchgeführt wurden, finden sich im mitteldeutschen Raum von Süd nach Nord immer weniger, im Niederdeutschen überhaupt keine Veränderungen.

Als niederdeutsche Dialekte sind die brandenburgischen also durch die unverschobenen Laute p, t, k (vgl. Panne, twee, maken, hd. Pfanne, zwei, machen) charakterisiert. Ein weiteres grundlegendes Merkmal sind die fehlenden Diphthonge wie in Hu:s, si:n (hd. Haus, sein). Als ostniederdeutsche Dialekte sind sie durch den Einheitsplural auf -en charakterisiert (wi maken, ji maken, se maken). Regional gibt es jedoch – ausgehend von der Metropole Berlin – zahlreiche Einflüsse des Hochdeutschen, sodass bereits seit dem 15. Jahrhundert eine zunehmende Beeinflussung bzw. Verdrängung dieser dialektalen Merkmale durch die berlin-brandenburgische Umgangssprache sowie im Süden durch das Vordringen des Hochdeutschen zu verzeichnen ist.

Allgemeines abgrenzendes Sprachkennzeichen des Brandenburgischen gegenüber anderen niederdeutschen Dialekten ist der Artikel und das Demonstrativpronomen det, hd. das; demnach heißt es up det Feld (auf dem Feld), hinder/hinger det Hus (hinter dem Haus). Typisch für das Märkische (wie für einige südlich angrenzende Landschaften) ist auch, dass j für g verwendet wird: jrüen (hd. grün), juet (hd. gut), joan statt im Niederdeutschen goahn (hd. gehen; nur in der Prignitz und Teilen der Uckermark), scherzhaft: ‚ne jut jebratenene Jans is‘ ‚ne jute Jabe Jottes‘. Charakteristisch sind weiterhin die hellen (Palatal-)Vokale in änner (hd. ander), Gent(er) (hd. Ganter), die (Hiat-)Diphthongierung (draie, hd. trocken, kniee, hd. Knie), die Ersetzung des Dativs durch den Akkusativ (achter uns Hus – hd. hinter unserem Haus). Das Partizip Präteritum wird in einigen Regionen mit je- (hd. ge-) gebildet; in den meisten niederdeutschen Mundarten fehlt dieses Präfix oder erscheint – wie im Ostfälischen – mit e- (edan ‚getan‘). (Allerdings kommt die präfixlose Form auch in der Prignitz vor.) Lexikalische Besonderheiten sind neben den bereits o.g. z.B. Päde (‚langstieliges Unkraut‘), Buchte, (Piss)Miere ‚große Waldameise‘, Kuh-/Kohtäke (eigentlich Kuhzecke).

Verbreitet finden sich – besonders in der Lexik und hier den Toponymen – auch die slawische Elemente, was Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu der Feststellung veranlasste, dass der Märker ein Norddeutscher mit starkem Einschlag wendischen Blutes sei.

Zur regionalen Gliederung

Das Nordmärkische: Raum Prignitz, Uckermark, Ruppiner Land, Nord- und Westrand des Havellandes.

Die Nordgrenze fällt mit der mecklenburgischen Landesgrenze zusammen, der Westen wird durch Elbe und Havel begrenzt, die südliche Linie verläuft entlang der Städte Rathenow, Friesack, Oranienburg, Angermünde. Im Osten geht das Gebiet zwischen Templin und Angermünde ins Mittelmärkische über.

Wichtige Merkmale sind die langen Vokale /o:/ (hd. u), /e:/ (hd. ie), /ö:/ (hd. ü): (ropen hd. gerufen; Ko:ken (hd. Kuchen, le:f (hd. lieb) und sö:te (hd. süß). Die sogenannte leif -(N)/le:f(S)-Linie trennt das Mecklenburgische vom Nordmärkischen.

Das aus germanisch ai hervorgegangene e: (sog. ê2) findet sich in eens, keen, Been. Eine weitere Besonderheiten stellen die Monophthonge wie in reep, Deenst, leef (hd. rief, Dienst, lief) dar. Hier entspricht das e: (mnd. ê4) dem hd. ie. Ähnliche Besonderheiten finden sich auch bei langem o:, vgl. ok, Ogen, doof, lopen sowie Bloom, goot, Stohl (mnd. ô4). Langes a: (eenmoal, Stroat) ist ein Vokal, der verdumpft ist, sodass er dem langen o: (wie ein lang gesprochener o-Laut in offen) ähnelt, oft wiedergegeben als å. Ein Merkmal im Konsonantismus ist der Übergang des inlautenden nd zu nn, der – wie im übrigen Nordniederdeutschen – z.T. auch im Mittelmärkischen auftritt: Kinner (hd. Kinder), änner (hd. andere). Im Nordmärkischen fehlt häufig das auslautende -e (Stroat, Sproak).

