Groß Machnow (Landkreis Teltow-Fläming) - frühslawische Gewerbe-Siedlung

René Bräunig, Thomas Kersting 

Die zunehmende Orientierung auf erneuerbare Energie führt nicht nur zur Errichtung von Windkraft- und Biogasanlagen, sondern regt auch den Bau von Produktionsorten für entsprechende Technologieträger an. So begann im Sommer 2007 der Bau einer Fabrik für Solarzellenträger am Ostrand von Groß Machnow. Der Ort ist am Süd- und Westrand von einer großen Niederung umgeben, an deren Rändern sich Belege fast aller urgeschichtlichen Kulturen finden. Abseits der Niederung und topografisch oberhalb der Siedlungen finden sich Gräberfelder, ein für weite Gebiete Brandenburgs vertrautes Bild. Für das betroffene Areal selbst fehlten Hinweise auf eine derartige Siedlung bisher gänzlich, eine solche war angesichts bekannter Bodendenkmale in der Nähe (aus Stein-, Eisen- und Slawenzeit) jedoch zu vermuten. Im Zuge der Erdarbeiten wurde das Planum nach Bodenabtrag durch die Untere Denkmalschutzbehörde des Landkreises Teltow-Fläming kontrolliert und Siedlungsspuren festgestellt.

Erst bei der daraufhin verfügten Flächengrabung wurde der mehrperiodige Charakter der Fundstelle erkannt. In urgeschichtlicher Zeit existierte an dieser Stelle vermutlich ein abgegrenztes Feuchtgebiet, das durch Aufstauung von Oberflächenwässern während feuchter Klimaphasen wohl als Offengewässer ausgebildet gewesen war, später wuchsen hier Torfschichten auf. Wahrscheinlich wurde das Areal durch mittelalterliche oder frühneuzeitliche Meliorationsmaßnahmen von seinem Wasserzufluß abgeschnitten und fiel trocken. Bereits auf dem preußischen Urmesstischblatt ist es nicht mehr als Feuchtgebiet verzeichnet (Abb. 1).

Im Nordteil der Fläche fanden sich Siedlungsspuren der mittleren Bronzezeit und der älteren Eisenzeit. Die letztere erfolgte zeitgleich mit der Belegung eines Gräberfeldes, das in Sichtweite auf dem Groß Machnower Mühlberg bekannt ist, und markiert wahrscheinlich einen einzelnen Hof. Gemeinsam mit den Bewohnern anderer Höfe rund um den Mühlenberg nutzte man die leichte Anhöhe nördlich der Grabungsfläche als Grabstätte. Ein kleiner Gebäudegrundriß aus 3 Pfostenjochpaaren konnte erkannt werden, der zahlreiche zeitgleiche Parallelen im mitteldeutschen Raum hat. Die Beprobung von Phosphaten aus dem Bereich des Hausgrundrisses ergab eine Konzentration im Südosten, wo der Gebäudeeingang zu vermuten ist. Nach Ausweis der C14-Proben aus den Pfostengruben bestand dieses Gebäude im 4./3. Jahrhundert v. Chr. Aus dieser Zeit sind in Brandenburg nur wenige Hausgrundrisse bekannt.

Am südlichen Rand konnte eine Siedlung der frühen Slawenzeit mit insgesamt 8 Grubenhäusern aus der Zeit des 7. bis 9./10. Jahrhunderts n. Chr. dokumentiert werden. Überwiegend hatten diese eher einen quadratischen Grundriß von 2 mal 2 m Ausdehnung, doch fanden sich auch ovale Gruben von 2,5 mal 3,5 m Grundfläche. Bei der Keramik finden sich sowohl kleine gedrungene als auch schlanke, hohe Gefäße. Beiden gemeinsam ist eine hohe Schulter, ein leicht nach außen gestellter Rand und die anorganische Magerung des Materials (Abb. 2, 3).

Von insgesamt 370 geborgenen Keramikfragmenten weisen 262 (70 %) Nachdrehspuren auf, die meist auf den Rand- und Schulterbereich beschränkt sind. Nur in einem Befund wurden ausschließlich Scherben ohne Nachdrehspuren gefunden, in einem weiteren traten hingegen ausschließlich nachgedrehte Scherben auf. Insgesamt wurden 39 Randfragmente geborgen, wobei 27 (69 %) wohl mittels eines Holzes abgestrichen wurden.

