Slawenzeitliche Burgwälle

Thomas Kersting

Slawische Befestigungsanlagen - heute noch ein Thema der Archäologie? Sind sie nicht durch einschlägige Regelungen des Denkmalschutzgesetzes Eingriffen wie Erdarbeiten oder „Lustgrabungen“ gleichermaßen entzogen und ansonsten ohnehin bestens erforscht?

Angesichts spektakulärer neuerer Grabungsergebnisse lässt sich ein ungebrochenes Interesse an dieser Denkmalgattung nachvollziehen, sie dokumentieren die Aktualität des Burgwalles als Objekt der Bodendenkmalpflege und der Ausgrabungstätigkeit gleichermaßen.

Als auffälligste Bodendenkmale - nicht nur der Slawenzeit - haben die zahlreichen Befestigungsanlagen (im Folgenden einfach Burgwälle) schon früh Interesse und Phantasie von Laien und Gelehrten angeregt; dies spiegeln Bezeichnungen wie „Römerschanze“ bei Potsdam (Abb. 1), „Schwedenschanze“ bei Lossow (Abb. 2) oder „Räuberberg“ bei Phöben (Abb. 3) wieder. Häufig mehrere Meter hoch erhalten sind sie gut sichtbare - im Denkmalpflege-Deutsch „erlebbare“ - Bodendenkmale; es gibt allerdings auch völlig eingeebnete, die sich nur aus der Luft erschließen (Abb. 4, 5) oder gar völlig überbaute im Stadtraum oder unter Dörfern, die nur per Zufall ans Licht kommen (Abb. 6)

Forschungsgeschichte

Ohne an dieser Stelle allzu tief einzudringen, seien einige Stationen genannt (vgl. Kersting 2009; ders./Biermann 2017; dies. 2020). Seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts war es u.a. Rudolf Virchow gelungen, die damals sogenannte Keramik vom „Burgwalltyp“ als slawisch zu identifizieren, womit auch für zahlreiche, bislang als urgeschichtlich angesehene Burgwälle zumindest deren Nutzung, wenn nicht Entstehung in slawischer Zeit erkannt worden war. Eine Gliederung des Materials in zunächst zwei, später drei Stufen oder Stile folgte, letztere anhand der Keramik des Burgwalles Riewend im Havelland, wo Alfred Götze 1901 unverzierte, kammstrich- und gurtfurchenverzierte Keramik unterschied. Damit war eine handliche Gliederung gefunden, die durch Carl Schuchardt 1919 mit den Stufen früh-, mittel- und spätslawisch parallelisiert wurde. Als deutlich wurde, dass die Keramikstile nur zum Teil Zeitstufen entsprechen, schlug Wilhelm Unverzagt 1955 - auch in Bezug auf die Burgwälle selbst - eine Einteilung lediglich in älter- und jüngerslawisch vor; unter Zusammenfassung der bisher früh- und mittelslawischen zur älterslawischen Keramik. Während dieser Horizont das 7./8. bzw. 9./10. Jahrhundert umfasst, reicht der jüngerslawische Abschnitt bis in die Zeit der endgültigen Überlagerung durch deutsche Expansion und Kolonisation in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts.

Frühe Grabungen fanden zunächst an herausragenden Objekten wie der Römerschanze bei Potsdam oder dem Burgwall von Lossow bei Frankfurt/Oder statt, die durchaus nicht nur slawisch sind, sondern urgeschichtlich und in der Slawenzeit nachgenutzt und adaptiert wurden, aber auch in Riewend (Abb. 7) und Ketzin.

Die Gründung einer „Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der Nord- und Ostdeutschen Wall- und Wehranlagen“ 1929 unter der Federführung von Carl Schuchardt und Wilhelm Unverzagt führte zu planmäßigen Grabungen in Form von Sondage- und Wallschnitten sowie der Anlage einer „Burgwall-Kartei“. Diese mündete später u.a. im Werk von Joachim Herrmann über die Burgwälle von „Groß-Berlin“ und dem Bezirk Potsdam. Untersucht wurden in dieser Phase zunächst größere und markantere Anlagen wie u.a. der Räuberberg bei Phöben, eine Niederungsburg auf einer mit Wall abgeriegelten Halbinsel, sowie Höhenburgen wie der Eichelberg bei Deetz und der Burgwall von Reitwein (Abb. 8) bei Lebus, auch der Burgberg von Lebus (Abb. 9) selbst und wieder die Römerschanze.

