Berliner Maschinenbau AG (vorm. L. Schwartzkopff), Wildau

Gründung in Berlin

Im Jahr 1851 gründete der unter anderem in den Borsig-Werken ausgebildete Louis Victor Schwartzkopff (1825-1892) in der Berliner Chausseestraße die „Eisengießerei und Maschinenbau-Anstalt von Louis Schwartzkopff“. Die Zeitumstände für die Gründung dieses Unternehmens waren durch den uneingeschränkten Siegeslauf der Eisenbahn besonders günstig. In der ersten Zeit wandte sich Schwartzkopff vorwiegend dem Eisengussbetrieb und 1855 der Erzeugung von Spezialmaschinen eigener Konstruktion zu. Es wurden Ventilatoren, Kesselpumpen, Dampfhämmer und insbesondere Fördermaschinen gebaut. Dem Unternehmen blieben aber auch schwere Zeiten nicht erspart. So machte sich 1858 der Rückschlag der von Amerika ausgehenden Weltwirtschaftskrise auch in Deutschland bemerkbar, zwei Jahre später zerstörte ein großer Brand die Fabrik Schwartzkopffs. Die durch die Überspekulation nach dem Krimkrieg hervorgerufene Handelskrise ließ in Schwartzkopffs bisherigen Fabrikationszweigen eine wesentliche Beschränkung des Absatzes erwarten. Daher widmete er sich fortan der Herstellung von Eisenbahn-Bedarfsartikeln.

1866 verwirklichte die Firma ihr Anliegen, eine Abteilung für den Bau von Lokomotiven einzurichten. Der Lokomotivbau wurde zum Hauptzweig der Fabrikation erhoben (Abb. 1), was tatkräftige Unterstützung durch den damaligen Handelsminister, den Grafen von Itzenplitz, fand. Da zu diesem Zweck die Fabrikräume in der Chausseestraße nicht mehr ausreichten, erfolgte der Ankauf eines Grundstückes im Norden Berlins an der Stettiner Eisenbahn, in der damaligen Ackerstraße, später Scheringstraße. Die nunmehr eingetretene Entwicklung der Firma gab die Veranlassung, sie am 1. Juli 1870 in „Berliner Maschinenbau Aktiengesellschaft vorm. Louis Schwartzkopff“ (B.M.A.G.) umzubenennen. Diese Aktiengesellschaft blieb noch bis 1888 in der Oberleitung des Gründers Louis Schwartzkopff, welcher auch Generaldirektor der Aktiengesellschaft wurde. Bereits 1868 ernannte ihn König Wilhelm I. zum Kommerzienrat.

In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts erfuhr der Bedarf an Lokomotiven eine erhebliche Einschränkung, daher wandte man sich auch anderen Geschäftszweigen, z.B. der Herstellung von Torpedos, Seeminen und anderen Kriegsmaterial mit den dazugehörigen Maschineneinrichtungen wie Dampfmaschinen, Dampfkesseln, Luftkompressoren zu.

Auch die Elektrotechnik übte Ihren Einfluss auf die Firma aus, sodass 1885 eine „Elektrotechnische Abteilung“ gegründet wurde, die für den Bau von Dynamos, Motoren und Transformatoren verantwortlich war. Große Erfahrungen hatte die Gesellschaft im Bau von elektrischen Ausrüstungen für Handels- und Kriegsschiffe, u.a. von elektrischen Nacht-Signalapparaten für Kriegsschiffe nach Patenten von Emil Kaselowsky. Am 30. Juni 1888 legte Louis Schwartzkopff nach 36jähriger Tätigkeit sein Amt als Generaldirektor nieder, welches sein Schwiegersohn Emil Kaselowsky übernahm. Am 7. März 1892 starb Louis Schwartzkopff im Alter von 67 Jahren (Abb. 2).

Unter der Oberleitung seines Nachfolgers begann 1897 auch die Herstellung von Linotype-Setzmaschinen für die Berliner Mergenthaler Setzmaschinen-Fabrik GmbH, 1903 der Bau von langsam- und schnelllaufenden Kolbenpumpen und 1908 die Herstellung von kompletten Anlagen für Druckluftgrubenbahnen und von Spezialmaschinen zur Herstellung von Glasflaschen und Glasröhren.

Ausweitung nach Wildau

Da der Lokomotivbau, der immer den Hauptzweig der Fabrikation ausmachte, wieder Aufschwung genommen hatte und die Werkstätten in Berlin den steigenden Ansprüchen nicht mehr genügten, war 1897 beschlossen worden, eine neue Lokomotivfabrik an anderer Stelle zu errichten. Die neue Fabrik lag ungefähr 30 km südlich von Berlin in Wildau bei Königs Wusterhausen an der von der Firma erbauten Station Wildau der Berlin-Görlitzer Eisenbahn. Am 1. September 1900 begann dort die Fabrikation. Dieses Werk war auf eine jährliche Herstellung von 600 - 700 Lokomotiven ausgerichtet und erhielt einen eigenen Stichkanal von der Dahme her, um auf dem Wasserweg Kohle und andere Rohstoffe anzuliefern. 1901 wurde die letzte in der Berliner Chausseestraße gefertigte Lokomotive ausgeliefert. In Wildau waren Ende 1901 bereits 860 Angestellte und Arbeiter beschäftigt, Ende 1902 waren es 1.200. Die Geschäfte der Firma liefen gut, Schwartzkopff wurde nach Krupp und Henschel die drittgrößte Lokomotivfabrik im Deutschen Kaiserreich.

