Linoleumwerke Frentzel & Söhne, Eberswalde

Jörn Mallok

Nachdem England 20 Jahre lang von seiner weltweiten Monopolstellung als alleiniger Hersteller von Linoleum profitiert hatte und die 1863 dem Erfinder Frederick Edward Walton (1834-1928) gewährten Patentrechte ausliefen, gründeten sich Anfang der 1880er Jahre auch in Deutschland Linoleumfabriken. Sie zielten zunächst auf die steigende Nachfrage des einheimischen Marktes, später aber auch auf den Export ab.

Zeitlich gestaffelt entstanden 1882 zuerst die Delmenhorster Linoleumfabrik bei Bremen, kurz darauf zwei Berliner Werke, die Deutsche Linoleum- und Wachstuch-Compagnie Rixdorf und die Erste Patent Linoleumfabrik Cöpenick. Während das Werk in Delmenhorst über eine günstige Lage zu den Überseehäfen zur Rohstoffbeschaffung verfügte, nutzten die Berliner Werke das große Kundenpotential der Reichshauptstadt. Immerhin ergaben sich mit zunehmender Massivbauweise und auszustattenden Wohn- und Geschäftsräumen aufnahmefähige Märkte, die hochwertiges Linoleum aus deutscher Herstellung gegenüber englischen Billigfabrikaten bevorzugten. Dieser konjunkturelle Aufschwung führte ab 1892 zu einer zweiten Gründungswelle in der deutschen Linoleumindustrie, in deren Ergebnis 1899 die Eberswalder Linoleumwerke Frentzel & Söhne entstanden (Dürks 1919) (Abb. 1). Zuvor hatten sich bereits 1892 die zweite Delmenhorster Fabrik, 1898 die Bremer Linoleumwerke und drei Werke im süddeutschen Raum gegründet. Damit hatte sich die Zahl der Produktionsstätten fast verdoppelt und das Stammkapital der Branche wuchs zwischen 1897 und 1900 von 8,7 auf über 17 Mio. Mark an (Hoffmann 1929).

Unter den neuen Werken entfachte ein starker Wettbewerb, der Existenzkampf, Preisverfall und ausbleibende Dividendenzahlungen zur Folge hatte. Als Ergebnis zahlreicher Fusionen formierten sich mächtige, monopolisierte Fabriken mit kapitalintensivem Anlagenbestand und hohem Automatisierungsgrad, die jedoch nur geringe Beschäftigungseffekte generierten, da sich manuelle Tätigkeiten überwiegend auf Transportarbeiten konzentrierten. So zählten die Eberswalder Linoleumwerke um 1900 lediglich 64 Arbeitskräfte (Aurich 1906).

Wie die anderen Fabriken des Finowtals profitierten auch die Linoleumwerke von der Anbindung an den Finowkanal, den verfügbaren Erweiterungsflächen, der Nähe zu Berlin sowie dem innovativen Image des ältesten Industriestandortes der Mark Brandenburg (Mallok 2017). Der Eberswalder Lehrer und Heimatkundler Hermann Aurich berichtete über die Linoleumwerke im ersten Band seiner Publikation „Die Industrie am Finowkanal“ (Aurich 1906). Danach kamen über den Finowkanal Lastkähne mit Kohle, die mit einer Feldbahn durch einen Tunnel unter der Eberswalder Chaussee bis auf das Werksgelände transportiert wurde. Lastkähne mit Leinöl wurden durch eine unterirdische Pipeline entladen. Während des Herstellungsprozesses entstanden 200 Meter lange und 2 Meter breite Linoleumbahnen, die in mehreren Wellenlinien an einem Metallgerüst von der Decke 14 Meter hoher Fabrikgebäude herabhingen, welche die Bauten der benachbarten Firmen deutlich überragten (Abb. 2). Nachdem Linoleum anfangs in eintönigem braun hergestellt wurde, verlangte der Markt weitere Farbtöne und Muster, die zunächst aufgedruckt wurden, sich aber rasch abnutzten. Daher entwickelte das Eberswalder Werk homogen durchzogenes Linoleum mit Granit-Muster, das selbst bei Abrieb erhalten blieb. Dazu gab es ein Musterbuch mit 12 Farbtönen, das als Verkaufshilfe diente.