Das Mittelmärkische: Raum Ost-Havelland, „Zentralmärkisch“ mit Berlin, (Ober-)Barnim, (die historischen Landschaften) Lebus, Teltow, Beeskow-Storkow.

Im Unterschied zu den nordmärkischen Langvokalen (o:, e:, ö:) finden sich hier häufig diphthongierte Laute, bei denen der erste Bestandteil lang und betont ist, z.B.: Di-enst, li-ef, Ku-eken. Im Süden des Mittelmärkischen (teilweise auch als Grenzlinie zum Südmärkischen verstanden) verläuft noch eine weitere markante Linie, die ein nordwestliches Gebiet mit Schnee und ein südöstliches Gebiet mit Schnai trennt, das bis in das Südmärkische hineinreicht. Sie erstreckt sich etwa zwischen Beelitz und Potsdam von West nach Ost. Ähnlich ist auch die Linie Stroh und Strau (hd. Stroh) gelagert. Über weite Teile des Gebietes verwendet auch der Mittelmärker langes e: (mnd. ê2) für altes ai (außer im NW): een, beede (für hd. ein, beide).

In Abgrenzung zum Nordmärkischen ist das auslautende -e erhalten: Staue (hd. Stube), Kirch/Kark (hd. Kirche) und geht z.T. über vergleichbare Formen der Standardsprache hinaus: Jerichte, Döäre. Im Inlaut wird nd zu ng, vgl. Enge, hingene (hd. Ende, hinten).

In der Lexik des Mittelmärk. finden sich besonders zahlreiche Wörter, die mit den niederländischen Siedlern in dieses Gebiet kamen.

Das Südmärkische: Sogenannter Berliner Trichter, z.T. Fläming, Elbe-Elster-Raum zwischen der maken-machen-Linie im Norden und der ick-ich-Linie im Süden auf der Strecke Coswig bis Märkisch-Buchholz.

Das Südmärkische trägt deutliche Kennzeichen einer Übergangslandschaft zum Mitteldeutschen, in das es fast ohne Grenzen übergeht. So finden sich hier anstelle der mittelmärkischen Langdiphthonge üe, ie, ue oft die mitteldeutschen Monophthonge u:, i:, ü: (hd. Kuchen, lieb, süß). Allerdings heißt es hier – wie im übrigen Niederdeutschen – auch noch mi:n nü:es Hu:s (hd. mein neues Haus). Die Tatsache, dass es von Wort zu Wort große Unterschiede gibt, weist zugleich auf den Übergangscharakter hin, vgl. nd.-md. Mischbildungen, wie bi:ßen/beiten neben nd. bi:ten, hd. beißen; wi:ß neben nd. witt und hd. weiß; verzellt neben nd. vertellt und hd. erzählt.

Bis in das Elbe-Elster-Gebiet gelten zahlreiche Wörter, die von der ursprünglich weiter im Süden verlaufenden Grenze zwischen dem Niederdeutschen und dem Ostmitteldeutschen zeugen: kniejen (hd. knieen), lee/lech (hd. niedrig), mulike/mudike ‚überreifer Zustand der Birne‘. Mit den angrenzenden mitteldeutschen Mundarten gemeinsam hat das Südmärkische z.B. auch die Gutturalisierung von nd > ng (hinger, hd. hinter) und das Präfix des Part. Prät. auf je- (jemacht).

Berlinisch

Berlinisch (auch Berlinerisch) bezeichnet im engeren Sinne zum einen die spezifische Ausprägung der gesprochenen Sprache der Metropole Berlin, die durch Berlinismen, charakteristische lautliche Merkmale und den sogenannten Berliner Humor, der als derb, aber herzlich empfunden wird, charakterisiert ist. Zum anderen bezieht es sich auch auf die im Großraum Berlin-Brandenburg gesprochene Umgangssprache, mit der es im Laufe der Geschichte intensive Transferbeziehungen gegeben hat. Als Stadtsprache (Urbanolekt, Metrolekt) ist sie durch eine Mischung zahlreicher Dialekte und Sprachen entstanden.

