VEB Industriewerke / IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde

Katrin Verch

Auf Beschluss des Ministerrates der DDR begann am 1. März 1952 auf den nördlichen zwei Dritteln der Fläche der ehemaligen Daimler-Benz Motoren GmbH in Ludwigsfelde-Genshagen der Aufbau des VEB Industriewerke Ludwigsfelde. Man beabsichtigte, hier vor allem Schiffsdieselmotoren des Typs 20 KVD 25 mit 2500 PS für Schnellboote der Marine zu bauen. Damit konnte jedoch nie Serienreife erlangt werden. 1953 begannen Ingenieure dann mit der Entwicklung von Motorrollern und 1955 startete die Serienproduktion des „Pitty“ (Abb. 1, 2), 1956 des „Wiesel“, 1959 des „Berlin“ und 1963 des „Troll“. Ab 1956 wurde auch der Rennbootmotor RM 175 hergestellt.

Mit dem Aufbau der Luftfahrtindustrie in der DDR erhielt Ludwigsfelde um 1958 den Auftrag, Turbinenluftstrahltriebwerke zu bauen. Außerdem wurden Strahltriebwerke der Armee repariert, ab 1963 kam die Montage eines Armeejeeps hinzu. Zur Produktpalette des VEB Industriewerke gehörten darüber hinaus Kraftfahrzeug-, Motorrad- und Fahrradzubehör, Dieselameisen, Turbinenschaufeln mit bis zu 800 mm Länge, Gesenkschmiedestücke, Zapfwellenkrautschläger, Speziallegierungen und Elektronenstrahl-Mehrkammerschmelzöfen für den Automobilbau (Armeefahrzeuge).

Die Unterstellung des VEB Industriewerke Ludwigsfelde änderte sich mehrfach. Auf Beschluss des Ministerrates vom 18. August 1955 wechselte er am 1. Januar 1956 vom Ministerium für Allgemeinen Maschinenbau, Hauptverwaltung Automobil- und Traktorenbau, zum Amt für Technik, Verwaltung Schiffbau. 1958 wurde er der VVB Flugzeugbau Dresden unterstellt. Im Februar 1961 beschloss das Politbüro der SED die Einstellung der Flugzeugproduktion. Auf Anweisung des Volkswirtschaftsrates der DDR wurde er ab 1. Juli 1961 der neu gebildeten VVB Energiemaschinen Berlin unterstellt.

In seiner Beratung am 21. Dezember 1962 befasste sich der Ministerrat mit der künftigen Entwicklung der ehemaligen Werke der Luftfahrtindustrie und beschloss, in Ludwigsfelde einen Betrieb zur Fertigung von Nutzkraftwagen zu bauen. Beeinflusst wurde diese Entscheidung auch von der Notwendigkeit, der Landwirtschaft, insbesondere den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), robuste LKW in großer Stückzahl zur Verfügung zu stellen. Mit Wirkung vom 1. Januar 1963 wurde der VEB Industriewerke der VVB Automobilbau Karl-Marx-Stadt zugeordnet. Im Zuge der Projektierungsarbeiten traf die Regierung die Entscheidung, das vorhandene Industriewerk mit seiner Bau- und teilweise seiner Ausrüstungssubstanz zu nutzen und zu rekonstruieren.

Am 5. Juni 1964 wurde daraufhin der Grundstein für die Montagehalle des LKW „W 50“ gelegt (Werdau, 50 t; der W 50 war im VEB Kraftfahrzeugwerk „Ernst Grube“ Werdau konstruiert und mit Prototypen erprobt worden) (Abb. 3). Am 30. Juni 1965 lief in Ludwigsfelde das Montageband an, am 17. Juli 1965 rollte der erste LKW vom Band (Abb. 4). Der Betrieb führte jetzt den Namen VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde. Gleichzeitig erhielt der Ort Ludwigsfelde das Stadtrecht. Der Bau des LKW-Werkes Ludwigsfelde stellte die größte Investition im Kraftfahrzeugbau der DDR dar.

Nachdem im Dezember 1964 der letzte Motorroller gefertigt worden war, lief im Laufe des Jahres 1965 die gesamte ehemalige Produktion aus. Der Betriebsbereich Triebwerkinstandsetzung wurde zum 1. Juli 1965 dem VEB Flugzeugwerft Dresden angegliedert und ab 1. Januar 1971 als selbstständiger Betrieb VEB Instandsetzungswerk Ludwigsfelde im VEB Kombinat Spezialtechnik Dresden geführt.

