VEB Kraftwerke Lübbenau-Vetschau

Vinzenz Czech

Am 21. März 1957 beschloss der Ministerrat der DDR das Kohle- und Energieprogramm der DDR, in dessen Folge u.a. die Kraftwerke Lübbenau und Vetschau (im ehemaligen Kreis Calau) errichtet werden sollten. Erstmals waren Wärmekraftwerke auf der Basis einheimischer Rohbraunkohle mit Eigenleistungen bis zu 100 MW bei Blockschaltung geplant, deren Gesamtleistung 1.300 MW bzw. 1.200 MW betrug.

Bereits am 23. Oktober 1957 wurde der Grundstein für das Kraftwerk Lübbenau gelegt. Es war der erste Neubau eines Großkraftwerkes in der DDR. Das Kraftwerk bestand aus drei Werken, Werk I mit den Blöcken 1-6 mit je 50 MW, Werk II mit den Blöcken 7-12 mit je 100 MW und Werk III mit den Blöcken 13-16 mit je 100 MW. Am 17. Dezember 1959 floss der erste Strom von Block 1, im Januar 1960 wurde offiziell der „VEB Kraftwerke Lübbenau“ gebildet. Block 16 ging als letzter Block am 20. Juli 1964 ans Netz und anlässlich des 15. Jahrestages der DDR kurz vor dem 7. Oktober 1964 in den Dauerbetrieb. Weithin sichtbares Zeichen waren die sieben Schornsteine für die drei Werke, jeder mit einer Höhe von 140 Metern (Abb. 1).

Die Grundsteinlegung für das Kraftwerk Vetschau erfolgte am 19. August 1960, der VEB wurde 1964 gegründet. Das Kraftwerk bestand aus zwei Werken mit insgesamt 12 Blockeinheiten mit je 100 MW. Werk I bildeten die Blöcke 1-6, Werk II die Blöcke 7-12. Am 20. November 1964 wurde der Probebetrieb (3. April 1965 Dauerbetrieb) im Block 1, am 14. April 1967 der Dauerbetrieb im Block 12 aufgenommen. Sichtbares Zeichen waren auch hier fünf Schornsteine mit ebenfalls 140 Metern Höhe (Abb. 2).

Zum 1. Januar 1968 legte man beide Kraftwerke zum „VEB Kraftwerke Lübbenau-Vetschau“ mit Sitz in Lübbenau zusammen. Die Werke in Lübbenau behielten die Nummern I-III, die Werke in Vetschau wurden fortlaufend mit Nr. IV und V nummeriert. Der VEB erzeugte zu dieser Zeit ca. 25 % der Elektroenergie der DDR und war somit das größte Kraftwerk der DDR.

Die Kraftwerke unterstanden zunächst dem bezirksgeleiteten „VEB Energieversorgung Cottbus“, ab 1. Januar 1960 der VVB Verbundwirtschaft Berlin und ab 1. Juli 1963 der per Energiewirtschaftsverordnung neu gebildeten VVB Kraftwerke Cottbus. Mit der Bildung des Volkseigenen Kombinates Braunkohlenkraftwerke, Sitz Peitz, per 1. Oktober 1980 wurden sie diesem zugeordnet.

Die Herausforderung Ende der 1950er Jahre bestand darin, einen Kraftwerkskomplex dieser Leistungsgröße in einem ländlichen Raum ohne nennenswerte infrastrukturelle Voraussetzungen in kürzester Zeit quasi auf der grünen Wiese zu errichten. Im Zusammenhang damit wurden in unmittelbarer Nähe Kohlefelder in Seese und Schlabendorf aufgeschlossen, welche die Brennstoffversorgung der Werke übernahmen (Abb. 3). Dies führte zur Devastierung zahlreicher Dörfer zugunsten des Kohleabbaus. Eine ausreichende Wasserversorgung sollte über einen Nebenarm der Spree erfolgen. In Ragow bei Lübbenau und in Märkischheide bei Vetschau entstanden neue Umspannwerke, um den erzeugten Strom in das Energieverbundnetz einspeisen zu können. Es mussten Arbeitskräfte gewonnen, qualifiziert und ausgebildet werden, was mehrere Jahre dauerte. Sowohl in Lübbenau als auch in Vetschau entstanden eigene Stadtviertel, um ausreichend Unterkünfte für die Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig sollte auch die nahe gelegene Spreewaldregion als Erholungsgebiet möglichst wenig beeinflusst werden (Kahl 2009, 121ff.).

