Lebuser Silberschatz

Felix Biermann, Thomas Kersting, Markus Leukhardt, Frank Slawinski

Im Oktober 2015 konnte Frank Slawinski bei Lebus einen großen Schatz aus der Slawenzeit entdecken, der nicht nur an sich ein spektakulärer Fund ist, sondern auch direkt in eine dramatische historische Epoche führt. Damals war Lebus als slawische Burgstadt eine Metropole an einer der wichtigsten Verkehrs- und Kommunikationsachsen Mitteleuropas – der Oder, die als Wasserstraße Mähren und Schlesien mit der Ostsee-Handelszone verband. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts grenzten hier überdies verschiedene Herrschaftsbereiche aneinander: das polnische Herzogtum, das Deutsche Reich und die Gebiete der noch heidnischen Ukranen und Liutizen – archaisch verfasste kriegerische Stämme um ihren Haupttempel Rethra; nordöstlich siedelten die nicht minder kämpferischen Pomoranen. Hier gab es häufig Anlass, Schätze zu verbergen, aber man konnte auch viel verdienen und einen solchen Schatz zusammentragen, der mit etwa zwei Kilogramm Silber doch ein erhebliches Vermögen bildete.

Der Schatz wurde auf einem ausgeprägten Bergsporn 2,5 km südlich von Lebus vergraben, und zwar an einem sehr steilen Abhang fernab jeder Besiedlung. Der Besitzer hatte offensichtlich einen entlegenen, einsamen und schwer einsehbaren Platz gewählt, was sinnvoll erscheint, wenn man seinen Reichtum der Erde anvertraut. Vermutlich diente ein Baum oder ähnliches zur Orientierung für die geplante erneute Hebung.

Bei der Grabung (Abb. 1) erwies sich, dass das Schatzgefäß ohne weitere Vorkehrungen etwa 45 cm tief in einer Mulde vergraben worden war. Es handelt sich um einen spätslawischen Topf des Vipperower Typs, komplett gefüllt mit den Silbermünzen. Diese waren zusätzlich mit einem Leinengewebe abgedeckt worden. Der Fund umfasst gut 2200 ganze und halbe Silbermünzen, fast ausschließlich sogenannte „Hochrandpfennige“ (Abb. 2). Diese Münzsorte wurde zwischen etwa 965 und etwa 1120 in verschiedenen Münzstätten geprägt, vor allem des Magdeburger Raumes, der Saaleregion und des Raumes Meißen-Oberlausitz. In der Regel tragen die Münzen als Umschrift einen Kreis aus Strichen oder Keilen, in den einzelne Symbole oder Buchstaben eingestreut sind, die entweder keinen Sinn ergeben („Trugschrift“) oder die Abkürzung einer religiösen Formel („XP“ für Christiana Religio, „CRVX“ = Kreuz) darstellen (Abb. 3). Als Münzbilder begegnen uns Kreuze, Kirchengiebel, seltener Krummstab, Fahnenlanze und Buchstaben. Gut zwei Drittel der Münzen wurden bisher bestimmt – vorwiegend Kleeblattkreuzpfennige aus der Meißen-Oberlausitz-Region, geprägt etwa 1030–1050, und Balkenkreuzpfennige aus dem Saalegebiet von etwa 1025–1060. Des Weiteren fanden sich Magdeburger „Holzkirchenpfennige“ sowie ein seltener Hochrandpfennigtyp des Bischofs Eberhard von Naumburg, geprägt zwischen 1050–1065 und Otto-Adelheid-Pfennige. Die Verbergung des Schatzes dürfte um 1060/65 erfolgt sein. Ältere Typen, wie die um 1030 endenden Magdeburger Pfennige, weisen durchweg einen stärkeren Abnutzungsgrad auf, die jüngeren Typen erscheinen frisch; offenbar wurde der Münzbestand dem aktuellen Geldumlauf entnommen und nicht über Jahrzehnte zusammengespart – das Vermögen eines Händlers. Auffallend viele der Münzen tragen feine Einstiche, offenbar mit einer Messerspitze, wohl zur Prüfung der Echtheit; etliche sind auch einfach oder doppelt gelocht.

Die Verbergung des Schatzes steht sicher mit dem bedeutenden Handels-, Herrschafts- und Handwerkszentrum in Lebus in Verbindung, das damals unter polnischer Herrschaft stand, auf dessen Märkten großer Wohlstand erworben wurde, das aber auch beständig einen Brennpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen bildete. Ein solches Vermögen ließ sich sicherlich im Fernhandel auf der Oder gewinnen. Hier konnten Personen, die etwa Sklaven und Kleintierpelze (sogenanntes Rauchwerk) aus dem slawischen Binnenland an die Ostseeküste brachten und von dort baltischen Bernstein, skandinavische Tracht- und Schmucksachen in den Süden holten, sehr viel verdienen; auch von West nach Ost verliefen lukrative Austauschwege.  

Ob der Schatz als Rücklage für schlechte Zeiten verborgen wurde oder in einer konkreten Gefahrensituation, bleibt der Phantasie überlassen. Nur eines ist in solchen Fällen immer eindeutig: Der Besitzer konnte den Schatz nicht mehr bergen. Er ist zuvor zu Tode gekommen und hat das Wissen um sein Silber mit ins Grab genommen. Das mag dafürsprechen, dass es tatsächlich kriegerische Ereignisse waren, die zu seiner Verbergung und zum Tod seines Besitzers geführt haben. 950 Jahre lag er dann auf dem Berg, bis er wiederentdeckt werden konnte und uns nun wichtige Einblicke in die Wirtschaftsgeschichte des spätslawischen Oderraums ermöglicht. Seine Präsentation im Heimatmuseum Lebus lockte an einem Tag über 500 Interessierte an (Abb. 4).

 

Der Beitrag erschien unter dem Titel: Kersting, Thomas / Slawinski, Frank / Biermann, Felix: „2 Kilo Silber". In: Archäologie in Deutschland Heft 3 (2016), S. 41 – 42.

Literatur

Stoll, Hans-Joachim: Lebus. In: Herrmann, Joachim (Hrsg.): Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik. Denkmale und Funde. 2. Funde und Fundorte. Leipzig u.a. 1989, S. 639–643.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 3, 4 Th. Kersting, BLDAM.

Abb. 2 F. Slawinski.

Empfohlene Zitierweise

Biermann, Felix / Kersting, Thomas / Leukhardt, Markus / Slawinski, Frank: Lebuser Silberschatzfund, publiziert am 10.10.2023; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Ur- und Frühgeschichte
Themen: Archäologie und Siedlung


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