Umfangreiche und langandauernde Grabungen des „Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie“ (ZIAGA) der Akademie der Wissenschaften an herausragenden Plätzen dokumentieren das hohe Interesse auch der DDR-zeitlichen Forschung an der Archäologie der Slawenzeit. Für unseren Raum sind vor allem die Grabungen in Tornow und Vorberg durch Joachim Herrmann im Niederlausitzer Braunkohlenrevier zu nennen, aber auch spätere Untersuchungen durch Mitarbeiter des „Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam“ in Presenchen, Schönfeld (Abb. 10) und Raddusch (Abb. 11). Das Braunkohlegebiet bot sich für weitgehend vollständige flächige Untersuchungen an, da hier die slawischen Anlagen der Abbaggerung mehr oder weniger komplett anheimfielen.

Aber auch in anderen Landschaften, wie z.B. im Havelland, wurden zahlreiche Sondageuntersuchungen, meist in Form von kleineren Wallschnitten, vorgenommen; auch hier oftmals durch Mitarbeiter des „MUFP“, stellvertretend sei vor allem der Name von Klaus Grebe angeführt.

Im Ortsarchiv des Archäologischen Landesamtes in Wünsdorf sind derzeit (2023) fast 250 als slawisch einzuordnende Burgwälle bekannt (Abb. 12). Diese Formulierung beinhaltet schon eine gewisse Unschärfe, der man diesem Zusammenhang aus unterschiedlichen Gründen noch öfter begegnet. Eingebettet in die Gesamtverbreitung - es gibt etwa 3000 im gesamten westslawischen Raum - wird klar, dass es sich um ein allgemein gängiges Phänomen im östlichen Mitteleuropa handelt. Die Karte zeigt im westlichen Teil des Landes eine relativ gleichmäßige Verteilung, unabhängig also von den unterschiedlichen Naturräumen wie Fläming oder Havelland. Im östlichen Teil sind sie etwas dünner gesät, Uckermark und Frankfurter Raum bilden schwache Konzentrationen, während im Süden, in der Niederlausitz ein deutlicher Verbreitungsschwerpunkt zu erkennen ist.

Projiziert man diese Verteilung auf eine Karte der Gesamtverbreitung slawischer Fundplätze, decken sich beide - nicht überraschend - im Wesentlichen. Man hat die regionale Schwerpunkte bildende Verbreitung der slawischen Fundplätze und die offenbar - und sicher nicht nur scheinbar - leeren Zonen dazwischen schon früh mit naturräumlich abgegrenzten Siedlungsgebieten in Verbindung gebracht; ob diese im Detail wiederum mit den in zeitgenössischen Quellen aufgezählten „Stämmen“ übereinstimmen, ist letztlich nicht beweisbar. Auffällig ist, dass auch anscheinend geringer besiedelte Regionen wie der Fläming mit Burgwällen gut bestückt sind, während offensichtlich dichter besiedelte Regionen wie Havelland und Uckermark nicht im gleichen Maße mehr Burgwälle aufzuweisen haben.

Insgesamt entsteht damit der Eindruck einer deutlichen Raumbezogenheit des Phänomens Burgwall, also einer Zuordnung zu einem jeweils etwa vergleichbaren Gebiet, einer Siedlungskammer. Auch hier wieder auffällig die Niederlausitz mit unverhältnismäßig vielen Burgwällen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fundplätze, so dass hier wohl mit entsprechend kleineren Einheiten zu rechnen sein dürfte.