Lediglich 10 Scherben (2,7 %) wiesen Verzierungen auf: Dabei zeigt ein Fragment eine einzeilige, sehr steil und unregelmäßig verlaufende rechtsläufige Wellenlinie oberhalb der Schulter, das zahlreiche Parallelen unter frühslawischer Keramik im nordwestslawischen Raum besitzt (Abb. 4). Ein weiteres Stück mit Kammstrich-Wellenzier oberhalb der Schulter lässt sich auch schon mit dem Motivschatz der mittelslawischen Menkendorfer Ware verbinden (Abb. 5 oben). Das Gleiche könnte auch für ein Leiterbandmotiv oberhalb der Schulter auf einer einzelnen, stärker verzierten Gefäßscherbe gelten, doch das Stück scheint eher dem Feldberger Typ zuzuweisen zu sein, wo solche Verzierung ebenfalls vorkommt (Abb. 5 unten). Es stammt aus einem Grubenhaus mit innen liegender Feuerstelle.

Unter den neun Resten von Gefäßböden wurde lediglich in einem Falle ein Achsabdruck einer Drehscheibe beobachtet. Als einzige keramische Sonderform trat ein Rand eines Backtellers auf. Zwischen den Nachdrehspuren und dem Abstreichen des Randes besteht kein direkter Zusammenhang, Verzierungen treten dagegen ausschließlich mit abgestrichenen Rändern auf.

Allen Keramikfragmenten gemeinsam ist das Auftreten von Wischspuren auf der Außenseite der Gefäße. Neben dem frühslawischen Erscheinungsbild der Befunde sind also auch die keramischen Funde hauptsächlich diesem kulturellen Habitus zuzuordnen. Das mit Leitermotiv verzierte Fragment scheint das Bestehen des Siedlungsplatzes bis in die Mitte des 9. Jahrhunderts zu belegen.

Als einziger metallischer Fund konnte aus der Verfüllung eines Grubenhauses ein kleiner Silberring geborgen werden. Daneben wurde ein Wetzsteinfragment aus Granit entdeckt.

Am südlichen Rand des Siedlungsplatzes fanden sich Reste einer einzelnen Teerschwele, die im Ein-Topfverfahren betrieben wurde.

Des Weiteren fanden sich die Reste von mindestens zwei Ofenanlagen, deren eine mit ihrer guten Erhaltung überraschte (Abb. 6). Sie zeigte einen dreifach gegliederten, funktional bestimmten Aufbau. Für den Funktionsraum ließen sich Staken einer Überkuppelung nachweisen, die mit Lehm verkleidet war. Das Feuer brannte im davor angeordneten Schürhals und sorgte für Temperaturen zwischen 600-1000 °C, was der Verziegelungsgrad des umgebenden Lehms belegt. Eine Vertiefung im Randbereich zwischen Ofen und Schürhals könnte auf ein eingelassenes Brett hindeuten, welches zur besseren Reinigung des Ofeninneren diente. Neben den Spuren von Staken weist die Befundlage darauf hin, dass über der Ofenkuppel ein Schutzbau bestand. Über die Arbeitsgrube wurde die Asche des Ofens entsorgt und der Ofen erneut beschickt. An den Rändern des Kuppelinneren zeigten sich Spuren vom Einsatz eines Holzspatens während des Ofenbaus.

Die Ofenanlagen und die danebenliegenden Grubenhäuser wurden wohl in einem gemeinsamen, funktionalen Zusammenhang errichtet. Auf der insgesamt ca. 10.000 m² umfassenden Untersuchungsfläche konnten lediglich 14 frühslawische Befunde erfasst werden. Nachfolgende Begleitungen von Straßenbaumaßnahmen erbrachten keine weiteren Befunde, der Fundplatz muß somit als komplett untersucht gelten.

Die dank des Entgegenkommens des Investors, der Conergy Real Estate, aus den geborgenen Holzkohleproben gewonnenen Radiokarbondaten lassen eine Zweiphasigkeit des Platzes erkennen. Danach wurde ein Teil der Grubenhäuser spätestens während des 7. Jahrhunderts (cal. 549-645 A.D.) errichtet, andere wohl bis zur Mitte des 9. bzw. 10. Jahrhunderts (Auskunft Prof. Dr. P. M. Grootes, Leibniz Labor für Altersbestimmung und Isotopenforschung der Christian-Albrechts-Universität Kiel).

Die ältere Phase erscheint im Lichte moderner Forschungen zur Frühgeschichte der Slawen in Brandenburg ungewöhnlich früh. Vergleichbare Radiokarbondaten liegen aus dem Brandenburger Raum kaum vor, sie stammen aus älteren Untersuchungen, weisen einen hohen Standardfehler auf und sind unkalibriert, was einen Vergleich erschwert. Die frühen Radiokarbondaten legen nahe, dass wohl ein Teil der Befunde einer Einwanderungsphase schon am Ende des 7. Jahrhunderts angehört.