Da die Fabrikanlage auf einem freien Feld errichtet wurde, mussten für die Angestellten und Arbeiter auch Wohnungen geschaffen werden. Östlich der Bahnlinie entstand daher parallel zum Bau der Lokomotivfabrik eine großzügig angelegte Siedlung für die dringend benötigten Fach- und Führungskräfte und ihre Familien, die heutige „Schwarzkopff-Siedlung“. Aufgrund der Abgelegenheit der Fabrikanlage zu den nächsten Ortschaften wurden von der Firma zudem eine Konsumanstalt, ein Kasino, eine Schule und eine Feuerwehr gebaut. Um bei der Vergrößerung des Werkes den Weiterbau zu fördern, gründete die Firma 1906 die Baugesellschaft Wildau mbH. Die eigentliche Fabrikanlage begann im Norden mit der in unmittelbare Nähe des Kanals gelegenen Hammerschmiede. Diese wurde 1914/15 errichtet und mit den modernsten Einrichtungen ausgestattet. Mit der ständigen Ausdehnung des Werkes war auch eine Vergrößerung der Einwohnerzahl des Ortes Wildau zu verzeichnen (Abb. 3-7).

Zusammenarbeit mit J. A. Maffei

Im Jahr 1907 wurden zusammen mit der bekannten Firma J. A. Maffei in München die Maffei-Schwartzkopff-Werke GmbH gegründet und seit 1909 auch der Bau von elektrischen Lokomotiven für Voll-, Neben-, Industrie- und Grubenbahnen aufgenommen. Das dafür errichtete Werk lag nördlich des Stichkanals und angrenzend an die BMAG. Nach dort wurde die gesamte Fertigung von schnell rotierenden Maschinen, Generatoren und elektrischen Ausrüstungen verlagert. In diesem Werk wurden die von Schwartzkopff und von Maffei gebauten E-Loks elektrisch ausgerüstet (Abb. 8).

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 kam es zu größeren Veränderungen bei der Berliner Maschinenbau AG. Innerhalb weniger Tage wurden 36 der Betriebsmitglieder zum Militär einberufen. Der Güterverkehr und der Materialeingang stockten, viele Firmen zogen ihre Aufträge zurück. Alle Lieferungen nach Übersee bzw. für das „feindliche“ Ausland mussten eingestellt werden, dagegen arbeitete die Kriegsmaterialabteilung mit Sonderschichten. Während des Heeresdienstes der Angestellten und Arbeiter gab es für die Angehörigen finanzielle Unterstützungen, beispielsweise durch die Stiftung eines Kriegsopferfonds. 1916/17 war ein sprunghaftes Ansteigen der Kriegsproduktion zu verzeichnen. Schwartzkopffs Monatsbilanzen wiesen Umsätze von 15 Millionen Mark aus und die Belegschaft war auf 10.000 angewachsen.

Nach der Novemberrevolution 1918 wurde durch den Versailler Vertrag die Herstellung von Kriegsmaterial verboten. Infolgedessen kam es zu einer zwangsläufigen Entlassung von 5.000 Arbeitern und Angestellten. Es folgten Unruhen, Streiks und sprunghafte Preissteigerungen. Darüber hinaus störten Unsicherheiten in der Kohle- und Stromversorgung die Produktion.

Um ständig genügend Nachwuchs zu haben, hatte sich die Firma mit der Ausbildung von Lehrlingen besonders beschäftigt. 1920 wurde eine mit den modernsten Lehrmitteln ausgestattete Werkschule mit Lehrwerkstätten auf dem Fabrikgelände errichtet.

1924 entschloss sich die Firma, auch den Bau von Diesellokomotiven aufzunehmen, nachdem es ihr mit dem Schweizer Ingenieur Anton Huwiler gelungen war, ein sicher und stufenlos arbeitendes Getriebe zu entwickeln. Im Berliner Werk entstand 1926 eine Abteilung zur Herstellung von Spezial-Druckmaschinen. Im gleichen Jahr begann der Bau von Lokomotoren (Motorkleinloks für den Verschiebedienst) in Zusammenarbeit mit den Niederländischen Staatsbahnen. Es erfolgte eine Lieferung von etwa 20 Lokomotoren in die Niederlande im Jahre 1929.

Ende 1929, während der Weltwirtschaftskrise, kam es zum stärksten Rückgang an Lokomotivaufträgen und Anfragen aus dem In- und Ausland. Im Oktober 1930 musste das Werk infolge des Metallarbeiterstreiks vorrübergehend stillgelegt werden, der Standort des Maffei-Schwarzkopff Werkes infolge der Weltwirtschaftskrise
1931 sogar schließen. In den Jahren 1933/34 war die Krise im deutschen Lokomotivbau schließlich überwunden. Die Arbeitsstunden wurden verdoppelt und die Aufträge stiegen wieder (Abb. 9).

