Burg Luckenwalde - Bodendenkmalpflege und Landesgeschichte
Thomas Kersting
Luckenwalde, knapp 40 Kilometer südlich von Berlin, liegt am Flüsschen Nuthe am Fuße des Niederen Fläming. Die Nuthe fließt bei Potsdam in die Havel, welche ihrerseits, nachdem sie das seenreiche Havelland nördlich der Zauche und die für unsere Region namengebende Doppel- und Domstadt „Brandenburg an der Havel“ durchflossen hat, bei Havelberg in die Elbe mündet.
Mit diesen ebenso topographischen wie historischen Begriffen ist der Bereich des slawischen Stammes der Heveller grob umschrieben, die vom Fluss ihren Namen und auf der Brandenburger Dominsel wohl seit dem 8. Jahrhundert ihren Hauptsitz in Form einer großen, mehrteiligen Burgwallanlage hatten (Kersting 1997, 11-15) (Abb. 1, 2).
Archäologie der Slawenzeit
Mit der Slawenzeit beginnt im Raum östlich der Elbe im 8. Jahrhundert eine Epoche mit einer großflächigen Landnahme einer zuvor hier nicht heimischen Bevölkerung aus dem Osten und Südosten, die - wenn überhaupt - höchstens punktuell noch auf geringe Reste der Vorbevölkerung traf, nämlich der im Rahmen der Völkerwanderungszeit weitestgehend nach Südwestdeutschland abgewanderten Germanen. Ein Kontakt ist archäologisch nicht nachgewiesen, und falls er dennoch stattgefunden haben sollte, wohl auch kaum historisch wirksam geworden, wenn man von der möglichen Überlieferung einiger vorslawischer Flussnamen absieht.
Zu den übergreifenden Themen der Slawenzeit in der nordwestlichen Germania Slavica wurde vor allem Sebastian Brather (Brather 2001) herangezogen. In großen Teilen immer noch unverzichtbar ist das Werk von Joachim Herrmann (Herrmann 1985).
Am Ende des so genannten „Slawischen Mittelalters“ steht ein ähnlicher Prozess, bei dem wiederum fremde Bevölkerungsgruppen einwandern, diesmal jedoch als Zuzug aus dem Westen unter dem Weiterbestehen der autochthonen slawischen Bevölkerung. In der Folge kam es zu einer Koexistenz, bei der die archäologisch fassbaren Überreste slawischer Tradition allerdings sehr bald aus dem Fundspektrum verschwinden, weil sie durch das Sachgut der neuen Siedler - und gleichzeitig der neuen Herrschaft - ersetzt wurden. Durch slawische Orts- und Flurnamen sowie Personennamen (bzw. Namensbestandteile bei Mischnamen) ist diese Koexistenz noch über Jahrhunderte nachweisbar, bis die slawische Sprache in großen Bereichen verschwindet. Das bis heute zweisprachige Sorbengebiet in Südost-Brandenburg und in Sachsen zeugt aber bis heute von dieser Bevölkerungskontinuität.
Umso günstiger, wenn diese Fragen anhand der Bestattungs- und Beigabensitte beleuchtet werden können, die Einblicke in transzendente Vorstellungen und eigenes Selbstverständnis erlauben.
Wenn sich jedoch diese Quellengattung dem archäologischen Nachweis entzieht, wie an der Wende zur frühen Slawenzeit in Brandenburg - die Slawen bestatten offenbar in weitestgehend beigabenlosen Brandstreuungsgräbern - wird der Blick auf die Verhältnisse erheblich verstellt. Das Gleiche gilt für das Ende des Zeitraumes der Archäologie der Slawenzeit, da schon um 1000 im Zuge einer Christianisierung der Oberschicht die christliche Bestattungsweise in beigabenlosen Körpergräbern aufgenommen wird.
