Slawenzeit

Thomas Kersting

Ende des 7. Jahrhunderts n. Chr. kommt die neue slawische Bevölkerung ins heutige Brandenburg, mit Sachgut, Siedlungs- und Bestattungsformen eigener Prägung. Die wenig differenzierte rein urgeschichtliche Kulturgruppe entwickelt sich in den nächsten Jahrhunderten zu einer komplexen Gesellschaft mit Fernbeziehungen und beginnendem Landesausbau. Schriftquellen der Nachbarn berichten über den nordwestslawischen Raum. Eine eigene zentrale Herrschaftsbildung in unserem Raum gelingt nicht. Er war eher Grenzraum, aber mit europaweiten Beziehungen. Mitte des 12. Jahrhunderts beginnt mit Einwanderung westlicher Siedler ein Akkulturationsprozess, der die Slawen bald „archäologisch unsichtbar“ macht, obwohl bis heute Bevölkerungskontinuität herrscht.

Räume und Stämme

Beim „Baierischen Geographen“, in der „Völkertafel“ des englischen Königs Alfred und in ostfränkischen und deutschen Quellen des 10. und 11. Jahrhunderts werden einige slawische Stämme im heutigen Brandenburg genannt. Die Verbreitung der slawischen Fundplätze mit fundleeren Zwischenräumen deutet durch bewaldete Sümpfe und Hochflächen abgegrenzte Siedlungsareale an, die mit den Stammesgebieten in Verbindung gebracht werden. Wenn auch im Einzelfall strittig, dürfte die bekannte Stammeskarte im Großen und Ganzen den historischen Verhältnissen entsprechen, wobei die Frage nach der Selbstwahrnehmung der „Stämme“ und ihrem ethnischen Gemeinschafts- oder Abgrenzungsgefühl nicht beantwortet werden kann. Sicher bedingte die Zugehörigkeit etwa zu den Ukranen oder Lusizi keine Vereinigung unter einer einheitlichen Herrschaft, wie die Burgenstrukturen in diesen Gebieten zeigen. Häufig handelt es sich bei den Namen um Fremdbenennungen, also Versuche, den unübersichtlichen Verhältnissen von außen eine Ordnung überzustülpen - vielfach sind die Namen an Landschaften oder Gewässern orientiert. Im Raum um Brandenburg an der Havel saßen die Heveller, die sich selbst Stodoranen nannten, und deren Fürsten zeitweise eine Vormachtstellung bis an die Oder besaßen. In der Uckermark siedelten die Ukranen, die sich gegen Christentum und Fremdherrschaft besonders lange wehrten. In der nordwestlichen Prignitz werden die früh überlieferten Linonen verortet, in der Niederlausitz die in den 960er Jahren von Markgraf Gero unterworfenen Lusizi – um nur einige „prominente“ Stämme anzuführen.

Siedlungskammern und Landesgliederung

Den Konzentrationen im Kartenbild entsprechen siedlungsgünstige kleinteilig gegliederte wasserreiche Landschaften wie Spreewald und Havelland. Ausgeprägte Hochflächen wie Barnim und Teltow oder Endmoränen wie der Hohe Fläming und der Niederlausitzer Landrücken waren siedlungsungünstig und menschenleer, während die Uckermark als Gunstraum aller archäologischen Perioden auch zu dieser Zeit dicht belegt ist. Deutlich wird nicht nur die enge Bindung der Siedlung an Gewässer, sondern auch an Räume mit einer gewissen Formenvielfalt einer „mittleren“ Höhenlage: einförmige Höhen- wie auch ausgeprägte Tieflagen wurden gemieden – wenn auch Bereiche nutzbar waren, die später durch Klima- und Mühlenstau-Effekte vernässten. Die Gewässer suchte man wegen der Wasserversorgung, der Verkehrsverbindungen und des Nahrungsangebotes in der Niederung (Fischerei und Vogeljagd); zugleich waren die leichten Böden der Talsandflächen ideal für den Ackerbau. Dieses Muster ist charakteristisch für alle ur- und frühgeschichtlichen Perioden nach dem Mesolithikum: Die Fundplatz-Verteilung der Slawenzeit entspricht der aller älteren Epochen. Die anfangs noch schüttere Besiedlung nahm in mittel- und spätslawischer Zeit, vom 9. bis zum 12. Jahrhundert, deutlich zu; bei Bevölkerungszuwachs wurden bisher unbesiedelte Bereiche und damit die Siedlungskammern maximal „ausgenutzt“. Erst in spätslawischer Zeit expandieren die Siedlungskammern, in manchen Regionen sind sehr starke Siedlungszuwächse zu erkennen; das Schlagwort einer „Bevölkerungsexplosion um die Jahrtausendwende“ hat in vielen Regionen seine Berechtigung.