Die Keramik zeigt jedoch überwiegend entwickelte Formen frühslawischer Keramik, so der hohe Anteil nachgedrehter Keramik und die abgestrichenen Ränder. Dagegen ist der Anteil verzierter Keramik gering. Vielleicht lässt sich dies über den Funktionszusammenhang der Befunde erklären. Offenbar gehören sie nicht zum Kernbereich, sondern sind als Peripherie abseits eines noch unentdeckten Siedlungszentrums zu verstehen. Die Zweckbestimmung der Blockhäuser steht im Zusammenhang mit den Ofenanlagen, die wegen der Gefahren ihres Betriebes abseits der Wohnareale errichtet wurden. Augenfällig ist das Fehlen von Brunnen, Herdstellen und Lehmentnahmegruben, welche sonst regelhaft derartige Fundplätze begleiten. Die hier in Gebrauch befindliche schlichte Keramik ist vielleicht daher stärker funktional bedingt als in zentralen Siedlungsteilen.

Trotz soziokultureller und ethnischer Unterschiede folgen dem eingangs geschilderten Siedlungsmuster sowohl die Siedler der vorrömischen Eisen- und römischen Kaiserzeit, als auch die neuen slawischen Gruppen. Im Gebiet zwischen Groß Machnow und Königs Wusterhausen finden sich, bedingt durch den guten Stand der Bodendenkmalpflege, ungewöhnlich viele Belege für slawische Siedlungen. Wie die Verbreitungskarte zeigt (Abb. 7), hält sich das Siedlungsmuster der Slawenzeit zunächst an das der vorangegangenen Epoche, der Kaiserzeit, indem die siedlungsgünstigen Randlagen der leicht erhöhten Platten in sogenannter „Ökotopengrenzlage“ genutzt werden. Hier konnte man die Vorteile hochwasserfreier Lage mit kurzen Wegen sowohl zu Wasserstraßen und Fischgründen sowie feuchten Weideflächen für das Vieh als auch den an den flachen Hängen gelegenen Ackerflächen verbinden. 

Unmittelbar südöstlich der Groß Machnower Frühslawen-Siedlung hatte sich in der frühen bis späten Kaiserzeit ein bedeutendes germanisches Siedlungsareal befunden, das mit gut ausgestatteten Begräbnisplätzen aller Zeitstufen, sowie einer Siedlung mit Metall- und anderen technischen Produktionsanlagen versehen war. Die slawische Siedlung mit ihren jetzt neuen frühslawischen Befunden und den dezidiert frühen C14 Daten bildet nun offenbar die bislang fehlende „Klammer“ zwischen dieser kaiserzeitlich- und früh-völkerwanderungszeitlichen Vorgänger-Siedlungskammer und dem früh- und mittelslawischen Burgwall-Komplex um den Pennigsberg bei Mittenwalde. Von der erhöht gelegenen Groß Machnower Siedlung nur in 2,5 bis 3 Kilometer Luftlinie entfernt, und an der markanten Landmarke des „Weinberges“ vorbei in Sichtweite gelegen, hatte sich hier im 9./10 Jahrhundert eine Siedlungskammer herausgebildet, in der sich zwei mittelslawische Burgwall-Standorte (Pennigsberg und der Burgwall in den Weinbergwiesen) einander ablösten. Diese Abfolge mündet in der deutschen Burg und Herrschaft Mittenwalde, wobei allerdings eine besiedlungsgeschichtliche Kontinuität der Zentralfunktionen seit der Slawenzeit nicht gegeben zu sein scheint. Dass die randlich gelegene Groß Machnower Siedlung dieser Siedlungskammer zugerechnet werden kann, ist chronologisch nicht auszuschließen (C14 Daten bis Ende 10. Jh.). Andererseits lag der frühslawischen Epoche sicher zunächst eine andere, nämlich weniger zentralisierte „Raumnutzungskonzeption“ zugrunde als der Zeit, in der von Burgwällen aus der umgebende Raum gegliedert, genutzt und beherrscht wurde. Allerdings scheint sich im engeren Raum um Groß Machnow selbst (einschließlich Rangsdorf und Dahlewitz) ein Burgwall nicht herausgebildet zu haben; die bekannten Burgwall-Anlagen von Zossen und Nächst Neuendorf sind dafür jedenfalls zu weit entfernt.

 

Dieser Beitrag erschien unter dem Titel: Thomas Kersting / René Bräunig: Solarkollektor und Radiokarbondatum - Frühslawen bei Groß Machnow, Lkr. Teltow-Fläming. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2007. Darmstadt 2009, S. 99-103.

Literatur

Dulinicz, Marek: Frühe Slawen im Gebiet zwischen unterer Weichsel und Elbe (= Studien zur Siedlungsgeschichte und Archäologie der Ostseegebiete; 7). Neumünster 2006.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Staatsbibliothek Berlin PK.

Abb. 2-5 René Bräunig.

Abb. 6 M. Härtel, BLDAM, 2009.

Empfohlene Zitierweise

Bräunig, René / Kersting, Thomas: Groß Machnow (Landkreis Teltow-Fläming) - frühslawische Gewerbe-Siedlung, publiziert am 14.12.2023; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Ur- und Frühgeschichte
Themen: Archäologie und Siedlung


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