Somit können im westslawischen Gebiet die Verhältnisse in der Zeit des Landesausbaues und die daran beteiligten Bevölkerungsgruppen häufig nur anhand des Fundmaterials unterschiedlicher Tradition abgeschätzt werden; eine unbefriedigende Situation, die durch nur spärliche und oftmals vieldeutige schriftliche Überlieferung nicht gemildert wird.
Als strukturelles Problem der slawischen Archäologie wirkt sich zudem der Umstand einer hohen Datierungsunschärfe gerade der Keramik negativ aus. Die wesentlichen drei Keramik-Stilarten (früh-, mittel-, spätslawisch) in unserem Raum dürfen nur tendenziell mit Zeithorizonten gleichgesetzt werden. Ein genauerer Datierungsanhalt ergibt sich also im Prinzip nur aus dem prozentualen Verhältnis der Scherben der einzelnen Keramikstilarten in einem geschlossenen Fundkomplex, hier durchaus auch Siedlungsschichten oder -gruben; was gleichzeitig bedeutet, dass nur Fundkomplexe mit repräsentativer Scherbenanzahl datiert werden können. Eine methodische Diskussion kann und soll hier nicht geführt werden (vgl. Brather 1996).
Historisch
Beim Bayerischen Geographen (zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts) und in der Völkertafel des englischen Königs Alfred (zwischen 871 und 899) werden zahlreiche slawische Stämme mit Angaben zur Lokalisierung überliefert. Für Havelland und Zauche (auch als „Heveldun“ erwähnt) sind dies die Heveller, die zum größeren Stammesverband der Wilzen gehörten. Ihr Hauptort - in deutschen Quellen als Brennaburg bezeichnet - wird 928/29 durch Heinrich I. im Rahmen eines Böhmenfeldzuges vorübergehend erobert. König Otto I. plant die Eingliederung der slawischen Gebiete zwischen Elbe und Oder durch Missionierung und Eroberung - mit Kreuz und Schwert - und richtet 948 Bistümer in Havelberg und Brandenburg ein; zwanzig Jahre später werden diese dem neu gegründeten Erzbistum Magdeburg untergeordnet.
Der Slawenaufstand des Lutizenbundes von 983 setzt dieser Entwicklung ein Ende; für rund 150 Jahre entwickeln sich der größere Teil des heutigen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommerns, darunter die hevellische Herrschaft, politisch relativ unabhängig. Luckenwalde und der Fläming gehörten wohl im 10. Jahrhundert als „Gau Ploni“ (Nuthe-Plane-Gebiet) zum Einflussgebiet der Heveller und des Brandenburger Bistums. Eine bischöfliche Urkunde bestätigt noch 1217 dem Domkapitel zu Brandenburg an der Havel in einer Grenzbeschreibung dessen Besitzungen, wobei unter verschiedenen „Burgwarden“ auch Luckenwalde aufgeführt wird.
Der letzte, bereits christliche Hevellerfürst auf der Brandenburg, Pribislav-Heinrich, überließ gegen 1130 die Zauche („tota zucha“) als Patengeschenk dem unmündigen Sohn des askanischen Markgrafen Albrecht (dem „Bären“) sowie etwa 20 Jahre später diesem auch seinen ganzen Herrschaftsbereich nach seinem Tod, offenbar in realistischer Einschätzung der Zeichen der Zeit.
Inzwischen hatte, ausgelöst durch den Aufruf Bernhards von Clairveaux zum „Wendenkreuzzug“, im Jahre 1147 die Expansion deutscher Fürstentümer, weltlicher wie geistlicher, in das Gebiet zwischen Elbe und Oder begonnen. Über diese - nicht immer gewaltfreien - späteren Zeiten deutsch-slawischer Kontakte unterrichten uns u.a. Quellen wie die Slawenchronik des Helmoldt von Bosau (Stoop 1963).
Burgen
Zur Herrschaftssicherung dienten sowohl in der Slawenzeit als auch zur Zeit der Inbesitznahme durch die neuen Herren befestigte Anlagen, also Burgen (Herrmann 1960).