Auch bei der kleinräumigen Betrachtung - mehrere Brandenburgische Landschaften sind für die Slawenzeit in akademischen, leider meist unpublizierten Abschlussarbeiten aufgearbeitet - deutet sich häufig ein Bezug jeweils mehrerer Siedlungen auf einen einzelnen, oft zentralen Burgwall an, was im Sinne zusammengehöriger Siedlungskammern mit einem jeweiligen „Burgenvorort“ zu interpretieren sein dürfte. Ob man in diesem Phänomen den archäologischen Niederschlag eines wie auch immer gearteten „altslawischen Burgbezirk – Systems“ erkennen darf, sei dahingestellt - letztlich ist noch nicht einmal die Gleichzeitigkeit der jeweiligen Siedlungen nachweisbar. Die Schriftquellen sprechen hier von „civitates“ - ohne dass man genau wüsste, was damit eigentlich gemeint ist. Die Lage der Burgwälle nimmt jedenfalls regelhaft Bezug auf strategische Gegebenheiten wie Straßenverläufe, Gewässer-Übergänge oder allgemein auf Flussläufe.

Bezüglich der Form, der Grundrisstypen, ist davon auszugehen, dass sie zunächst im Wesentlichen geländeabhängig war. Dies gilt vor allem für die auffälligen Groß-Anlagen. Man passte sich dem Verlauf der Höhenlinien an, riegelte einen Gelände- oder Halbinselsporn ab etc., wenn man nicht - wie erwähnt - überhaupt ältere Anlagen neu nutzte. Fälle von Nachnutzung neolithischer Kreisgrabenanlagen sind höchst wahrscheinlich, wie im Falle der Anlagen von Berge und Dyrotz im Havelland (aus der Luft) zu beobachten - die genaue Platzierung der slawischen Kernburg im Zentrum der älteren Anlagen ist wohl kaum zufälliger Natur. Beim Normalfall des Burgwalls im mehr oder weniger flachen Gelände handelt es sich um Rundwälle von meist etwa 40 bis 80 Metern Durchmesser, die aber durchaus auch kleiner oder größer sein können, wie z.B. beim Burgwall von Stücken (Abb. 13). Sie scheinen typisch für das gesamte westslawische Gebiet zwischen Elbe und Oder zu sein; eine metrische Einteilung wird den historischen Gegebenheiten wohl nicht gerecht. In unserem Raum ist dieser Burgentyp - das bringt die eiszeitlich geprägte wasserreiche Topographie mit sich - meist als Niederungsburg in Sporn- oder Insellage ausgebildet. Seltener sind zwei- oder mehrteilige Anlagen, wo zur Rund- oder Kernburg noch eine befestigte Vorburg hinzutritt, wie beim Fresdorfer Borchelt (Abb. 14) (s.u.).

Konstruktion und Funktion

„Sie gehen zu Wiesen, reich an Wasser und Gestrüpp, stecken dort einen runden oder viereckigen Platz ab...“ (Jacob 1927, 12). So beginnt der Bericht des jüdisch-arabischen Handlungsreisenden Ibrahim Ibn Jacub in den 60er Jahren des 10. Jahrhunderts, der den Burgwallbau bei den Slawen aus eigener Anschauung schildert.

Die Wallbreiten liegen zwischen 5 und 15 Metern und sind offenbar von der eigentlichen Burgengröße unabhängig. Die Wälle sind grundsätzlich als Holz-Erde-Konstruktion ausgeführt - sie bestehen mithin aus praktisch überall und (fast) unbegrenzt zur Verfügung stehenden Materialien. Dass man angesichts der benötigten Mengen an Holz durchaus an die Grenzen der natürlichen Ressourcen gelangte, haben Berechnungen erwiesen. Man muss wohl davon ausgehen, dass in irgendeiner Weise eine Art von Holzwirtschaft betrieben wurde, um das Nachwachsen des Rohstoffes sicherzustellen. Alle diversen Konstruktionen beruhen auf dem einen Ziel, die Tendenz zum Auseinanderfließen der Erdmassen des Walles aufzuhalten, was letztlich auf Dauer nie gelang; ja mit den im Boden verankerten Hölzern und ihrer Tendenz zum Verfall nach wenigen Jahren, maximal wenigen Jahrzehnten, schon in ruhigen Zeiten nicht gelingen konnte - ganz abgesehen von der Brandanfälligkeit bei kriegerischen Ereignissen.

