Papierfabrik Wolfswinkel

Hendrik Maßmann

Entstehung

Die Entstehung der Papiermühle Wolfswinkel resultierte in erster Linie aus dem Niedergang der sogenannten Heegermühle westlich von Eberswalde. Die Papiermühle Heegermühle war im Verlauf des Siebenjährigen Kriegs 1760 von Kosaken in Brand gesetzt worden und infolgedessen vollständig niedergebrannt (Friese 2000, S. 97). Während ein Wiederaufbau außer Frage stand, ergaben sich diesbezüglich zwei Fragen: Zunächst beschäftigte die Verantwortlichen die Wahl eines geeigneten Standorts. Der zuständige Kriegs- und Domänenrat Feldmann hatte bereits im Vorfeld über eine Verlegung der Mühle an einen Ort namens „Wolffs-Winckel“ am Finowkanal nachgedacht, da der Wasserlauf am ursprünglichen Standort Heegermühle vor allem in den Sommermonaten zu wenig Wasser führte. Eine frühzeitige Verlegung hatte jedoch aus Kostengründen nicht stattgefunden (Friese 2000, S. 97). Gegen einen Wiederaufbau am ursprünglichen Standtort sprach sich zudem das benachbarte Messingwerk aus, da es deren Nutzung störe (Seifert 1998, S. 95).

Die zweite Frage, die sich bezüglich eines Wiederaufbaus stellte war, ob der Neubau der Papiermühle in Wolfswinkel aus königlichen Geldern finanziert und auf Zeit verpachtet werden sollte oder ob eine Privatperson den Bau bezahlen sollte und ihm diese daher in Erbpacht überlassen werden würde (Friese 2000, S. 97). Nach wechselhaften Verhandlungen mit mehreren Interessenten konnte sich der Papiermacher Daniel Gottlieb Schottler durchsetzen und erhielt im November 1762 die königliche Bestätigung, aus eigenen Mitteln in Wolfswinkel eine Papiermühle errichten zu dürfen, die er daraufhin in Erbpacht erhielt (Friese 2000, S. 100). Auf dem Gelände in Wolfswinkel, auf dem bereits historischer Baubestand vorhanden war, errichtete Schottler ein Wohn- und Mühlhaus, eine Unterbringung für Arbeiter, Stallungen und ein Haderhaus, wie aus dem 1762 aufgenommenen Situationsplan hervorgeht (Friese 100).

Für die Papiermühle in Wolfswinkel werden verschiedene Daten für die Fertigstellung angegeben. Was sich jedoch mit Sicherheit sagen lässt ist, dass sie 1765 in Betrieb genommen wurde (Seifert 1998, S. 95). Der mit Schottler geschlossene Erbpachtvertrag aus dem Jahr 1767 legte neben der nach dem Ende von drei Freijahren, deren Beginn auf Trinitatis 1765 datiert wurde, sowie der zu zahlenden Pacht, auch eine Pflichtlieferung von Papier an die Kurmärkische Kammer in Berlin fest (Seifert 1998, S. 95).

Technischer Ausbau und problematische Produktionsbedingungen

Schottler war auch Besitzer der Papiermühle am Werbellinfließ, die auf Grund ihrer Wasserarmut jedoch als beinahe ruiniert betrachtet wurde. Nachdem das Werbellin jedoch schiffbar gemacht worden war, erholte sich die Situation und Schottler konnte sie wieder regulär bewirtschaften. Er jedoch war nicht in der Lage, beide sich in seinem Besitz befindenden Mühlen zu bewirtschaften, da ihm das Geld dazu fehlte. Schottler hatte sich daher verschuldet und bat den König die Papiermühle in Wolfswinkel verkaufen zu dürfen (Friese 2000, S. 100/101). Der Vertrag aus dem März 1768 dokumentiert den Verkauf der Mühle an Johann Tobias Hantho.

Die Zeit der Papiermühle unter Hanthow wird vor allem durch die aus dem von Schottler übernommenen Vertrag gesetzten Pflichtlieferungen an die Kurmärkische Kammer und die schlechte Qualität seines Papiers charakterisiert. Hanthos Produktion konnte die gesetzten Pflichtlieferungen an die Kurmärkische Kammer nicht decken. Sein Papier war zudem auf Grund minderwertiger Ressourcen, einerseits verunreinigten Wassers als Resultat des in der Nähe angesiedelten Kupferhammers und der Schifffahrt, andererseits auch fehlenden Lumpen zur Fasergewinnung, die den Grundstoff zur Papierherstellung darstellten, von geringer Qualität. Der Aufforderung König Friedrichs II. im Jahr 1771 nach Papier vergleichbarer Qualität dem der holländischen und französischen Papiere konnte Hantho nicht nachkommen. Auch der hinzugezogene Jean Dubois (Bauherr und Unternehmer der Papiermühle Spechthausen) konnte nur feststellen, dass die Herstellung unter diesen Bedingungen nicht möglich sein würde (Friese 2000, S. 107). 1790 verkaufte Hantho die Papiermühle an Josua Fournier.

