VEB Kraftwerke „Artur Becker“ Trattendorf
Katrin Verch (bearbeitet und ergänzt von Vinzenz Czech)
An dem ab 1915 südlich von Spremberg errichteten Großkraftwerk Trattendorf erfolgten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Demontagearbeiten im Rahmen der Reparationsleistungen an die Sowjetunion sowie die Enteignung des ehemaligen Betreibers, der „Niederlausitzer Kraftwerke AG“. Fast alle Anlagen wurden ausgebaut. Das „Kraftwerk“ konnte deshalb nur als regionales Umspannwerk genutzt werden. Nach Beendigung der Demontage waren im Umspannwerk noch 90 Mitarbeiter beschäftigt.
Mit der Demontage des Werkes hörte der Energiestandort Trattendorf für Jahre auf zu existieren. Im Rahmen des 1. Fünfjahrplanes 1951-1955 beschloss die Regierung der DDR dann, dass erste neue Kraftwerk der DDR am Standort Spremberg-Trattendorf aufzubauen. Hintergrund für die Standortwahl waren nahe gelegene Kohlevorkommen, noch vorhandene Bausubstanz des Altkraftwerkes sowie der Bauhülle des 1943 begonnenen, jedoch nie fertiggestellten Einheitskraftwerkes jenseits der Spree (Kahl 2009, 97).
Am 1. März 1954 erfolgte die Grundsteinlegung auf dem alten Gelände, welches nun als Werk III bezeichnet wurde (nach dem Altkraftwerk und dem Einheitskraftwerk der dritte Bau am Ort). Der nach der Demontage noch verbliebende Baukörper des alten Kraftwerkes musste dafür abgerissen werden (Abb. 1, 2). Am 21. Dezember 1954 begann der Probelauf der ersten Turbine und am 7. April 1955 ging sie ans Netz. Bis 1957 wurden im Werk III sechs Maschinen mit je 25 MW in Betrieb genommen (Abb. 3, 4).
Im Gegensatz zum Altwerk konnten die Bauten des Einheitskraftwerkes rechts der Spree noch genutzt werden. Das erste, bereits existierende Halbwerk wurde fortan als Werk I bezeichnet und Ende 1955 begann man, Anlagen im vorhandenen Baukörper zu installieren. Ab 1957 entstand das zweite Halbwerk. Insgesamt waren nach Einbau der Maschinen vier Energieblöcke mit je 75 MW Leistung vorhanden. Am 9. März 1960 war das gesamte Kraftwerk mit insgesamt 450 MW am Netz. Ursprünglich sollte das zweite Halbwerk als Werk II fungieren, es setzte sich aber für beide Halbwerke der Begriff Werk I durch (Abb. 3-7).
Mit dem Kraftwerksbau musste auch die Energiefortleitung neu geschaffen werden. So entstand in ca. 5 km Entfernung das Umspannwerk Graustein, an welches das Kraftwerk Trattendorf mit acht 110-kV-Leitungen angeschlossen wurde.
Die Baustelle des Kraftwerkes Trattendorf wurde von der DDR-Führung von Anbeginn zum „Bau der Jugend“ erklärt. Arbeits- und Fachkräftemangel hatte zu einer Anwerbung vor allem junger Menschen in der gesamten DDR geführt, die vor Ort umgeschult und ausgebildet wurden. Am 29. April 1958 erfolgte die Namensverleihung „Jugendkraftwerke Trattendorf Artur Becker“.
Die Wiedererrichtung des Kraftwerkes ab Mitte der 1950er Jahre trug wesentlich zur Entwicklung des nahegelegenen Sprembergs bei, etwa durch den Bau neuer Wohngebiete für die Beschäftigten samt der notwendigen Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen. Die Wohnungen des neu errichteten Wohngebietes Spremberg-Süd, aber auch anliegende Betriebe (u.a. das Aluminiumwerk Lauta oder die Sprela-Werke Spremberg) wurden mit Fernwärme aus dem Kraftwerk versorgt. Zum Produktionsbereich Trattendorf gehörte ab 1960 darüber hinaus auch eine eigene Gewächshausanlage, die per 1. 1. 1975 an das „VEG Roitz“ übergeben wurde. 1967 waren in allen Produktionsbereichen insgesamt 2.926 Arbeitskräfte tätig, 1975 waren es 2.419 Beschäftigte.
1972/73 erfolgten im Werk I Umbauten zur Zweistofffeuerung, bei der neben Kohle auch Erdgas im Pufferbetrieb eingesetzt werden konnte. So sind 1973 vier Dampfkessel vollständig auf den Einsatz von Erdgas umgestellt worden. Dieser Betrieb währte ein knappes Jahr und reduzierte sich dann auf Zünd- und Stützfeuerungen (Kahl 2009, 100f.).