Die vielfältig beschriebenen Kasten-, Rost-, Anker- und sonstigen Konstruktions-Spielarten seien hier nur summarisch in Rekonstruktion und Befund angedeutet (s.Modell Schönefeld Abb. 10). Die Palette reicht vom einfachen Erdwall mit vorgesetzter Palisadenwand über Kasten-Bauweise mit Erdfüllung und Anschüttung innen und außen bis zur Rost-Bauweise mit wallparallel und quer gelegten Holzstammpackungen sowie zahlreichen Kombinationen und Übergangsformen (Abb. 15), Blick in die Wallkonstruktion der Burg Lenzen). Eine wichtige Rolle spielen jeweils Verankerungen mit Asthaken und Ösenbalken, die das Abrutschen der Holzlagen verhindern sollen. Mörtellose Trockenmauern, die aus plattigem Gestein sein müssen, spielen in Brandenburg mangels natürlicher Vorkommen keine Rolle, wenngleich Lagen und Reihen aus unbehauenen Feldsteinen, bisweilen bis hin zu regelrechten Packungen, durchaus vorkommen. Auch dichte Lehmpackungen an der Außenseite sollten, wo der Rohstoff vorhanden war, die Haltbarkeit verlängern und die Brandgefahr verringern. Es ist damit zu rechnen, dass ein solcher Holz-Erde-Wall eine Dauerbaustelle war, ständig wird hier etwas zu flicken und auszubessern gewesen sein. Begrenzte archäologische Untersuchungsschnitte an einer Anlage lassen also kaum Aussagen zu über Gesamt-Burgwall -Phasen als vielmehr über lokale Schadensereignisse (Abb. 16), wie z.B. an der Burg Lenzen-Neuehaus.

Die den Wall umgebenden Gräben sind meist als Sohlgräben ausgebildet und lieferten den Erdaushub für den Wall. Auch im Inneren sind bisweilen wallbegleitende Gräben vorhanden, die sich im archäologischen Befund auch als Reihen von Gruben darstellen können.

Als konstruktives Zubehör sind Tore unerlässlich und auch in Brandenburg mehrfach gut untersucht. Ein Bohlenweg führte von außen bis an und durch das Tor, das tunnelartig durch den Wall führte und auch manchmal erneuert oder verlegt wurde. Turmbauten, die über einem Tor sinnvoll vorstellbar wären, sind hierzulande nirgends wirklich nachgewiesen; wenngleich etwas in der Art existiert haben wird; anhand massiverer Pfostenspuren können sie nur vermutet werden.

Über die Innenstruktur der Burgwälle (Abb. 17) sind wir im (seltenen) Falle flächiger Grabungen gut unterrichtet, man trifft auf Spuren von oberirdischen Bauten unterschiedlicher Funktion, in der Regel in Blockhaustechnik, offenbar nur in der Lausitz auch als Pfostenbauten. Dielenböden, Lehmestriche, Herdstellen, Lehmwannen und Mahlsteine zeugen von einer Nutzung zu Wohn- und Speicherzwecken. An eingetieften Strukturen begegnen Brunnen und Speichergruben. Gerade bei den kleineren Ringwällen ist wohl damit zu rechnen, dass im Inneren überwiegend Speicher- und Versorgungsbauten vorhanden waren und nur eine eingeschränkte Wohnnutzung stattfand. Die eigentlichen Wohnbereiche der Bevölkerung sind in diesen Fällen außerhalb zu suchen. Ein Ausschnitt einer solchen Vorburgsiedlung konnte z.B. beim Burgwall von Wildberg untersucht werden. Auch hier fand sich innen entlang des Walles der Vorburg eine Grubenreihe. Aufgrund der Funde kommt zumindest stellenweise eine Ansprache als Stallungen in Frage. Eine Vorburgsiedlung ist auch beim Burgwall von Leegebruch im Havelland bekannt, anhand einer Oberflächenkartierung der Funde konnten Hausstellen erkannt und später z.T. ausgegraben werden. Beim Burgwall von Presenchen konnte anhand einer Phosphatkartierung die Vorburgsiedlung erkannt werden.