Bereits ein Jahr nach Gründung des Eberswalder Werkes verzeichnete die Linoleum-Branche erhebliche Überkapazitäten, zumal auch der Weltmarkt nachgab. Erschwerend hinzu kamen steigende Rohstoffpreise und ein Anstieg der auf Lager produzierten Ware. Um Abhilfe zu schaffen, unterzeichneten Vertreter sämtlicher deutscher Linoleumwerke im Jahr 1900 einen Konventionsvertrag, der einheitliche Preise und Verkaufsbedingungen sowohl für die Hersteller als auch für die Händler regelte. Dieses lose Preiskartell hielt aber nur ein Jahr. Denn es kam vor, dass einige Fabriken fehlerhafte Ware als zweite Wahl zum Wiederverkauf anboten, was entgegen der Preisabsprachen 20–30 % Rabatt ermöglichte und der ruinöse Wettbewerb erneut einsetzte (Hoffmann 1929). Letztlich fielen der Linoleumkrise Anfang der 1900er Jahre zwei Werke zum Opfer: Cöpenick und Eberswalde. Das Werk in Cöpenick wurde 1905 an eine Bremer Aktiengesellschaft verkauft, während das Eberswalder Werk 1903 an die Linoleumfabrik Rixdorf überging, die den Kaufpreis ohne Kredit aus den laufenden Einnahmen finanzierte. Strategisch plante die Rixdorfer Werksleitung die Verlegung des Firmensitzes sowie der gesamten Produktionsanlagen auf das mit 75.000 Quadratmetern dreimal so große Werksgelände nach Eberswalde, um rationeller produzieren und Erweiterungsflächen nutzen zu können. So war der Berliner Werksteil 1918 stillgelegt und das Grundstück gegen Anzahlung an den Kaufhauskonzern Wertheim abgetreten. Die Übergabe an den neuen Besitzer sollte innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs stattfinden (Dürks 1919).

Abbildung 3 dokumentiert beide Werke gemeinsam auf einem Briefkopf nach der Übernahme. Das Rixdorfer Werk galt als größte und älteste kontinentale Linoleumfabrik und erhielt vielfach Auszeichnungen wie den Großen Preis der Weltausstellungen 1904 in Saint Louis / USA sowie 1910 in Brüssel. Es entwickelte patentiertes Linoleum mit Parkettmuster, das in zahlreichen Tanzsälen verlegt und unter dem Namen „Inlaid“ bekannt wurde. 

Im Jahr 1918 gingen sämtliche Schutzrechte, die mit dem „Inlaid“ und der inzwischen obsoleten Ebermarke verbunden waren, infolge Fusion an die Delmenhorster Ankerwerke über, die sämtliche technischen Ausrüstungen aus Rixdorf und Eberswalde abzogen und bis 1930 mit 327.000 Quadratmeter Werksgelände sowie 74 Fabrikgebäuden zum größten deutschen Linoleumkonzern avancierten (Hoppenstedt 1930). Folglich stand das Eberswalder Werksgelände leer, als es die Kahlbaum Schering AG im Jahr 1921 erwarb und zur chemischen Fabrik umfunktionierte.

Rückblickend kam das Eberswalder Werk beim Kampf um Marktanteile während des Aufschwungs zu spät, um die ab 1900 einsetzende Linoleumkrise als eigenständige Wirtschaftseinheit überstehen zu können. So erfolgte nach nur vier Jahren Lebensdauer der verlustbringende Verkauf an die Konkurrenz.

Literatur

Aurich, Herrmann: Die Industrie am Finowkanal. Bd. 1. Eberswalde 1906, S. 92-103.

Dürks Erich: Die deutsche Linoleum-Industrie unter besonderer Berücksichtigung der Fabriken in Delmenhorst und Oldenburg. (Diss.) 1919.

Hoffmann, Gertrud: Zusammenschlussbestrebungen in der deutschen Linoleumwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung des Kartellgedankens (= Betrieb und Unternehmung, 5). Leipzig 1929 (Diss.).

o.A.: Der kontinentale Linoleum-Konzern. Aufbau, Entwicklung, Werke, Statistik und Finanzen der kontinentalen Linoleum-Union und ihrer Fabrikations-Gesellschaften, Spezialarchiv der deutschen Wirtschaft. Berlin 1930.

Mallok, Jörn: Metallindustrielle im Finowtal. In: Eberswalder Jahrbuch 2017, S. 90-117.

Mallok, Jörn: Die Ebermarke der Linoleumfabrik – Vorbild für das neue Gütesiegel aus Eberswalde. In: Eberswalder Jahrbuch 2020, S. 102-124.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 3 Autor

Abb. 2 Aurich, Herrmann: Die Industrie am Finowkanal. Bd. 1. Eberswalde 1906.

Empfohlene Zitierweise

Mallok, Jörn: Linoleumwerke Frentzel & Söhne, Eberswalde, publiziert am 14.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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