Die Dreißiger Jahre und der Zweite Weltkrieg brachten einen steilen Anstieg der Gewinne. Zwischen 1934 und 1939 stieg die Bilanzsumme von 16,3 auf 30 Millionen Mark. Der Reingewinn, der 1934 bei 5,45 Millionen lag, erreichte 1937/38 bereits 17,1 Millionen und 1940/41 32 Millionen Mark.

In der B.M.A.G. wurden neben Lokomotiven nun auch Rüstungsgüter produziert. Dazu zählten U- Boot- und Torpedoteile, Granathülsen, Flugzeugpropellernaben, Kanonenrohre, Minenwerfer und Geschütze (Abb. 10).

Die stillgelegten Maffei-Schwartzkopff-Werke wurden 1934 von der AEG übernommen und im Zuge des nationalsozialistischen Luftrüstungsprogramms als Zulieferbetrieb für die Flugzeugindustrie profiliert. Produziert wurden unter anderem Rümpfe und Leitwerke für Dornier, Heinkel, Junkers und Messerschmitt.

Ab 1942 wurden zur Arbeit im Lokomotivwerk auch bis zu 6.000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt und in Wildau interniert. Insgesamt gab es bis Kriegsende 13 Lager in der Ortschaft. Am 8. März 1944 wurde das Werk Ziel eines alliierten Bombenangriffs, der einige Schäden anrichtete, aber die Produktion nur kurz beeinträchtigen konnte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Unternehmen enteignet und die Anlagen demontiert.

 

(Textvorlage: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Berliner Maschinenbau AG (vorm. L. Schwartzkopff), Wildau; Bestandsübersicht / Firmengeschichte [Siehe: Hier], ergänzt und bearbeitet von Julian-Dakota Bock)

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Berliner Maschinenbau AG (vorm. L. Schwartzkopff), Wildau.

Literatur

Berliner Maschinenbau-Actien-Gesellschaft vormals L. Schwartzkopff (Hg.): 75 Jahre Schwartzkopff. Berlin 1927.

Escher, Felix: Schwartzkopff, Louis. In: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 799-800.

Fleischmann, Birgit: Schwartzkopff, Louis Viktor Robert. In: Berliner biographisches Lexikon. Berlin 2003, S. 393-394.

Haeubner, Hans Dieter (Hg.): Schwartzkopff-Lokomotiven. 1867-1945. Mit Auszügen aus den Werkkatalogen 1928, 1935, 1938 und einem Fabriknummernverzeichnis von 1867-1945. Moers 1986.

Hornung, Irmgard: 100 Jahre Schwartzkopff-Siedlung. In: Wildauer Heimatbuch Teil I. Horb am Neckar 1999, S. 73-80.

Hornung, Irmgard: Casino, Kameradschaftsheim, Volkshaus, Kulturhaus der Schwermaschinenbauer. In: Wildauer Heimatbuch Teil II. Horb am Neckar 2001, S. 313-320.

Klawun, Ruth: Lokomotiven brauchen Platz. Die Schwartzkopffwerke und ihre Werkssiedlung in Wildau. In: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Metropole und Provinz. Provinz und Metropole. Berichte vom 17. Denkmaltag des Landes Brandenburg (= Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmusemus Bd. 22). Worms 2009, S. 32-42.

Raach, Jörg: Faszination Eisenbahn. Bahnkultur in Brandenburg. Berlin 2014.

Steyer, Elfriede: Wie Wildau zum Denkmal wurde. Die Wildauer Schwartzkopff-Siedlung. Entstehen und Entwicklung. In: Heimatkalender Königswusterhausen und Dahmeland 1 (1995), S. 75-81.

Studieren in Wildau. Ein Hochschul-Porträt in Bildern. Wildau 2013.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Maschinenbau#/media/Datei:NME_Weishaupt.jpg

Abb. 2 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schwartzkopff_Louis_Grave_Detail.jpg (Foto: JH- Janßen – CC BY-SA 3.0).

Abb. 3, 5, 10 Studieren in Wildau. Ein Hochschul-Porträt in Bildern. Wildau 2013.

Abb. 4  https://nat.museum-digital.de/object/1008320 (Museum Baruther Glashütte & Georg Goes - CC BY-NC-SA).

Abb. 6  https://nat.museum-digital.de/object/1009012 (Museum Baruther Glashütte / Foto: G. Zwickert - CC BY-NC-SA).

Abb. 7 https://nat.museum-digital.de/object/1009013 (Museum Baruther Glashütte / Foto: G. Zwickert - CC BY-NC-SA).

Abb. 8 SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Franz Stoedtner

Abb. 9 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lok_01_1066_in_Koblenz_(2010-04-03_74).jpg (Foto: Lothar Spurzem - CC BY-SA 2.0 de).

Empfohlene Zitierweise

Berliner Maschinenbau AG (vorm. L. Schwartzkopff), Wildau, publiziert am 28.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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