Von einer konkreten Funktion der Wallanlagen über den rein fortifikatorischen Zweck hinaus ist wenig bekannt. Mangels größerer archäologisch dokumentierter Aufschlüsse im Innenraum gerade der großen Anlagen weiß man schlicht und einfach nicht, ob sie dicht bebaute Zentralsiedlungen eines ganzen Raumes, nur im Notfall aufgesuchte Fluchtburgen oder rein militärische Anlagen waren. Sie werden durchaus einer größeren Gruppe Menschen Raum gewährt haben können. Man wird davon ausgehen müssen, dass sowohl mit einem Funktionswandel als auch mit einer gewissen Multifunktionalität zu rechnen ist. Der archäologische Befund ist nur ausnahmsweise in der Lage, hier wirklich Aufschluss zu geben. In oder bei derartigen Anlagen fanden sich bisweilen auch archäologische Belege einer Funktion als (zentrale) Kultstätten: im Brunnen der Radduscher Burg z.B. eine angebrannte, „anthropomorph“ geformte Holzbohle, der sogenannte „Götze von Raddusch“; für Brandenburg an der Havel ist immerhin in historischen Quellen das Heiligtum des Heveller-Gottes Triglav auf dem benachbarten Marienberg erwähnt.

Datierung

Die Datierung der Burgwälle im Einzelnen ist - hier tritt wieder das Phänomen der Unschärfe auf -  mit Problemen behaftet. Die Anlage von Befestigungen erfolgte - wie man heute weiß - keineswegs sogleich nach der Landnahme. Bisweilen nämlich finden sich unter den Wällen Spuren überlagerter, unbefestigter Vorgängersiedlungen frühslawischer Zeit (schon eine der ersten Burgwall-Grabungen, in Ketzin 1884 durch Virchow, erbrachte diesen Nachweis). Leider sind bislang nur wenige Anlagen wirklich erforscht; das fast ausschließlich keramische Fundmaterial wurde meist nur bei Absammlungen der Oberfläche geborgen, so dass weiterreichende Schlussfolgerungen nicht möglich sind. Doch auch bei dem Fundmaterial, das aus dokumentierten Grabungen stammt, sieht es nicht grundsätzlich besser aus. 

Als strukturelles Problem der „slawischen Archäologie“ wirkt sich der Umstand einer hohen Datierungs-Unschärfe gerade der Keramik in mehrfacher Hinsicht negativ aus. Nicht nur, dass die drei eingangs erwähnten Keramikstilarten sich als zeitlich nur relativ grob einzuordnen erwiesen, sie überlappen sich darüber hinaus auch in längeren Zeiträumen, kommen also zeitweise gemeinsam vor. Speziell der Fläming stellte sich hier als ausgeprägtes Retardierungsgebiet heraus, wo vom Stil her mittelslawische Keramik noch die gesamte jungslawische Zeitstufe mit abdeckt und die eigentlich spätslawische Ware kaum vorkommt. Darüber hinaus gilt diese Unschärfe aber auch für die meisten anderen, erheblich selteneren Sachübereste, die oft so genannten „datierenden Kleinfunde“ wie Fibeln, Sporen, Ringschmuck, Kämme, die oft genug lediglich ungefähr jahrhundertgenau datierbar sind.

Die Radiokarbon- oder C14-Datierung kann für diese relativ jungen Zeiträume keine genauen Datierungen liefern; immerhin konnte sie aber Ende der 1980er Jahre am Burgwall von Presenchen die relative Abfolge der archäologisch erkannten Bauphasen bestätigen. Wirklich Abhilfe schaffen konnte und kann hier angesichts der verwendeten und oft gut erhaltenen Mengen von Hölzern nur die Dendrochronologie.