Bei einer Gesamtzahl von etwa 3.000 Burgwällen im gesamten westslawischen Raum wird klar, dass es sich um ein allgemein gängiges Phänomen im östlichen Mitteleuropa handelt. Die schwerpunktbildende Verbreitung slawischer Fundplätze und die leeren Zonen dazwischen sind schon früh mit Siedlungsgebieten von in zeitgenössischen Quellen aufgezählten „Stämmen“ in Verbindung gebracht worden, ob immer zu Recht, sei dahingestellt. Eine deutliche Raumbezogenheit des Phänomens Burgwall, also einer Zuordnung zu einem jeweils etwa vergleichbaren Gebiet, einer Siedlungskammer, dürfte außer Frage stehen; bei kleinräumiger Betrachtung deutet sich häufig ein Bezug jeweils mehrerer Siedlungen auf einen einzelnen, mehr oder weniger zentralen Burgwall an, was im Sinne zusammengehöriger Siedlungskammern mit einem jeweiligen „Burgenvorort“ zu interpretieren sein dürfte. Die Lage der Burgwälle nimmt regelhaft Bezug auf strategische Gegebenheiten wie Straßenverläufe, Gewässer-Übergänge, Sporn- oder Niederungslagen. Mangels anderer Materialien handelt es sich durchweg um Holz-Erde-Konstruktionen in allen denkbaren Varianten (Kersting 2004).
Dabei wird offenbar sowohl während des kurzen Intermezzos der deutschen Herrschaft im 10. Jahrhundert - zu dieser Zeit kommt die Bezeichnung „Burgwarde“ auf - als auch in der Zeit des planmäßigen Landesausbaues im Zuge der Ostsiedlung ab dem 12. Jahrhundert auf bereits bestehende Anlagen zurückgegriffen.
Herrschaftssicherung ist in diesem Zusammenhang durchaus nicht nur als Sicherung gegen die autochthone Bevölkerung zu verstehen, sondern auch und gerade gegen rivalisierende Konkurrenten im lukrativen Geschäft des Landesausbaues (Herrmann 1986).
In unserem Raum zwischen Zauche, Teltow und Fläming waren die aktiven Gestalter und Träger des Landesausbaues, die neue Siedler aus den Altsiedelgebieten ins Land riefen, der Brandenburger Markgraf Albrecht der Bär aus askanischem Geschlecht, der Magdeburger Erzbischof Wichmann aber auch die Wettiner aus dem sächsischen Meißen sowie zeitweise sogar polnische Landesherren.
Der Landschaftsname des Fläming erklärt sich mit der Herkunft von Teilen der Neusiedler, denn Albrecht der Bär schickte „zu jener Zeit […] nach Utrecht und den Rheingegenden, […] den Holländern, Seeländern und Flamen, zog von dort viel Volk herbei und ließ sie in den Burgen und Dörfern der Slawen wohnen“ (Stoop 1963) (Abb. 2)
Der Fall Luckenwalde: Bodendenkmalschutz contra Städtebau
Das Burgareal von Luckenwalde (Abb. 3) befindet sich auf einer flachen Talsandinsel, welche im Osten durch den Niederungszug eines Baches und im Westen durch die Niederung der Nuthe begrenzt wird. Auch im Süden befand sich wahrscheinlich ein versandeter Nuthearm. Möglicherweise waren diese Niederungen im 10./11. Jahrhundert noch wasserführend. Der dadurch nur eingeschränkt tragfähige Untergrund macht sich bis heute an älteren, aber auch jüngeren Bauten rund um das Burgareal in Form von ausgeprägten Setzungsrissen im Mauerwerk bemerkbar, beobachtet und dokumentiert durch Stefan Pratsch (Untere Denkmalschutzbehörde Luckenwalde). Auf alten Katasterplänen lässt sich die Geländesituation und die Ausdehnung der deutschen Burganlage anhand der Flurstücksgrenzen auf der Gemarkungskarte in 15 Blättern von 1865 noch gut nachvollziehen. Der heutige Geländeabfall von der Kuppe bis in die Niederungszüge beträgt lediglich etwa einen Meter.