Die ländlichen Siedlungen sind oft auf Burgwälle bezogen, offenbar wegen der Herrschaftsstrukturen. Seit der Zeit um 1000 konnten die Burgen auch den Charakter wirtschaftlicher Zentralorte mit Markt und Handwerk annehmen; als sogenannte „Burgstädte“ wurden sie zu Knotenpunkten des Austauschs im überregionalen Wegenetz.

Burgen, Blockhäuser, Bohlenwege, Brunnen und Brücken – alles aus Holz

Runde Burgwälle von etwa 40 bis 80 Metern Durchmesser sind im 9. bis ins 10. Jahrhundert typisch für das gesamte Gebiet zwischen Elbe und Oder und weit darüber hinaus. Sie liegen, meist von sumpfigen Niederungen umgeben, auf Geländespornen oder inselartigen flachen Erhebungen; oft finden sich unbefestigte Siedlungen im Vorfeld der Burgen. Sie waren repräsentative Verteidigungsbauten für die bestimmenden Familien einer ganzen Gegend, die sich von den Nachbarn abgrenzen wollten, und sie dienten auch als Speicher- und Wohnbauten. In ihrem Schutz siedeln sich Handwerker und Kaufleute mit weiterreichenden Verbindungen an.

Die Häuser waren hölzerne Blockbauten, sie wurden nur wenig in die Erde eingegraben, manchmal sind bei Ausgrabungen darin Öfen aus Feldsteinen erkennbar. Kastenbrunnen sind oft ähnlich konstruiert; Bohlenwege und Brücken aus Holz ermöglichen den Zugang zu den Burgen und Siedlungen über unwegsame Strecken durch feuchte Moorgebiete oder über Gewässer.

Funde aus pflanzlichem und tierischem Material (Holz, Knochen, Leder) bleiben nur unter speziellen feuchten Bedingungen im Boden erhalten, wie es bei der Slawenzeit der Fall ist. Sie geben uns ein Bild vom Leben auf einer slawischen Burg, wo man mit Schnitzerei verzierte Holztüren und Möbel hatte, wo mit geschnitzten Löffeln aus Holzschalen gegessen und aus hölzernen Pokalen getrunken wurde. Die äußerst geschickten slawischen Handwerker arbeiten mit Schlägel und Holzhammer, tischlern und drechseln und beherrschen die Herstellung von Daubengefäßen. Holz war und ist ein sehr wichtiger Werkstoff und für Archäologen heute eine große Hilfe: An den Jahresringen kann man in günstigen Fällen das Alter ablesen.

Lederschuhe schützen die Füße und Knochen-Knebel schließen Taschen und Kleidung. Schlittknochen werden unter die Füße oder Lasten gebunden, um über zugefrorene Gewässer zu gleiten.

Pflanzen und Tiere – genutzt von den Menschen

Roggen ist das Getreide, das in slawischen Siedlungen überwiegend gefunden wird. Aus seinem Mehl wurde in erster Linie Brot gebacken, es wurde aber auch zu Brei verarbeitet und gegessen und auch zum Bierbrauen verwendet. Das gleiche gilt für Hirse, ihr Anbau durch die Slawen und die Landwirtschaft mit Fruchtwechsel wird bereits in dem Reisebericht des Ihn Ibrahim Yakub (einem ararbisch-jüdischen Händler) erwähnt, der im 10. Jahrhundert n. Chr. unser Gebiet bereiste.

Der Obstbau gewinnt ab den 10. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Gemüse spielte noch keine bedeutende Rolle, die ältesten mitteleuropäischen Funde der Spreewaldgurke stammen aus dem Mikulčice (Tschechien) und Starigrad / Oldenburg in Mecklenburg. Dort wurde auch anhand von Hopfen die Bierbrauerei nachgewiesen, in Polen gibt es auch Nachweise von Trauben, aus denen Wein gemacht wurde.