Anfang der 1990er Jahre wurde im Rahmen eines DFG-Projektes die bereits erwähnte Burgenlandschaft der Niederlausitz planmäßig untersucht und aus knapp 30 Burgwällen Hölzer aus den frühesten Schichten in Wallschnitten geborgen, die dendrochronologisch datiert werden konnten. Dabei zeigte sich, dass sämtliche Anlagen entgegen der damaligen keramik- und kleinfundgestützten Datierung ins 7. Jahrhundert, in Wirklichkeit frühestens erst Ende des 9., oftmals erst im Verlauf des 10. Jahrhunderts innerhalb eines kurzen Zeitraumes errichtet worden waren (etwa 870-1000). In der Masse sind die Burgwälle - und nicht nur die der Niederlausitz - eine Erscheinung des mittelslawischen Horizontes, wo sie wohl innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes durch äußeren Anstoß zu einer flächendeckenden Verbreitung kamen, aber offensichtlich auch alsbald wieder aufgegeben wurden.

Historischer Hintergrund

Nach der Einwanderung der Slawen in unseren Raum frühestens am Ende des 7. bzw. am Beginn des 8. Jahrhunderts wurden sie als Nachbarn des Karolingerreiches im Westen und der sich herausbildenden Herrschaftsstrukturen im Norden und Osten mehr und mehr in Auseinandersetzungen hineingezogen, wobei sie auch stammesweise instrumentalisiert und in wechselnden Koalitionen gegeneinander ausgespielt wurden. Nach der zeitweisen deutschen Eroberung „mit Kreuz und Schwert“ des hiesigen Raumes im 10. Jahrhundert, bei dem sogleich Bistümer und Burgwarde eingerichtet wurden, sahen sie sich dann auf drei Seiten von christlichen Königreichen umgeben. Von der direkten deutschen Herrschaft machten sie sich vorübergehend im Slawenaufstand 983 frei, so dass der brandenburgische Raum in der Folge etwa 150 Jahre zwar politisch „frei“, aber keineswegs ohne wirtschaftliche und kulturelle Einflüsse aus den angrenzenden Regionen blieb. Entwicklungsgeschichtlich in kultureller und politischer Hinsicht muss man ihn jedoch als einen Retardationsraum bezeichnen.

Sowohl für die großen unregelmäßigen Burgwallanlagen wie auch für die zahlreichen, vor allem in der Niederlausitz konzentrierten, dort besonders kleinen Ringwälle gibt es zeitgleiche Vorbilder im karolingisch-sächsischen bzw. später ottonisch- sächsischen Bereich, so dass man im Befestigungsbau mit der Umsetzung zeittypischer Formen im slawischen Kulturbereich zu rechnen hat. Dies gilt in der Tendenz auch außerhalb der Niederlausitz, wenngleich in Mecklenburg und im angrenzenden nördlichen Brandenburger Raum auch schon dendrochronologische Datierungen von Burgwällen aus dem 8. Jahrhundert gewonnen werden konnten; hier scheint sich die Nähe zum „Kontaktraum“ besonders bemerkbar zu machen. Es ist generell davon auszugehen, dass in allen Lebensbereichen Anregungen aus dem Reichsgebiet umgesetzt wurden, was gerade vor dem Hintergrund der andauernden Auseinandersetzungen naheliegt.