Wenn eine mittelalterliche Burg mit einem Supermarkt überbaut wird, ist dies nicht an der Tagesordnung, war in diesem Falle aber aus städtebaulichen Gründen nicht zu verhindern, da das Areal in der Vergangenheit bereits mit Industrie- und Kaufhallen bebaut worden war, und nicht zuletzt die Stadt selbst in Form von Wohnbauten die Anlage auf allen Seiten umgibt.
Bodeneingriffe durch den geplanten Bau konnten durch das Fachamt in längeren Verhandlungen mit dem Investor über Gründungsvarianten jedoch auf ein Mindestmaß begrenzt werden. In den 1970er und 1980er Jahren hatten hier im Zusammenhang mit der Errichtung der Plattenbauten des Wohnkomplexes „Deutsch-Sowjetische-Freundschaft“ schon einmal vier Sondageschnitte und eine baubegleitende Dokumentation in einer der Baugruben stattgefunden. Damals konnten in kleinen Ausschnitten ein breiter, eventuell rechteckig verlaufender, und drei weitere vorgelagerte Befestigungsgräben dokumentiert werden, sowie ein kleiner Ausschnitt des Burginnenraums (Abb. 4). Hier fanden sich Steinpflaster und ein, abgestürzt im feuchten Grabensediment erhaltener Palisadenabschnitt, sowie andere hölzerne Gegenstände. Daher standen für die fachliche Beurteilung und die Auflagen für die denkmalrechtliche Erlaubnis detaillierte Erkenntnisse aus den Altgrabungen zur Verfügung (Grebe/Heine 1989).
Für die Grundfläche des eigentlichen Marktgebäudes, das im Zentrum der Burganlage zu liegen kommen würde, wurde eine maximale Baueingriffstiefe festgelegt, um hier eine Beeinträchtigung des Bodendenkmals auszuschließen, hier erfolgte lediglich eine „Versiegelung“ unter der Bodenplatte. So interessant und reizvoll es gewesen wäre, hier eine archäologische Dokumentation durchzuführen zu lassen, wäre damit doch in diesem Bereich nahezu ein Totalverlust des Bodendenkmals einhergegangen. Der Archäologe hat sich hier als Bodendenkmalschützer im Auftrag des Landes mit der gelungenen Durchsetzung des Primärschutzes im Sinne des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetztes zufrieden zu geben. Dabei sind die Kosten des „Sekundärschutzes“ - nämlich die der archäologischen Ausgrabung - für den Verursacher von Erdeingriffen ein überzeugendes Argument, noch in einem (fast zu) späten Planungsstadium eine bodendenkmalverträgliche Gründungsplanung erarbeiten zu lassen, sieht doch das brandenburgische Gesetz ausdrücklich eine Verursacherhaftung vor.
Für die zugehörige Anlieferungsrampe jedoch ließ sich ein Eingriff in die archäologische Substanz - voraussichtlich im Bereich der Burggräben - nicht ganz vermeiden. Hier wurde eine Fläche von ca. 800 m² zur vollständigen archäologischen Flächendokumentation bis in Bautiefe (ca. ein Meter unter Gelände) und punktuellen Tiefschnitten (unter Bautiefe) ausgewiesen. Im Zuge des Baufortschrittes (zusätzliche Errichtung eines Sprinklerbeckens) musste die zu dokumentierende Fläche um ca. 100 m² erweitert werden. Die Flächengrabungen in den genannten Bereichen erfolgten bauvorbereitend ab August 2003 bis März 2004, sie wurden durchgeführt von der Firma Wurzel Archäologie GmbH unter Leitung von O. Brauer.