Das Schwein war das häufigste Haustier, die Geflügelhaltung nahm zu. Durch das Bevölkerungswachstum im frühen Mittelalter war der Nahrungsbedarf hoch. Deshalb wurde das Schwein bevorzugt, denn es lässt sich relativ einfach halten, und in den Wald treiben, wo es selber Futter findet (Eicheln). Ebenso kann man Geflügel in großen Mengen halten, zum Fleisch kommen dabei noch die Eier. Schafe gaben Wolle, Milch und Fleisch. Schriftliche Quellen gibt es über die Bienen-Nutzung bei den Slawen, da über Honig, Wachs und Met aus vergorenen Honig berichtet wird. Funde von hohlen Baumstämmen mit Loch als Einflugöffnung belegen die Haltung von Bienenvölkern.

Das Pferd ist für die Slawen von großem Wert. Es dient ihnen als Arbeits-, Reit- und Zugtier. Bei aufwendigem Futter ist aber sein Fleischertrag gering, man nutzt es nicht als Fleischlieferant: Pferdeknochen aus slawischen Fundstellen zeigen selten Spuren von Schlachtung (der Genuss von Pferdefleisch war im benachbarten Karolingerreich ausdrücklich verboten). Die Slawen waren bei den zeitgenössischen Völkern in der Nachbarschaft als gute Pferdezüchter bekannt, es gibt Funde von Trensen, Reitzubehör und Striegeln, auch von hölzernen Futtertrögen.

Ackerbau und Hakenpflug – Sichel und Vorratsgrube

Zu einer Siedlung gehörten Ackerland, Wald und Nutzfläche. Der Wald dient zur Waldweide für die Schweine, aber auch zur Gewinnung von Teer und Holzkohle, Honig und Bienenwachs. Allerdings gab es einen weitgehenden Kahlschlag im Umfeld größerer Burgen: Holz wurde ja ständig als Baustoff für Burgwälle und Brücken sowie die immer wieder notwendigen Reparaturen gebraucht.

Der einfache Hakenpflug (aus einer großen Astgabel) wird manchmal durch hölzerne und eiserne Stiel- und Tüllenscharen ergänzt, der sandige Boden wird damit nur kreuzweise geritzt. Zur Ernte benutzt man große Eisen-Sicheln. Vorratshaltung lässt sich an Getreide-Speichern in der Burg von Tornow ablesen, aber auch mit Flechtwerk ausgekleidete tiefe Speichergruben dienen zur Aufnahme von Getreidevorräten. Später werden sie oft zu Abfallgruben, hier finden sich dann manchmal dicke Schichten von Fischschuppen und Reste der Nahrungsvorräte. Zur Verarbeitung und Aufbewahrung von Nahrung gehören Funde wie große Vorratsgefäße, Mahlsteine und hölzerne Hirsestampfer.

Fischfang und Jagd - Fischspeer und Trittfallen

Im Spree-Havel-Gebiet ist zur Slawenzeit der höchste Geflügelanteil an der Nahrung in ganz Mitteleuropa (Hühner und Gänse) im Knochenmaterial nachgewiesen. Damals ist hier noch der Elch heimisch, sowie Rothirsch, Reh, Wildschwein und Wassergeflügel. Man kann sich eine wasserreiche Landschaft vorstellen, mit Bächen, Teichen, Seen, aber auch offenem Gelände mit Talwiesen und Sümpfen, Erlenbrüchen und Auwald. Fischfang spielt eine große Rolle, davon zeugen Netzschwimmer aus Rinde, Netzsenker aus Ton, Angelhaken und Fischspeere und vor allem Fischschuppen in den Abfallgruben. Auch die Jagd ist deutlich im archäologischen Knochenmaterial von Burgen erkennbar. Das Jagdrecht, das auch später lange wichtig ist, war wohl schon zu dieser Zeit ein Privileg des „Adels“ und war nicht jedermann gestattet. Trittfallen aus Holz, die man an Tränken auslegte, waren eine effiziente Möglichkeit der Jagd auf Pelztiere und Hochwild.