Die sprachliche Entwicklung Berlins verläuft zunächst wie die der übrigen märkischen Städte. Die ersten Urkunden Berlins von 1237/1244 zeigen deutliche Einflüsse der verschiedenen Siedlergruppen. Mit der Aufnahme in den Hansebund gewinnt in der Schriftsprache zunächst neben dem Latein auch das Niederdeutsche an Prestige, bevor durch die Regierungsübernahme durch die Hohenzollern zeitweise das Oberdeutsche Nürnberger Prägung in die überregionalen Texte eindringt. Mit dem Ausbau Berlins als Regierungssitz ab 1470 wird das Ostmitteldeutsche obersächsischer Prägung in die Schriftlichkeit der Kanzleien übernommen, die Oberschicht geht allmählich zu einer am Hochdeutschen orientierten Mündlichkeit über – das Berlinische in seinen spezifischen Ausprägungen beginnt sich herauszubilden. Mit dem Zuzug von Juden sowie der Hugenotten im 17. Jahrhundert wird auch die Sprechsprache stark durch jidd. und frz. Einflüsse geprägt, wobei es oft zu Verballhornungen kommt.

Im 18. Jahrhundert entwickelt sich das Berlinische zur allgemeinen Sprechsprache auch der bis dahin noch oft Niederdeutsch sprechenden unteren sozialen Schichten mit starken sozialen und regionalen Differenzierungen. Mit der Teilung Berlins 1961–1989 bleibt das Berlinische in Ostberlin insbesondere aufgrund seines Prestiges als Hauptstadtvarietät stärker erhalten als im westlichen Teil der Stadt. Seit der Wiedervereinigung lässt sich ein allmählicher Rückgang des Berlinischen, insbesondere des standardfernen, auch im Ostteil der Stadt beobachten, auch wenn einige typische Berlinismen nach wie vor erhalten bleiben.

Zu den charakteristischen lautlichen Merkmalen gehören insbesondere solche, die auf das niederdeutsche Substrat zurückzuführen, aber zugleich durch hochdeutsche Interferenzen charakterisiert sind: uff, keen, koofen, dit(te), bissken; der sogenannte Akkudativ (‚det interessiert mir nich‘). In der Lexik lassen sich eine Vielzahl von Einflüssen aus den integrierten Dialekten und Sprachen nachweisen: aus dem Niederdeutschen doof, kieken; aus dem Niederl. Pelle ‚Schale‘, spack ‚schwächlich‘; aus dem Slawischen Lanke, Luch, sich die Plautze vollhaun; Wörter obersächsischer Herkunft: fufzehn, fufzich, Kute ‚Grube‘; Wörter französischer Herkunft: Bulette, partu, propper, etwas aus der Lamäng (‚Hand‘) machen, inne Bredollje kommen. Wörter aus der Gaunersprache (Rotwelsch): ausbaldowern; Bleibe ‚Schlafstellen‘; plattmachen ‚obdachlos umhertreiben‘; für ‚Geld‘: Asche, Moos, Pfund, Zaster; veräppeln, verkohlen; kess; dufte/verduften; aus dem Bereich der Arbeiterviertel: Laube, Laubenpieper; Klitsche (später: Datsche); Bullen; Pestnelken ‚Zigarre‘; aus dem Gaststättenwesen: Berliner Weiße, Rollmops, Kassler, Schnitzel. Von Berlin aus verbreiten sich Wörter aus Alltag und Technik: Litfaßsäule, Benzinkutsche, knipsen ,fotografieren‘. Zu den speziellen stilistischen Mitteln (,Berliner Witz‘/,Berliner Schnauze‘) gehören Neubedeutungen: Falle ‚Bett‘; fetzen; Flamme ‚Freund/in‘, ne Fliege machen ‚verschwinden‘; Flosse ‚Hand‘; flöten gehen ‚verschwinden‘; Neuschöpfungen: Klamauk; Tingeltangel; Glimmstengel; Quasselstrippe; Umbildungen: Teigaffe/Schrippenarchitekt ‚Bäcker‘, Besuchsbesen ‚Blumenstrauß‘; Übertreibungen: riesig, unheimlich (zum Ausdruck positiver Bewertung); Vergleiche und Umschreibungen (er jibt an wie eene Tüte Mücken/wie ein Sack nasser Affen (‚er ist ein Angeber‘); er hat eine lange Leitung; Moderedensarten: Das durfte nich‘ kommen; Schmeiß mal (statt gib mal); Det kannste (voll) vajessen u.v.a.