Mit der Auflösung der VVB Automobilbau Karl-Marx-Stadt entstanden zum 1. Januar 1978 vier Kombinate des Fahrzeugbaus, darunter der VEB IFA-Kombinat Nutzkraftwagen Ludwigsfelde (19 Betriebe). 1979 wurde das Ludwigsfelder Werk Stammbetrieb. Am 27. August 1982 fasste der Ministerrat einen Beschluss zur Sicherung der komplexen und stabilen Leitung der Produktion von NKW und Anhängern sowie des Exportes in das nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet. Auf dieser Grundlage wurden der VEB IFA-Kombinat NKW Ludwigsfelde mit dem VEB IFA-Kombinat Spezialaufbauten und Anhänger Werdau (12 Betriebe) mit Wirkung vom 1. Januar 1983 unter dem Namen VEB IFA-Kombinat NKW zusammengelegt. Der bisher selbstständige VEB Fahrzeugwerk Treuenbrietzen wurde dem Stammbetrieb in Ludwigsfelde angegliedert, 1984 kam ein Werk zur Produktion von Pkw-Lastenanhängern in Trebbin hinzu.

Am 1. September 1977 konnte der 250.000 LKW „W 50“ ausgeliefert werden (Abb. 5). Ihn gab es in über 50 Grundvarianten mit mehr als 200 länderspezifischen Modifikationen (Abb. 6).

Der ab Juni 1987 in Ludwigsfelde gebaute „L 60“ (Ludwigsfelde, 60 t), für den die Vorbereitungsarbeiten bereits 1974 begonnen hatten, existierte in über 20 Ausführungen, u.a. als Pritschenwagen, Kofferfahrzeug, Kipper und Sattelzug. Über 70 % der Produktion gingen in den Export (Abb. 7).

Hervorgehoben sei auch die Ludwigsfelder Gesenkschmiede, in der jedes 7. Schmiedestück der DDR hergestellt wurde. Der Betrieb in Trebbin wurde zum größten Produzenten von PKW-Anhängern in der DDR.

1990 erfolgte die Privatisierung des Stammbetriebes zur Automobilwerk Ludwigsfelde GmbH. Die Werke in Treuenbrietzen und Trebbin wurden jeweils eigenständige GmbH. Im Frühjahr 1990 stellte man zwar noch einen L 60 mit Mercedes-Fahrerhaus vor, doch im August wurde mit knapp 20.300 Fahrzeugen die Produktion des L 60 eingestellt und im Dezember mit ca. 571.800 Fahrzeugen die Produktion des W 50. Mitte 1992 schloss die Schmiede. Am 18. Juni 1993 begann die Liquidation.

Quellen

BLHA Rep. 506 VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde. [Siehe: Hier]

Literatur

Bober, Rolf: Informationsmaterial zum VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde Stammbetrieb des VEB IFA-Kombinat Nutzkraftwagen Ludwigsfelde 1952 – 1996. Teltow 1996.

Brendel, Marvin: VEB Industriewerke Ludwigsfelde (1952 - 1965). Zwischen Wiederaufrüstung, Arbeiteraufstand und Mauerbau. Frankfurt (Oder) 2006.

Carow, Dietrich; Primus, Michael: IFA-Lastwagen. Aus Ludwigsfelde in die weite Welt. In: Heimatjahrbuch des Landkreises Teltow-Fläming 17 (2011), S. 18-22.

Suhr, Christian: Laster aus Ludwigsfelde. Halle/Saale 2015.

Verch, Katrin: VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde. Stammbetrieb des VEB IFA-Kombinat Nutzkraftwagen Ludwigsfelde. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 384-386.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 2 SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Wolfgang G. Schröter.

Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:IFA_W50.jpg (Foto: Knoerz - CC BY-SA 3.0).

Abb. 4 Stadtarchiv Ludwigsfelde.

Abb. 5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-L0825-0005,_Leipzig,_Messegel%C3%A4nde,_Nutzfahrzeuge.jpg?uselang=de (Foto: Heinz Koch - - CC BY-SA 3.0).

Abb. 6 SLUB Dresden / Deutsche Fotothek.

Abb. 7 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-L0825-0005,_Leipzig,_Messegel%C3%A4nde,_Nutzfahrzeuge.jpg?uselang=de (Foto: Heinz Koch - - CC BY-SA 3.0).

Empfohlene Zitierweise

Verch, Katrin: VEB Industriewerke / IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde, publiziert am 18.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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