Archäologische Ergebnisse
Bei den neuerlichen Grabungen wurde die deutsche Burganlage im Bereich ihres südöstlichen Verteidigungsringes erfasst. Dieser besteht aus vier gestaffelt liegenden Verteidigungsgräben, die wohl nicht zeitgleich existierten (Abb. 5). Durch Einbindung der Altgrabungen von 1979 und 1987 in den Gesamtplan (Abb. 4) gelang die Rekonstruktion der deutschen Burganlage vom nordöstlichen bis zum südlichen Abschnitt. Die Burganlage hatte zur Zeit ihrer größten Ausdehnung einen Nord-Süd Durchmesser von ca. 185 Metern und einen Ost-West Durchmesser von ca. 160 Metern, was etwa einer Grundfläche von 25.800 m² entspricht. Die Innenfläche lässt sich etwa auf die Maße Nord-Süd Durchmesser von ca. 110 Metern, Ost-West Durchmesser von ca. 85 Metern mit einer Gesamtfläche von ca. 9.600 m² rekonstruieren. Damit lässt sich die deutsche Burg von Luckenwalde als große, abgerundet eckige Niederungsburg mit einem Durchmesser von über 100 m beschreiben. Die Befestigungsgräben der deutschen Burganlage erwiesen sich leider als ausgesprochen fundarm. Es konnten lediglich wenige Keramikscherben harter Grauware des 11./12. Jahrhunderts geborgen werden. Entwickeltere Formen des 14./15. Jahrhunderts fehlen.
In den Gräben wurden Tiefschnitte bis in den anstehenden Boden unterhalb der Bautiefe geführt, einerseits zur Komplettierung der Profile sowie andererseits zur eventuellen Gewinnung dendrochronologisch datierbaren Probenmaterials, da bei den Altgrabungen zahlreiche Holzfunde aufgetreten waren.
Es konnte anhand der Profile eine Feinstratigraphie für die deutsche Burganlage mit ihren Ausbauphasen erstellt werden, der auch die Abfolge im Planum zu entsprechen scheint: in einer frühen Phase bestand der Verteidigungsring außen um den rechteckigen (?) Innengraben aus zwei ca. 13 m breiten Gräben und einem zwischen ihnen liegenden schmaleren und nicht ganz so tiefen Graben.
Die Hoffnung auf weiteres dendrochronologisch datierbares Material erfüllte sich allerdings nicht, da in den letzten Jahrzehnten der Grundwasserspiegel deutlich abgesunken sein muss, was in relativ kurzer Zeit zu einem schon weitgehenden Zerfall organischer Substanz geführt hat. Bedauerlich angesichts der damals noch zu bergenden hölzernen Gegenstände wie gedrechselte Schalen, Daubengefäße, Radfragmente und ähnliches mehr. Das Datum von 1191 n.Chr., das neuerdings aus der verstürzten Palisade im inneren Burggraben gewonnen werden konnte, korreliert zeitlich mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Ausbauphase der Wallanlagen (Datum durch Dr. U. Heußner, DAI Berlin). Der Palisadenabschnitt ist im Heimatmuseum Luckenwalde ausgestellt.
Eine Überraschung bot die durch das Sprinklerbecken zusätzlich erforderlich gewordene Fläche: hier wurde ein weiterer Außengraben festgestellt, der den bereits bekannten gleicht.
Zudem konnte bei der jüngsten Grabung schließlich der Nachweis einer der Burg vorangegangenen Besiedlungsphase erbracht werden. Die hier angetroffene stratigraphische Situation von den Gräben geschnittener slawischer Grubenbefunde belegt eindeutig, dass sich an der Stelle der Burg in slawischer Zeit wohl schon seit dem 9. /10. Jahrhundert n.Chr. eine Vorbesiedlung des Geländes befunden hat. So ist es zu erklären, dass verlagertes slawisches Fundmaterial in allen dem deutschen Siedlungshorizont angehörenden Befunden auftritt. Dies wurde schon bei den Altgrabungen festgestellt, aber damals als in die deutsche Anlage verschlepptes Material gedeutet (Grebe/Heine 1989, 100).