Teer und Pech - Schmiede und Töpfer

Neben regelrechten Backöfen benutzt man auch Dörröfen zum Haltbarmachen von Getreide oder Obst für den täglichen Bedarf. Kalk- und Teer- bzw. Pechöfen produzieren, teilweise in Gruppen angeordnet, Materialien, die man in Haushalt und Hausbau, Handwerk und Landwirtschaft für vieles benötigte, z.B. zum Gerben von Leder, zum Tünchen von Hauswänden oder zum Abdichten von Gefäßen oder einfach Kleben von allem Möglichen. Wiesenkalk konnte an vielen Stellen gewonnen werden, Holz zur Teergewinnung gab es genug.

Überall in feuchten Niederungen war „Raseneisenerz“ vorhanden. Die Erzgewinnung und -verarbeitung beherrschte man bereits technologisch. Herdanlagen für die Verarbeitung sind durch Funde von Schlacke und Tondüsen von Blasebälgen bekannt, echte Verhüttungsöfen sind bislang nicht gefunden worden. Das Rohmaterial wird als Eisenbarren in transportable Form gebracht. Aus Eisen wird kleineres Gerät für den Alltagsbedarf - Kleingeräte, Werkzeuge und Waffen - hergestellt. Zum bäuerlichen und handwerklichen Alltag gehört eine Menge eiserner Werkzeuge; größerer wie Pflugschare, Äxte, Meißel, Bohrer, Sicheln, Fischspeere und kleinerer, wie Messer, Ahlen, Nadeln und Angelhaken.

Eigentliche Keramikbrennöfen sind selten, die Gefäße scheinen in Gruben im offenen Feuer gebrannt worden zu sein - moderne Versuche führten zu guten Ergebnissen.

Unverzierte Keramik ist typisch für die frühslawische Zeit, Gefäße mit Verzierung, die schon auf drehbaren Untersätzen gefertigt sind, repräsentieren die mittel- und spätslawische Keramik. Hochwertige, verzierte und auf der Drehscheibe gefertigte Gefäße haben Vorbilder im Karolingerreich und sind vermittelt über Handelsorte an der Ostseeküste – wohl auch durch die Wikinger – hierhergekommen.

Die Verarbeitung tierischer Produkte wie Fell und Wolle belegen Nähnadeln, Spindeln und Spinnwirtel aus Keramik oder Stein – bei den Frauen besonders beliebt waren offenbar besondere grau-rosafarbene Spinnwirtel aus sogenanntem „Owrutscher“ Schiefer, die nur weit weg in der heutigen Ukraine zu bekommen waren. Auch Knochen und Geweih wurde verarbeitet zu Kämmen, Griffen, Pfriemen und anderen Knochengeräten – das zeigen rohe, zerteilte, bearbeitete und fertige Stücke; meist aus Werkstätten bei den Burgen.

Frauen und Männer - Schmuck und Waffen

Frauen trugen wenig Schmuck wie Ketten mit Glas- und Bernsteinperlen, selten auch aus Bergkristall und anderen Halbedelsteinen, die über weite Strecken eingehandelt wurden, dazu Finger-, Ohr- und Schläfenringe. Die Kleidung kam bei Mann und Frau weitgehend ohne Metallteile aus, beide trugen aber Messer am Gürtel, manchmal mit blechbeschlagener und verzierter Scheide.

Waffen wie Äxte, Schwerter, Lanzen und Reitzubehör wie Trensen, Sporen, Steigbügel gehören zur kriegerischen Lebenswelt, begegnen aber eher selten im Fundmaterial. Immerhin findet man sie relativ häufig in oder an Gewässern, vielleicht als Opfer niedergelegt, seltener auch in Siedlungen oder Burgwällen als Spuren gewaltsamer Auseinandersetzungen. Wertvolle Schwerter kamen aus dem Frankenreich ins Land, auch über Vermittlung des Ostseeraumes bzw. der Wikinger, der Handel damit war jedoch von Karl dem Großen streng verboten worden.

Gräber und Jenseits – Religion und Götzen

Die Gräber der Slawen enthalten nur wenige Beigaben, oft nur einen Topf, der als Behälter einer Speise- oder Trankbeigabe zu deuten ist. Auch Schläfenringe, Perlen und Messer gelangen mit den Toten und ihrer Kleidung ins Grab. Den Skelettresten selber kommt heute eine besondere Rolle zu, da sie durch die naturwissenschaftliche Forschung untersucht werden können, wodurch wir die Lebensbedingungen der Menschen kennen – welche Krankheiten sie hatten, wie alt sie wurden, was sie aßen und anderes mehr.