Fournier, Halbbruder des Eigentümers der Papiermanufaktur Spechthausen, baute die Papiermühle aus. In den Jahren bis 1796 wurden zunächst das mechanische Werk der Mühle ersetzt, die Wasserzufuhr (sowohl äußere als auch die innere Wasseranlagen) erneuert, eine Arbeiterkolonie, sowie ein Fabrikgebäude erbaut (Friese 2000, S. 115/116). Obwohl sich Fournier bereits als Fabrikant und die Mühle als Papierfabrik bezeichnet wurden (Friese 2000, S. 115), hatte die Produktion noch handwerklichen Charakter (Seifert 1998, S. 97). Aus der Expansion resultierte jedoch die Notwendigkeit, mehr Arbeiter zur Betreibung der Manufaktur zu gewinnen und so wurde die begonnene Siedlung in Wolfswinkel durch fünf massive Doppelhäuser erweitert. Die Bauarbeiten, sowohl am Fabrikgebäude als auch der Siedlung, waren 1796 abgeschlossen (Friese 2000, S. 118).

Unter Fournier wird von einer deutlichen Verbesserung des produzierten Papiers berichtet (Seifert 1998, S. 96). Als problematisch erwies sich jedoch die aus den Verträgen mit Schottler übernommene Verpflichtung zur Belieferung der Kurmärkischen Kammer zu einem Festpreis. So musste Fournier in Folge dessen Papier zu Preisen liefern, die den aktuellen nicht mehr entsprachen (Friese 2000, S. 118).

Die Papierfabrik im 19. Jahrhundert

Fournier verkaufte die Fabrik 1803 aus gesundheitlichen Gründen. Sie ging durch mehrere Hände, bis sie 1812 in den Besitz von Johann Friedrich Nitsche gelangte. Er erweiterte die Fabrik um ein Wohnhaus für zwölf Familien und eine Hadernmühle (Stampfwerk zur Zerkleinerung der Lumpen), die auf einem Situationsplan aus dem Jahr 1838/42 erstmals verzeichnet sind, und veranlasste den Neubau eines Schleusenmeisterhauses (Friese 2000, S. 134).

1822 konnte Nitsche nach Verhandlungen mit dem Ministerium für Handel und Gewerbe – Finanzministerium die Bestimmungen des Erbpachtvertrags dahingehend modifizieren, als dass die Pflichtlieferungen von Papier nicht mehr zu dem 1767 im Erbpachtvertrag mit Schottler festgelegten Festpreis geliefert werden mussten, sondern besagter Festpreis aufgehoben wurde. Sein Papier lieferte er ab 1822 an das Schreibmaterialien Magazin (Friese 2000, S. 134).

Nachdem das Einführungspatent für Papiermaschinen aus England des Berliner Fabrikanten Chorty im Jahre 1833 endete, kümmert sich Nitsche darum, eine englische Papiermaschine zu erwerben, die im Jahre 1834 in Wolfswinkel in Betrieb ging. Es ist belegt, dass Nitsche Angebote unterschiedlicher Hersteller von Papiermaschinen in England einholte und sich letztendlich für die der Firma Braithwaite entschied. Andere Maschinen, die diese ergänzten, stammten jedoch nicht von Braithwaite, etwa die später erworbene Kontenmaschine (eine Maschine, die durch eine siebartige Vorrichtung grobe Unreinheiten und Knoten verhindert) von Donkin in London und eine Beschneidemaschine von Hoffmann in Breslau. Es ist anzunehmen, dass die Bütten in Folge dessen schnell abgeschafft wurden (Friese 2000, S. 136/137). Erst mit diesem Schritt kam es zu einer Umstellung auf eine industrielle Produktion, sodass etwa ab diesem Zeitpunkt von einer tatsächlichen Fabrik gesprochen werden konnte (Seifert 1998, S. 97).

Nitsche starb im Jahre 1838. Aus dem Erbe ging die Firma Nitsche unter Beteiligung seiner drei Söhne und seiner Witwe hervor. Eine der frühen Errungenschaften der Firma war die bedingungslose und entschädigungsfreie Auflösung der Aufhebung der Papierlieferungen aus dem Erbpachtvertrag 1767. Bis zum Jahre 1864 wurden verschiedene Um- und Neubauten auf dem Gelände der Fabrik ausgeführt. Es erscheint durchaus möglich, dass auf Grund der Kosten dieser Maßnahmen Carl Marggraff 1865 als Teilhaber in die Firma eintrat. 1866 wurde eine zweite Papiermaschine aufgestellt, die als Schweizer Fabrikat ausgewiesen wurde. Eine damit einsetzende etwaige Welle der Modernisierung endete bereits sehr früh mit dem Tod J. F. Nitsches 1867.