Ob es sich aber bei der slawischen Besiedlung um eine offene Siedlung oder eine slawische Vorgänger-Burganlage gehandelt hat, wie angesichts der Topographie zu vermuten, ist anhand des dokumentierten Ausschnittes bedauerlicherweise nicht zu entscheiden.
Aus den slawischen Gruben ließen sich relativ wenige Keramikscherben mit Wellenverzierung des mittelslawischen Menkendorfer Typs bergen. Auch bei der Altgrabung war solches Material zutage gekommen, leider lässt es sich aufgrund einer gerade im Fläming retardierten Keramikentwicklung nicht genauer als in das 9. bis 12. Jahrhundert datieren. Es scheint nämlich im Fläming die gurtfurchenverzierte Keramik vom spätslawischen Typ, die auf der schnell drehenden Töpferscheibe produziert wurde, nicht vorzukommen; die Keramik des mittelslawischen Typs wurde offenbar bis in die Zeit der deutschen Zuwanderung weiterproduziert und benutzt (zuerst herausgearbeitet durch Janensch 1984). Da von diesem Platz jedoch unverzierte Keramik völlig fehlt, die zum frühslawischen Typ zählt, darf eine spätere Zeitstellung im angegebenen Zeitrahmen angenommen werden.
Hier lohnt zur Erläuterung ein Blick zu einem weiteren, slawenzeitlichen Fundplatz in der Luckenwalder Gemarkung (Abb. 3). Es handelt sich um eine etwas fragliche Burgwallanlage: etwa 1,5 Kilometer östlich findet sich ein offenbar befestigter Platz, der zwar ebenfalls Keramik vom mittelslawischen Menkendorfer Typ erbrachte, dazu in der Mehrzahl aber unverziertes, tendenziell frühslawisch datierendes Material (Grebe/Gustavs 1977). Unterstützt wird der sich daraus ableitende frühere zeitliche Ansatz ins 8./9. Jahrhundert durch eine bronzene Riemenzunge (Abb. 6), die von Joachim Werner als karolingisch erkannt wurde (Werner 1969, 497). Durch ihren Ausnahmecharakter im slawenzeitlichen Fundmaterial unseres Gebietes scheint das Stück auch die Interpretation des Fundplatzes als Burgwall (im Sinne eines der Oberschicht zuzuordnenden Phänomens) eher nahe zu legen als die einer „einfachen“ Siedlung.
Landesgeschichte
Die archäologischen Ergebnisse der Ausgrabung der Jahre 2003/ 2004 auf der deutschen Burganlage von Luckenwalde sind in einem weiteren Auswertungsschritt unbedingt in den Kontext der politischen Gegebenheiten und Aktivitäten der deutschen Inbesitznahme der slawischen Gebiete in Zauche, Teltow und auf dem Fläming einzubetten (vgl. Abb. 2), soweit dies angesichts der desolaten Quellenlage derzeit möglich ist (hierzu und im folgenden Brather 1997, 32-43).
Die deutsche Burg von Luckenwalde scheint wohl den frühesten Landnahme-Zeitraum der deutschen Herrschaft im Nuthe-Gebiet um die Mitte des 12. Jahrhunderts widerzuspiegeln. An der Nuthe wurde eine an topographisch-strategisch hervorgehobener Position befindliche slawische Ansiedlung (wenn es sich denn tatsächlich nicht um eine Befestigungsanlage handeln sollte) in Besitz genommen und zur eigenen Befestigung aus- oder umgebaut. Die etwas fragliche Burgwallanlage ca. 1,5 Kilometer weiter östlich, die ausweislich einer karolingischen Riemenzunge und der überwiegend unverzierten Keramik eher dem 9. /10. Jahrhundert angehört, könnte in diesem Falle als Vorläufer der slawischen Anlage unter der deutschen Burg angesehen werden. Derartige Konstellationen sind im slawischen Gebiet nicht selten zu beobachten; generell werden im Laufe des 10. Jahrhunderts zahlreiche Burgwälle, wohl im Zuge einer Machtkonzentration aufgegeben (Kersting 2004, 43).