Archäologische Funde und historische Quellen sprechen dafür, dass die Slawen ihre Umwelt für „beseelt“ hielten, und dass die überall vorhandenen Götter durch Gaben beeinflussbar waren.

Sowohl Tempel als auch große hölzerne Götterfiguren, von denen Schriftquellen berichten (z. B. der „Triglav“ auf dem Brandenburger Marienberg), wurden etwa in Mecklenburg-Vorpommern gefunden. Kleine Figürchen, in Keramik und Knochen eingeritzt oder aus Bronze gegossen, könnten Amulette gewesen sein, die Schutz und Kraft verleihen sollten, kleine „Taschengötter“ wie das „Männchen aus Schwedt“ oder das „Pferdchen aus Brandenburg“, neuerdings auch ein Idol aus Melzow (Uckermark). Auch absichtlich in Brunnen oder Gruben mit Pferdeschädeln abgestellte Gefäße können Gaben an die Götter gewesen sein. Die häufig in Gewässern gefundenen Waffen (Lanzen und Schwerter) sind möglicherweise Opfergaben als Bitte um oder Dank für glückliche Überfahrt.

Das Pferd wurde sehr geschätzt, auch im Kult spielt es eine große Rolle. Zusammen mit Gefäßen werden Pferdeschädel in Gruben niedergelegt, bronzene Pferdefigürchen sind aus Brandenburg und Spandau bekannt, und sind auch an (Hack-)Silberschmuck erkennbar. Es gibt Pferdedarstellungen auf Tongefäßen und schließlich berichten historische Quellen über das „weiße Ross des Swantevit“ im Tempel auf Arkona auf der Insel Rügen.

Schätze und Sklaven – Händler und Waren

Damals gibt es in Brandenburg noch keine Geld- oder Münzwirtschaft. Bezahlt wird mit Silber in Form fremder (arabischer oder deutscher) Münzen und Schmuck. Nach Bedarf werden sie zerkleinert und abgewogen, man verwendet also „Hacksilber“.

Ein „Silberstrom“ ergießt sich seit dem 9. Jahrhundert ins unsere Gegend. Das Edelmetall stammt unter anderem aus dem Handel mit Sklaven. Es wird oft gehortet und vergraben, archäologische Schatz-Funde können weite Handelsverbindungen nachzeichnen.

Handelsreisende (oft sind es arabische Juden) aus Spanien und Arabien erzählen in ihren bis heute erhaltenen Berichten über ihre Reisen - es gab Personen, die weit herumkamen, ob als Krieger, Händler oder auch als menschliche „Handelsware“. Auch im Fundgut spiegeln sich europaweite Beziehungen der Slawen: Partner sind im Norden Bewohner des Ostseeraums, vermittelt durch die Wikinger, im Osten Polen, Böhmen und die Kiewer Rus’. Im Westen reichen Verbindungen bis ins arabische Spanien, im Südosten über Europa hinaus nach Byzanz und wieder bis Arabien. Für Luxusgüter und Waffen (vor allem fränkische Schwerter waren begehrt) bietet man Honig, Wachs und Felle im Tausch an. Bergkristall und Bernstein werden im Norden (Ostsee) eingetauscht, Karneolperlen und begehrte grau-rosafarbene Schieferspinnwirtel im Osten. Neben Naturprodukten werden auch Menschen als Ware „versilbert“. Der Handel mit slawischen, heidnischen Sklaven führt quer durch die christlichen Nachbarreiche bis nach Arabien, wo die Hauptabnehmer sitzen. So ist es kein Zufall, dass der Begriff ‚Sklaven’ auf die griechische und arabische Bezeichnung für die Slawen zurückgeht: ‚sklabenoi’ beziehungsweise ‚as-saqaliba’.