Archäologische Spuren der Burgwarde als Stützpunkte der ottonisch-deutschen Herrschaft, die im ostelbischen Gebiet eingerichtet wurde, fehlen bis auf Ausnahmen praktisch vollständig; wahrscheinlich übernahm man im Wesentlichen einfach die schon bestehenden slawischen Burgwälle; zudem hatte die „deutsche“ Eroberung in unserem Bereich zunächst nur vorübergehend im 10. Jahrhundert Bestand. Die Aufgabe zahlreicher kleinerer Burgwälle dagegen im Laufe des 10. Jahrhunderts ist archäologisch gut belegt, nach der Jahrtausendwende waren erheblich weniger Burgwälle in Nutzung als vorher, womit wohl auch eine Tendenz zu einer Machtkonzentration einherging, die sich im Ausbau von „Fürstenburgen“ äußerte. Natürlich sind die Burgwälle insofern auch Ausdruck einer differenzierten Gesellschaftsstruktur: einerseits dienten sie sicherlich zur Repräsentation, andererseits musste der enorme Aufwand ihrer Errichtung und Unterhaltung bis hin zur Versorgung der damit Beschäftigten in irgendeiner Weise zentral organisiert werden. Eine differenzierte Entwicklung einzelner bedeutender Anlagen, hin zu im weitesten Sinne fürstlichen Wohnanlagen, ausgestattet mit Werkstätten des gehobenen Handwerks und christlichem (bzw. vorher heidnischem) Kultbau, die dann auch offensichtlich zentrale Funktionen für Handel und Austausch übernehmen und an entsprechenden Fernverbindungen gelegen sind - Stichwort „Frühstädte“ - ist in unserem Raum nur für Brandenburg an der Havel, sowie im Berliner Raum für Spandau und auch Köpenick belegbar.

Der Burgwall als Objekt der Bodendenkmalpflege

Mit dem neuen Denkmalschutzgesetz 1991 veränderte sich grundsätzlich der Charakter der Einblicksmöglichkeiten der Archäologie: diese ergeben sich nun im Allgemeinen nicht mehr wie früher aus Forschungsinteresse, sondern in der Regel bei Neubauten und der Neuanlage von Versorgungs- und Medientrassen - Stichwort „Verursacherprinzip“. Hier zeigt sich deutlich der immanente Widerspruch zwischen Archäologie und Bodendenkmalpflege: auf Kosten des archäologischen Erkenntniszuwachses überwiegt das öffentliche Interesse des sogenannten „Primärschutzes“, also der Erhaltung des Bodendenkmals an Ort und Stelle ohne Einblick in den Boden. Dieser Einblick wird erst im Rahmen des „Sekundärschutzes“, also der Ausgrabung und Dokumentation unter Inkaufnahme der gleichzeitigen (Teil-) Zerstörung gewährt.

In der Datenbank des Landesamtes lässt sich die Informationslage zu den etwa 240 Burgwällen abrufen. Annähernde Komplettgrabungen bei 3 % wurden zu DDR-Zeiten im Zuge der Braunkohlenarchäologie realisiert (Lübbenau, Tornow, Raddusch, Schönfeld, Vorberg, Presenchen u.a.m.). Mehr oder weniger geplante Sondageuntersuchungen, meist in Form von Wallschnitten, erfolgten bei immerhin fast einem Viertel der Anlagen (hierzu sind auch die älteren Untersuchungen wie Sacrow, Deetz, Reitwein, Phöben zu zählen, aber auch DDR-zeitliche wie Luckenwalde, Wiesenau, Wildberg, Zossen, u.ä. mehr, sowie die genannten Untersuchungen im Rahmen des DFG-Projektes in der Niederlausitz, ebenso jüngst am Pennigsberg bei Mittenwalde).

Wenn ausnahmsweise doch einmal jemand auf einem Burgwall wohnt, der Strom und Wasser oder gar ein neues Einfamilienhaus benötigt, oder einen Supermarkt (vgl. Abb. 6 Luckenwalde) erfolgen meist entsprechend flächige Dokumentationen. Diese sind auf Burgwällen mit nur 9 % im Vergleich zu ihrem Gesamtanteil am sonstigen archäologischen Geschehen völlig unterrepräsentiert - es handelt sich fast ausschließlich um Dokumentationen der 1990er Jahre nach dem Verursacherprinzip. Wenn eine solche Maßnahme dann allerdings in über acht Meter Tiefe hinabgetrieben werden muss wie auf der Burg Lenzen (vgl. Abb. 15), ergeben sich allerdings ganz andere Möglichkeiten des Einblicks und Ergebnisse als im Durchschnitt der Fälle.