Zu einem etwas späteren Zeitpunkt (wohl 1191, nach dem dendrochronologischen Datum) erfuhr die Burganlage eine Verstärkung bzw. einen Ausbau ihrer Wallanlagen. Es lässt sich leicht nachvollziehen, dass damit offenbar politischen Notwendigkeiten im Grenzgebiet mehrerer konkurrierender Landesherrschaften Rechnung getragen wurde. Bei der ersten Nennung von 1217 wird die Burg jedenfalls noch im Zusammenhang mit dem Besitz des Brandenburger Bistums aufgeführt, möglicherweise also in Nachfolge der Verhältnisse zu den Zeiten der Heveller (Riedel, Codex Diplomaticus Brandenburgensis 1838-1869, A8, 135, zit. nach Grebe/Heine 1989, 96). Ursprünglich sollen jedenfalls der Hohe und Niedere Fläming ebenso wie Havelland und Zauche mit zur askanischen Nordmark gehört haben, was zwar umstritten ist, wofür aber inselartige Restbesitzungen im Niederen Fläming noch Jahrhunderte später sprechen könnten (Mangelsdorf 1991, 20).
Die folgenden mehrphasigen Überwallungen zeugen eindrucksvoll von der in den Augen der Zeitgenossen bestehenden Notwendigkeit, die Burg wehrhaft zu halten, ohne dass man im Einzelnen wüsste, wer zum jeweiligen Zeitpunkt die Burg innehatte; archäologisch dürfte dies auch kaum zu klären sein. Eine regelrechte Zerstörung durch kriegerische Einwirkung ist abgesehen von Brandschäden nicht nachzuweisen, es erfolgte offenbar ein kontinuierlicher Ausbau.
Im späten 13. Jahrhundert hatte sich dann das politische Gefüge im Nuthe- und Fläming-Gebiet offenbar so weit gefestigt, dass die Burg von Luckenwalde ihre Bedeutung verlor. Es ist lediglich eine weitere Nachricht zur Burg von 1285 erhalten: zu diesem Zeitpunkt wird sie - „castrum et oppidum“ - samt Stadt und elf Dörfern verkauft, und gelangt in den Besitz des unweit gelegenen Klosters Zinna (Brather 1997, 369).
Damit ging wahrscheinlich die Aufgabe zumindest in ihrer fortifikatorischen und politischen Funktion einher, wenn nicht gleich auch die konkrete Auflassung mit planmäßigem Abbau der Befestigungsanlage erfolgte; der sorgsame Abbau jedenfalls ist archäologisch nachgewiesen (so schon Grebe/Heine 1989, 98).
Das Zisterzienserkloster Zinna ist geistliches Zentrum des magdeburgisch-erzbischöflichen Besitzes im Niederen Fläming, dem Land um Jüterbog. Angesichts der Lage der Burg im offensichtlich zeitweise strittigen Grenzgebiet zwischen den Besitzungen des Magdeburger Erzbischofes im Jüterboger Raum und der Askanier in der Zauche muss man ihr trotz der nur relativ kurzzeitigen Existenz doch eine bedeutende politische und militärische Funktion in der Frühzeit der deutschen Ostexpansion zuschreiben.
Dieser Beitrag erschien unter dem Titel: Kersting, Thomas: Die Burg von Luckenwalde am Niederen Fläming, Brandenburg: Bodendenkmalpflege und Landesgeschichte. In: Päffgen, Bernd / Pohl, Ernst / Schmauder, Michael (Hrsg.): „Cum Grano Salis“. Festschrift für Volker Bierbrauer zum 65. Geburtstag. Friedberg 2005, S. 331-338.
Quellen
Helmoldt von Bosau: Slawenchronik. Hrsg. von Heinz Stoob (= Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-v. Stein-Gedächtnisausgabe Bd. A 19). Darmstadt 1963.