Übergang und Wandel

Am Ende des „Slawischen Mittelalters“ wanderte seit der Mitte des 12. Jahrhunderts im Zuge der deutschen Ostsiedlung wiederum eine fremde Bevölkerung ein, diesmal aus dem Westen. Es kam zu einem Zusammenleben von slawischen Einheimischen und deutschen, niederländischen und flämischen Zuwanderern, bei dem das slawische Sachgut recht schnell durch jenes der neuen Siedler ersetzt wurde. Die Weiterexistenz der slawischen Bevölkerung belegen gleichwohl Schriftquellen und slawische Namen noch über Jahrhunderte. Das zweisprachige Sorbengebiet in der Niederlausitz zeugt bis heute von einer Bevölkerungskontinuität über die Brüche der Ostsiedlungszeit hinweg.

In jener Periode kam es zu zahlreichen Wandlungen – es entstand ein gleichmäßiges Netz von Ansiedlungen, viele slawische Siedlungen wurden aufgegeben, neue entstanden in den Planformen des Straßen-, Anger- oder Runddorfes. Wie dies vor sich gehen konnte, zeigt eine bekannte Illustration im Sachsenspiegel: die Lokationsurkunde wird von dem vom Landesherrn beauftragten Lokator an die Siedler überreicht, die bereits Gebäude errichten. Der durch schräg gewickelte Beinkleider gekennzeichnete Slawe steht etwas abseits des Geschehens. Viele Fundplätze haben sowohl Material der Slawenzeit als auch hochmittelalterlicher Prägung erbracht, was bestätigt, dass beim Ausgreifen ins Slawengebiet offenbar häufig zunächst an deren Siedlungskammern und Kernräume angeknüpft wurde. Die Siedlungen blieben von nun an ortskonstant, nicht zuletzt wirkte die Dorfkirche als „Anker in der Landschaft“, womit die dynamische Siedlungsweise der Slawenzeit endete.

Ein Auslöser dieser neuen Raumnutzungsstrategie war die Einführung des Wendepfluges als technologische Neuerung der Agrartechnik. Er erlaubte es, die schweren Lehmböden der Moränen-Hochflächen zu nutzen, die mit dem hölzernen Hakenpflug der Slawen nicht zu meistern waren. Damit gerieten neue Räume ins Blickfeld und in Nutzung. Hinzu kommt, dass die neuen Herren gleichzeitig eine neue, raumbezogene Herrschaftsvorstellung mitbrachten, die sie danach streben ließ, den gesamten Raum zu erfassen und zu nutzen – wobei allerdings nicht zuletzt wirtschaftlich-fiskalische Gründe im Rahmen der nun eingeführten Grundherrschaft ausschlaggebend gewesen sein dürften. Die so umrissenen wirtschaftlichen, herrschaftlichen, siedlungsstrukturellen und sprachlichen Wandlungen, die vorwiegend zwischen etwa 1160 und 1250 stattfanden, sind vielfach drastisch. Insofern kann der Übergang der archäologischen Epochen auch tatsächlich als eine Umbruchzeit aufgefasst werden, in der Altes endete und Neues einsetzte.

 

Dieser Beitrag erschien unter dem Titel: Kersting, Thomas: Slawen in Brandenburg: eine archäologische Momentaufnahme. In: Wie die Mark entstand - 850 Jahre Mark Brandenburg. Fachtagung vom 20. bis 22. Juni 2007 in Brandenburg an der Havel (= Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg Band 11 / Einzelveröffentlichung des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; 9) Wünsdorf 2009, S. 15-30.

Literatur

Schopper, Franz (Hrsg.): Begleitheft zur Dauerausstellung. Archäologisches Landesmuseum Brandenburg im Paulikloster. BLDAM 2008. 51 S. mit zahlr. Illustrationen.

Schopper, Franz (Hrsg.): Klima, Knochen, Blütenstaub. Die Mensch-und-Umwelt-Stationen im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg. BLDAM 2011. 55 S. mit zahlr. Illustrationen.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 BLDAM.

Abb. 2, 3, 7, 14 Th. Kersting BLDAM.

Abb. 4 K. Schirmer, Fa. Altum.

Abb. 5, 6, 8-12, 15 D. Sommer BLDAM.

Abb. 13 E. Bönisch BLDAM.

Empfohlene Zitierweise

Kersting, Thomas: Slawenzeit, publiziert am 08.12.2023; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Ur- und Frühgeschichte
Themen: Archäologie und Siedlung


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