Fundmeldungen betreffen meist Oberflächenabsammlungen am und auf dem Burgwall und bieten für 17 % der Anlagen den einzigen archäologischen Anhaltspunkt. Immerhin von fast der Hälfte der Anlagen fehlen Funde völlig. Oft ist lediglich ein Luftbild vorhanden - die Einordnung als slawische Befestigungsanlage kann dann nur über Analogien im Erscheinungsbild erfolgen. Durch ihren besonderen Schutzstatus als in der Regel in die Landesdenkmalliste eingetragene Bodendenkmale entziehen sich Burgwälle also auch heute keineswegs der archäologischen Untersuchung, egal ob „Verursacher-“ oder Forschungsgrabung. Bezeichnend und folgerichtig ist nur die Umkehrung der Einblicksdimensionen: dem Forschungsinteresse geschuldete Untersuchungen sind heute aus Kosten-  und Denkmalschutzgründen kleinflächig, aber gezielt angelegt, während manchmal „Verursachergrabungen“ mit Ausnahmecharakter - wie im Falle der Burg Lenzen - zufällig positionierte, aber großflächige und vor allem tiefe Einblicke freigeben.

 

Dieser Beitrag erschien unter dem Titel: Kersting, Thomas: Slawenzeitliche Burgwälle in Brandenburg. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2003. Stuttgart 2004, S. 36-44.

Quellen

Jacob, Georg: Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Berlin und Leipzig 1929.

Literatur

Biermann, Felix (Hrsg.): Pennigsberg. Untersuchung zu der slawischen Burg bei Mittenwalde und zum Siedlungswesen des 7./8. Jahrhundert am Teltow und im Berliner Raum. Weißbach 2001.

Brather, Stephan: Archäologie der westlichen Slawen. Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im früh- und hochmittelalterlichen Ostmitteleuropa. Berlin – New York 2001.

Henning, Joachim / Alexander T. Ruttkay (Hrsg.): Frühmittelalterlicher Burgenbau in Mittel- und Osteuropa. Bonn 1998.

Herrmann, Joachim: Die vor- und frühgeschichtlichen Wehranlagen Groß-Berlins und des Bezirks Potsdam. Handbuch vor- und frühgeschichtlicher Wall- und Wehranlagen T.2. Berlin 1960.

Herrmann, Joachim: Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Burgenbau der slawischen Stämme westlich der Oder. In: Zeitschrift für Archäologie 1 (1967), S. 206-258.

Kempke, Torsten: Burgwälle des 8. bis 10. Jahrhunderts zwischen Elbe und Oder. In: Wieczorek, Alfried / Hinz, Hans (Hrsg.): Europas Mitte um 1000. Stuttgart 2000, S. 270-273.

Kersting, Thomas: Slawen in Brandenburg: eine archäologische Momentaufnahme. In: Müller, Joachim / Neitmann, Klaus / Schopper, Franz (Hrsg.): Wie die Mark entstand. 850 Jahre Mark Brandenburg (= Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg; 11). 2009, S. 15-30.

Kersting, Thomas / Biermann, Felix: Archäologie der Slawenzeit seit der Wende. In: Meyer, Michael / Schopper, Franz / Wemhoff, Matthias (Hrsg.): Feuerstein, Fibel, Fluchttunnel – Archäologie in Berlin und Brandenburg seit der Wende (= Denkmalpflege in Berlin und Brandenburg, Arbeitsheft 5). Petersberg 2017, S. 101-120.

Kersting, Thomas / Biermann, Felix: Im Land der Burgwälle. In: Archäologie in Deutschland 36 (2020), Heft 3 (Die Westslawen), S. 26-29.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-4, 7-9, 13, 14 Otto Braasch, BLDAM.

Abb. 5. M. Schulz, Prenzlau.

Abb. 6. O. Brauer.

Abb. 10 Th. Kersting, BLDAM.

Abb. 11 E. Bönisch, BLDAM.

Abb. 12 S. Schwarzländer, BLDAM.

Abb. 15 Archäologie Manufaktur.

Abb. 16 F. Biermann.

Abb. 17 B. Fischer, Zeuthen.

Empfohlene Zitierweise

Kersting, Thomas: Slawenzeitliche Burgwälle, publiziert am 08.12.2023; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Ur- und Frühgeschichte
Themen: Archäologie und Siedlung


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