Über einen Mittelsmann, einem Kaufmann namens Westphalen, erwarb Marggraff 1868 die Anteile der Firma, die vor seinem Tod J. F. Nitsche gehört hatten, und wurde somit Alleineigentümer der Firma (Abb. 1-3). Als solcher bezeichnete sich Marggraff jedoch erst ab 1871, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass Westphalen bis 1871 Miteigentümer gewesen sein muss. Im Jahr 1872 wurde die Firma unter der Leitung Marggraffs in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

Im Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum der Gründerzeit gingen innerhalb der Papierbranche ein Rohstoffmangel und eine deutliche Verteuerung der Rohstoffe einher. Etliche neue Papierfabriken waren gegründet wurden, um die steigende Nachfrage zu befriedigen. Dies beutete neben der Verteuerung und dem Mangel an Rohstoffen auch ein steigendes Überangebot, was sich in sinkenden Preisen widerspiegelte (Friese 2000, S. 157/158).

Im Jahre 1875 musste die Papierfabrik Wolfswinkel Konkurs anmelden. Die Fabrik, die als Aktiengesellschaft agierte, wurde daher versteigert und wiederum von Marggraff gekauft, der ein Jahr später einen Mitteilhaber aufnahm. Der Betrieb firmierte in der Folge dessen als „Marggraff und Engel Wolfswinkel“. (Abb. 4-6)

Noch während der Rohstoffkriese hatte Marggraff in England gefertigte Bestandteile einer Holzstofffabrik bestellt, die der Herstellung chemischen Ersatzstoffs dienen sollte, was er jedoch auf Grund der wirtschaftlichen Lage der Aktiengesellschaft nicht endgültig durchführen konnte. Dennoch wurde die Fabrik Wolfswinkel immer weiter erweitert. Zählte sie 1874 noch 31 Gebäude, waren es 1878 bereits 46. Jedoch waren im Wesentlichem mehrere dieser Gebäude, die vorrangig für die eigene Herstellung von Ersatzstoffen für die Papierproduktion errichtet wurden, unbenutzt. Besagte Ersatzstoffe, namentlich vor allem Cellulose, wurden über den Hafen von Stettin aus Kopenhagen bezogen. Zwischenzeitlich war die Holzstofffabrik 1880 verkauft und für einige Jahre an dieser Stelle nach nötigen Um- und Neubauten die benötigte Cellulose hergestellt worden. Sie erwies sich jedoch recht schnell als unrentabel, sodass die Fima „Marggraff und Engel“ die Gebäude nach der Stilllegung der Holzstofffabrik nach nur vier Jahren wieder erwarben (Friese 2000, S. 160).

Die Papierfabrik im 20. Jahrhundert – als Teil sowie Zulieferer von Siemens bis zum VEB

In den folgenden Jahren über die Jahrhundertwende hinaus waren immer wieder Erneuerungen und damit auch Um- und Neubauten erforderlich, um dem technischen Entwicklungsstand der Zeit angepasst zu bleiben. So bezog man ab 1910 etwa Strom von dem benachbarten „Märkischen Elekticitäts Werk“ (Friese 2000, S. 162).

Nach Marggraffs Tod im Jahr 1917 erfolgte ein Verkauf der Papierfabrik an die Siemens-Schuckertwerke und eine Anpassung der Produktion an die Bedürfnisse der neuen Besitzer. In der Folge fertigte man nun vor allem Kabelisolierpapier. Auch die Anlagen in Wolfswinkel wurden den Erfordernissen des neuen Eigentümers angepasst. In den Jahren 1927 und 1928 kam es zur Beseitigung alter Bausubstanz und dem Neubau von Produktionshallen (Seifert 1998, S. 105) (Abb. 7, 8).

Die Werke bezogen ihre Rohstoffe – vor allem Cellulose – aus Skandinavien, die im Hafen von Stettin umgeschlagen und per Finowkähnen über das Wasser nach Wolfswinkel transportiert wurden (Abb. 9). Die Produktion lief in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts trotz des Ersten sowie Zweiten Weltkriegs und endete zunächst im April 1945. Nur wenige Tage später begann die Demontage, bei der so gut wie die gesamte Ausstattung der Fabrik konfisziert und abtransportiert wurde (Friese 2000, S.166/167). Im Anschluss daran wurde aus der Papierfabrik Wolfswinkel der „Volkseigene Betrieb Papierfabrik Wolfswinkel“ (Seifert 1998, S.106).

Literatur

Aurich, H.: Die Industrie am Finowkanal. Bilder aus dem Industrieleben am Finowkanal. Eberswalde 1906.

Friese, Karin: Papierfabriken im Finowtal. Die Geschichte der Papiermühlen und Papierfabriken vom 16. bis zum 20. Jahrhundert mit einem Katalog ihrer Wasserzeichen. Eberswalde 2000.

Schmidt, Rudolf: Von der Handpapierbütte zur modernsten Papiermaschine Europas. [1931].

Seifert, Karsten / Bodenschatz, Harald / Lorenz, Werner: Das Finowtal in Barnim. Wiege der Brandenburgisch-Preussischen Industrie. Berlin 2000 (2. Auflage).

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Kreisarchiv Barnim.

Abb. 2, 7-9 Schmidt [1931].

Abb. 3-6 Aurich 1906.

Empfohlene Zitierweise

Maßmann, Hendrik: Papierfabrik Wolfswinkel, publiziert am 16.11.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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