Von Berlin aus strahlte diese Stadtsprache weit in das Umland aus und entwickelt sich dort durch Interferenzen mit den Basisdialekten zur berlin-brandenburgisch Umgangssprache, die zunehmend die Alltagssprache prägt.

Seit einigen Jahrzehnten entwickelt sich in Berlin eine neue Varietät: das Kiezdeutsch.

Situation heute

Mit der Aufnahme des Niederdeutschen als Regionalsprache in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, die 1999 von der Bundesrepublik unterzeichnet wurde, erhält auch das Niederdeutsche in Brandenburg einen gewissen Schutzstatus. Durch verschiedene Initiativen soll es gelingen, den kulturellen Wert des Niederdeutschen wieder stärker in das Bewusstsein zu bringen und den Rückgang zu verzögern bzw. die Kenntnis und den Gebrauch des Niederdeutschen zumindest zu stabilisieren.

Literatur

Adler, Astrid / Ehlers,  Christiane / Goltz, Reinhard / Kleene, Andrea / Plewnia, Albrecht: Status und Gebrauch des Niederdeutschen. Bremen 2016.

Berner, Elisabeth / Jedrzejowski, Lukasz: Deutsch-slawischer Sprachkontakt im Südbrandenburgischen. In: Wich-Reif, Claudia (Hrg.): Historische Sprachkontaktforschung (= Jahrbuch für Germanistische Sprachgeschichte, 7). Berlin/Boston 2016, S. 188–210.

Bielfeldt, Hans Holm: Die historische Gliederung des Bestandes slawischer Wörter im Deutschen. Berlin1963.

Bock, Rolf / Langner, Helmut: Zur Geschichte, Gliederung und zu wichtigen Merkmalen der märkischen Dialekte. In: WZ PH Potsdam. H. 2. Potsdam 1989, S. 229–244.

Brandenburg-Berlinisches Wörterbuch: Begründet und angelegt von A. Bretschneider unter Einschluß der Sammlungen von H. Teuchert, fortgesetzt von Gerhard Ising, bearbeitet unter der Leitung von Joachim Wiese. 4 Bde. Berlin 1967–2001.

Bretschneider, Anneliese: Ist Brandenburg eine „passive Sprachlandschaft“?. In: Niederdeutsches Jahrbuch 1962, S. 63–110.

Gessinger, Joachim / Fischer, Christian: Schriftlichkeit und Mündlichkeit in Brandenburg-Berlin. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 1998, Sonderheft, S. 84–109.

König, Werner: dtv-Atlas deutsche Sprache. München 1996.

Krienke, Eberhard: Uns Uckermark. Sprache und mundartliche Literatur einer Region. Milow 1996.

Mitzka, Walther: Deutsche Mundarten. Heidelberg1943.

Sanders, Willy: Sachsensprache, Hansesprache, Plattdeutsch. Sprachgeschichtliche Grundzüge des Niederdeutschen. Göttingen 1982.

Schirmunski, Victor. M.: Deutsche Mundartkunde. Vergleichende Laut- und Formenlehre der deutschen Mundarten. Berlin 1962.

Schönfeld, Helmut: Die niederdeutsche Sprache in den Ländern Sachsen-Anhalt und Brandenburg. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprache 1981, S. 175–201.

Stellmacher, Dieter: Niederdeutsche Sprache. Eine Einführung. Bern u.a. 1990.

Teuchert, Hermann: Die Mundarten der brandenburgischen Mittelmark und ihres südlichen Vorlandes. Berlin 1964.

Teuchert, Herrmann: Die Sprachreste der niederländischen Siedlungen des 12. Jahrhunderts. Neumünster 1994.

Wiese, Joachim: Sprachgrenzen in der Mark Brandenburg. In: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 8 (1957), S. 23–31.

Wiese, Joachim: Dialekte und Mundarten. Das Brandenburgische. In: Kontroversen. Magazin für Sprache, Literatur und Landschaft 1993. Heft 1, S. 35–37.

Wiesinger, Peter: Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Besch, Werner et.al. (Hrg.): Dialektologie: ein Handbuch zur allgemeinen Dialektforschung. Bd. 1.2. Berlin u.a. 1982, S. 807–900.

Empfohlene Zitierweise

Berner, Elisabeth: Brandenburgische Sprachlandschaft, publiziert am 05.04.2019; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Themen: Bildung und Kultur 


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