Auf Grundlage der Energiewirtschaftsverordnung vom 18. April 1963 wurde der juristisch selbständige „VEB Kraftwerke Artur Becker Trattendorf“ zum 1. Juli gebildet. Ihm gehörten die Kraftwerke in Trattendorf, Plessa, Lauta und Finkenheerd sowie die „Zentrale Reparaturabteilung Lauta (ZRA)“ als Betriebsteile an. Die Kraftwerke Trattendorf, Plessa und Lauta waren zuvor dem „VEB Energieversorgung Cottbus“ zugeordnet gewesen, das Kraftwerk Finkenheerd dem „VEB Energieversorgung Frankfurt (Oder)“. Wirtschaftsleitendes Organ des „VEB Kraftwerke Artur Becker Trattendorf“ war die zeitgleich am 1. Juli 1963 gebildete VVB Kraftwerke Cottbus.
Mit dem Entstehen weiterer und größerer Kraftwerke wie in Lübbenau und Vetschau wurde ab Ende der 1960er Jahre immer wieder über die Perspektive der vergleichsweise kleinen und unrentablen Kraftwerke in Finkenheerd, Lauta und Plessa beraten. Letztlich wurde nur das Kraftwerk Finkenheerd zum 1. Januar 1970 aus dem „VEB Kraftwerke Artur Becker Trattendorf“ herausgelöst, an den VEB Energiekombinat Mitte, Sitz Potsdam, angeschlossen und zum Heizkraftwerk für Frankfurt (Oder) umgebaut.
Mit der Auflösung der VVB Kraftwerke am 30. September 1980 erfolgte auch die Auflösung des „VEB Kraftwerke Artur Becker“ als selbstständiger Betrieb und die Eingliederung der Kraftwerke Trattendorf, Lauta und Plessa und des Bereiches Montage der „ZRA“ als Produktionsbereiche in den „VEB Gaskombinat Schwarze Pumpe – Stammbetrieb“. Der Bereich Fertigung der „ZRA“ kam zum „VEB Instandsetzung Kraftwerke Peitz“.
Das Gaskombinat wurde 1990 in die „Energiewerke Schwarze Pumpe AG“ umgewandelt. Die Kraftwerke Plessa und Lauta wurden 1992 vom Netz genommen, das Kraftwerk Trattendorf 1996 (Abb. 8, 9). Während die Kraftwerke in Trattendorf und Lauta (und auch das Heizkraftwerk in Finkenheerd) zum Abriss kamen (Abb. 10), wird das Kraftwerk in Plessa als Technikmuseum und Veranstaltungsort weiter genutzt.
VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe
Quellen
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 901 VEB Kraftwerke "Artur Becker" Trattendorf [Siehe: Hier]
Literatur
1915–1995 80 Jahre Kraftwerk Trattendorf. In: Heimatkalender Stadt Spremberg und Umgebung 1995, S. 66-69.
Bedeschinski, Christian: Die Braunkohlenkraftwerke um Spremberg. Berlin 2009.
Kahl, Dieter u.a. (Hrsg.): Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte ehemaliger Braunkohlenkraftwerke (= Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, 10). Cottbus 2009, S. 93-102.
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.): Kraftwerk Trattendorf 1915 – 1996.
Verch, Katrin: VEB Kraftwerke „Artur Becker“ Trattendorf. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 328-330.
Abbildungsnachweis
Abb. 1, 2, 5, 7 https://spremberginfo.de/historisch/Trattendorf/index.htm
Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-45728-0001,_Spremberg,_Kraftwerk_Trattendorf.jpg (Bundesarchiv Bild 183-45728-0001 -- CC-BY-SA 3.0)
Abb. 4 SLUB / Deutsche Fotothek / Heinz Nagel
Abb. 6 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-63776-0001,_Spremberg,_Kraftwerk_Trattendorf.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-63776-0001 - CC-BY-SA 3.0)
Abb. 8 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lageplan_Kraftwerk_Trattendorf_1989.png?uselang=de (Foto: SPBer - CC BY-SA 3.0)
Abb. 9 Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.): Kraftwerk Trattendorf 1915 – 1996.
Abb. 10 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:KW_Trattendorf_nach_der_Sprengung_Schornsteine_W_III.jpg?uselang=de (Foto: SPBer - CC BY-SA 3.0)
Empfohlene Zitierweise
Czech, Vinzenz: VEB Kraftwerke „Artur Becker“ Trattendorf; publiziert am 13.10.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)