Literatur
Brather, Sebastian: „Germanische“, „slawische“ und „deutsche“ Sachkultur des Mittelalters – Probleme ethnischer Interpretation. In: Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 37.2 (1996), S. 177-216.
Brather, Sebastian: Dobrilug, Zinna, Lehnin, Chorin. Die hochmittelalterliche Siedlungsentwicklung im Umfeld von Zisterzienserklöstern im ostelbischen Kolonisationsgebiet. In: Citeaux 48 (1997), S. 17-80.
Brather, Sebastian: Archäologie der westlichen Slawen. Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im früh- und hochmittelalterlichen Ostmitteleuropa (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde; 30). Berlin 2001.
Grebe, Klaus / Gustavs, Sven: Beobachtungen am slawischen Burgwall von Luckenwalde, Bezirk Potsdam. In: Ausgrabungen und Funde 22 (1977), S. 88-93.
Grebe, Klaus / Heine, Lutz: Ausgrabungen auf der mittelalterlichen Burg von Luckenwalde. In: Ausgrabungen und Funde 34 (1989), S. 96-100.
Herrmann, Joachim: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle Gross-Berlins und des Bezirkes Potsdam. Handbuch vor- und frühgeschichtlicher Wall- und Wehranlagen. Teil 2 (= Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte; 9). Berlin 1960.
Herrmann, Joachim: Die Slawen in Deutschland. Geschichte und Kultur der slawischen Stämme westlich von Oder und Neiße vom 6. bis 12. Jahrhundert; ein Handbuch (= Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR; 14). Berlin 1985.
Herrmann, Joachim: Burgen und Befestigungen des 12. und 13. Jahrhunderts in landesherrlicher Territorialpolitik und bäuerlicher Siedlung in der weiteren Umgebung von Berlin. In: Zeitschrift für Archäologie 20 (1986), S. 201-235.
Janensch, P.: Die slawische Besiedlung im Gebiet von Plane, Nuthe, Nieplitz und unterer Spree vom 7. bis 12. Jahrhundert auf archäologischer Grundlage. Diplomarbeit Sektion Geschichte der Humboldt-Universität Berlin 1985.
Kersting, Thomas: Slawen in Havelland und Zauche. In: Potsdam, Brandenburg und das Havelland. Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland Bd.37, 2000, S. 105-122.
Kersting: Thomas: Slawen im „Gau Ploni“. In: Festschrift 1000 Jahre Beelitz, 1997, S. 11-15.
Kersting, Thomas: Slawenzeitliche Burgwälle in Brandenburg. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2003. Stuttgart 2004, S. 36-44.
Mangelsdorf, Günter: Abriss der Besiedlungsgeschichte des Niederen Flämings. In: Schlimpert, Gerhard: Die Ortsnamen des Kreises Jüterbog-Luckenwalde. Brandenburgisches Namenbuch Teil 7. Weimar 1991.
Werner, Joachim: Sporn von Bacharach und Seeheimer Schmuckstück. In: Otto, Karl-Heinz (Hrsg.): Siedlung, Burg und Stadt: Studien zu ihren Anfängen. Paul Grimm zum 60. Geburtstag (= Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte 25=. Berlin 1969, S. 497-506, hier: 497 m.Taf.26a.
Abbildungsnachweis
Abb. 1 Karte, Bearbeitung M. Härtel, BLDAM 2005.
Abb. 2 Materna, Ingo / Ribbe, Wolfgang (Hrsg): Brandenburgische Geschichte. Berlin 1995, S. 90.
Abb. 3 BLDAM.
Abb. 4 K. Grebe / O. Brauer.
Abb. 5 O. Brauer 2005.
Abb. 6 Werner 1969, Taf. 26a.
Empfohlene Zitierweise
Kersting, Thomas: Burg Luckenwalde - Bodendenkmalpflege und Landesgeschichte, publiziert am 21.03.2024; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)
Kategorien
Epochen: Ur- und Frühgeschichte - Zeit der Askanier - Spätes Mittelalter
Themen: Archäologie und Siedlung