Bau und Betrieb der 50 MW- und 100 MW-Blockeinheiten waren für die DDR Neuland, was zu zahlreichen Problemen führte. Block 7 im Werk II in Lübbenau war im Übrigen der erste 100 MW-Block, welcher in der DDR errichtet wurde. So konnte etwa die projektierte Leistung von 100 MW bei den ersten Blöcken nicht erreicht werden. Dies machte gewichtige Umbauten erforderlich. Eine hohe Anfälligkeit wiesen die Anlagen zur Dampferzeugung auf, was erhebliche Störungen und eine hohe Anzahl an Instandhaltungsmaßnahmen nach sich zog. Schwerpunkte der Betriebsführung waren demzufolge die Stabilisierung der Werke, die Schaffung von Reparaturkapazitäten und eine sogenannte „planmäßig vorbeugende Instandhaltung“ (PVI) (Kahl 2009, 124f.).

1971 wurde der „VEB Kraftwerke Lübbenau-Vetschau“ Investitionsauftraggeber für den Bau des Kraftwerkes Jänschwalde. Erste Überlegungen gingen davon aus, ein Kraftwerk Lübbenau-Vetschau-Jänschwalde zu bilden, was aber aufgrund der Größe des neuen Kraftwerkes von sechs 500 MW-Blöcken und den damit verbundenen Herausforderungen wieder verworfen wurde. Nach mehrmaligen Verschiebungen wurde per 1. Januar 1976 der „VEB Kraftwerk Jänschwalde“ separat gebildet.

Ab 1975 musste die Anlagenfahrweise des „VEB Kraftwerke Lübbenau-Vetschau“ vom Grundlast- auf den Regelbetrieb umgestellt werden. Das bedeutete, dass es nicht mehr ständig auf volle Last fuhr, sondern je nach Stromabnahme der Verbraucher die Produktion drosselte oder hochfuhr. Inzwischen waren Kraftwerke mit 210 MW-Blöcken entstanden und 500 MW-Blöcke im Bau, deren Fahrweise weit schwerer zu regeln gewesen wäre (Kahl 2009, 129). (Abb. 4, 5)

1980 waren rund 5.000 Beschäftigte im „VEB Kraftwerke Lübbenau-Vetschau“ tätig. Sie produzierten etwa 13 % der Elektroenergie der DDR. Nach ca. 25 Jahren Laufzeit der Anlagen waren diese mit den normalen Instandhaltungszyklen in den 1980er Jahren nicht mehr zu betreiben. Die Grenze der Lebensdauer war in vielen Bereichen bereits überschritten. Notwendige Rekonstruktionen mussten jedoch aufgrund fehlender technischer Vorbereitung oder materieller Absicherung immer wieder verschoben werden und begannen schließlich 1987 am Block 7 in Lübbenau. Ziel war es, die Lebensdauer der 100 MW-Blockeinheiten um weitere 25 Jahre zu verlängern. Zu den Maßnahmen gehörten jetzt auch geplante Rauchgasentschwefelungsanlagen, die zunächst jedoch nur als Versuchsanlage in Vetschau betrieben wurden (Kahl 2009, 131) (Abb. 6).

1990 erfolgte die Privatisierung der Kraftwerke zur „Vereinigten Kraftwerks AG“. Die absehbare Einführung neuer Umweltgesetzte, ein sinkender Strombedarf durch den Abbau ganzer Industriezweige in der ehemaligen DDR sowie der enorme Rekonstruktionsbedarf führten schließlich am 30. Juni zur endgültigen Stilllegung beider Werke durch die „Vereinigten Energiewerke AG Berlin“ und deren Abriss.

VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 901 VEB Kraftwerke Lübbenau-Vetschau [Siehe: Hier]

Literatur

Kahl, Dieter u.a. (Hrsg.): Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte ehemaliger Braunkohlenkraftwerke (= Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, 10). Cottbus 2009, S. 121-136.

Verch, Katrin: VEB Kraftwerke Lübbenau-Vetschau. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 326-328.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 SLUB / Deutsche Fotothek / Wolfgang Schröter.
Abb. 2 SLUB / Deutsche Fotothek / Wolfgang Schröter.

Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schlabendorf-Nord_1976_2.jpg (Foto: Rainer Kamenz - CC-BY-SA 4.0).

Abb. 4 Bundesarchiv Bild 183-N1016-415 / Werner Großmann.

Abb. 5 Bundesarchiv Bild 183-K1223-406 / Werner Großmann.

Abb. 6 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-1988-1220-022,_Vetschau,_Entschwefelungsanlage.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-1988-1220-022 - CC-BY-SA 3.0).

Empfohlene Zitierweise

Czech, Vinzenz: VEB Kraftwerke Lübbenau-Vetschau; publiziert am 13.10.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.