Dolchzeit / Aunjetitzer Kultur (2200/2100–1700/1600 v. Chr.)
Günter Wetzel
Gruppen / Kulturen der Jungsteinzeit im Gebiet des heutigen Brandenburg
Frühneolithikum (um 5200–4000/3800 v. Chr.)
-> Friesack-Boberger Gruppe / Kultur
-> Linienbandkeramik
-> Stichbandkeramik / Stichreihenkeramik
-> Rössener Kultur
-> Brześć Kujawski Gruppe / Guhrauer Gruppe
-> Michelsberger Kultur
-> Frühe Trichterbecherkultur
-> Baalberger Kultur
Mittelneolithikum (um 3800/3500–2800 v. Chr.)
-> Nordische Trichterbecherkultur
-> Übergangshorizont
-> Salzmünder Kultur
-> Uckermärkische Gruppe
-> Walternienburger Kultur
-> Altmärkische Tiefstichkeramik
-> Britzer Kultur
-> Waltersdorfer Gruppe
-> Havelländische Kultur
-> Fischbecker Gruppe der -> Schönfelder Kultur
-> Bernburger Kultur
-> Kugelamphorenkultur
Spätneolithikum (um 2800–2200/2000 v. Chr.)
-> Schnurkeramik
-> Einzelgrabkultur
-> Oderschnurkeramik
-> Schönfelder Kultur
-> Ammenslebener Gruppe der -> Schönfelder Kultur
-> Glockenbecherkultur
-> Dolchzeit / Aunjetitzer Kultur
Mit dem Ende der -> Glockenbecherkultur und -> Schnurkeramik wird der Übergang zur Dolchzeit und frühen Bronzezeit eingeleitet (Müller 2000). In der Prignitz, im Havelland, in der Uckermark, im Luckauer Becken und besonders beiderseits der unteren Lausitzer Neiße konzentrieren sich Grabfunde, Hortfunde und Einzelfunde dieser Kulturen (Billig 1963; Breddin 1969; Rassmann 1993; Zich 1996; Grünewald 1998, Bönisch 2013).
Dolchzeit
Die Dolchzeit hat ihre Bezeichnung durch die als Waffe und als Grabbeigabe üblichen Feuersteindolche. Sie kommen in unterschiedlichen Typausprägungen vor, vom schlichten lanzettförmigen Typ bis hin zum ausgeprägten Dolch mit fein ausgearbeitetem „fischschwanzförmigem“ Griff (Agthe 1989) (Abb. 1, 2). Als Begleitfunde treten oft flächenretuschierte trianguläre Feuersteinpfeilspitzen auf. Hin und wieder kommen in den Gräbern große Bernsteinperlen bzw. -anhänger vor (Abb. 3). Die Keramik wird durch schlichte Becher, zuweilen mit stacheldrahtähnlichem Muster oder unregelmäßiger Ritzverzierung, durch Wulstleistengefäße, aber vor allem durch wenig typische Napf- und Kümmerformen bestimmt (Rassmann 1993) (Abb. 4). Üblich ist die Körperbestattung. In einigen Fällen ist auch eine Baumsargbestattung anzunehmen. Siedlungsgrabungen, deren Zuweisung zu einer der beiden Gruppen mangels typischer Funde häufig schwerfällt, haben auch „Werkstätten“ zur Feuersteinbearbeitung, in einem Fall offensichtlich sogar speziell zur Herstellung von Feuersteindolchen, ergeben (Beran 1998; Stapel 1998a; ders. 1998b) (Abb. 5). In Gebieten, in denen die Aunjetitzer Kultur vertreten ist, die ebenfalls Feuersteindolche führt, ist eine Trennung oft schwierig.
Aunjetitzer Kultur
Die im Land Brandenburg vorwiegend vom Havelland bis in die Niederlausitz (Billig 1963; Breddin 1969; ders. 1992) und dann weiter in Schlesien und in der Oberlausitz) verbreitete Aunjetitzer Kultur wurde nach einem Fundort nördlich von Prag (Únětice) benannt. Westlich und südwestlich schließen sich die von ihr besiedelten Gebiete Mitteldeutschlands und der Altmark an. Typisch sind Gefäße, vor allem Tassen, mit mehr oder weniger scharfem Bauchknick, geschwungener C-förmiger Halspartie und auswärts gebogenem Rand. Ferner kommen Zapfenbecher, wenig profilierte Näpfe und Töpfe sowie als Siedlungsware große schlickgeraute bauchige Töpfe mit glatter Halspartie und Wulstleistentöpfe vor. Als Sonderform ist das sogenannte Igelgefäß von Groß Gastrose (Landkreis Spree-Neiße) zu nennen (Breddin 1960) (Abb. 6). Nach Billig (1963) sind Verbindungen zur mährischen Věteřov-Kultur über Schlesien für die Niederlausitz wahrscheinlich. Die zahlreicher werdenden Keramikfunde im Havelland lassen neben den vermehrten Grab- und Siedlungsfunden inzwischen nicht mehr an einer eigenständigen Besiedlung im Havelgebiet zweifeln (Breddin 1992; Beran 2000; Beran/Hensel 2013; Wetzel 2018; Beran/Heller 2019) (Abb. 7).
Für das Havelland listet Breddin (1992) folgende Metallobjekte auf: sächsische Randbeile, norddeutsche Randbeile, langgestieltes Randbeil, Lochaxt, Thüringer Ringe, schwere geschlossene Ringe, schwere offene Ringe, Blutegelringe, Ösenhalsringe, schwere Halsringe, Armringe, Armspiralen mit Kegelaufsatz, einfache Armspiralen, kleine Noppenringe, kleine Drahtspiralen, Oder-Elbe-Dolch, Malchiner Dolch, Schmuckschild (Abb. 8) und Perlenkette. Anhand verschiedener Parallelfunde sind Beziehungen zu den oben genannten Nachbarregionen festzustellen. Auffallend ist das bisherige Fehlen von Goldobjekten im Gegensatz zu Mitteldeutschland, der Oberlausitz und der Niederlausitz. Unter den Metallobjekten in der Niederlausitz wären die Ösenkopfnadel (Grünwald 1998, Bönisch 2013), Armringe und Halsringe unterschiedlicher Typen, Randleistenbeile, trianguläre Dolche, Stabdolche und doppelschneidige Äxte zu erwähnen. Die große Anzahl gleichartiger Objekte in dem Hortfund von Bresinchen (Landkreis Spree-Neiße) (Breddin 1969) (Abb. 9, 10) lässt an die Möglichkeit denken, dass hier eine Art Geldfunktion vorgelegen haben könnte. Natürlich ist auch eine Opfergabe wie auch ein Händler- oder Siedlerversteck nicht auszuschließen (Hänsel 1997).
In diese Zeit gehören auch runde Scheiben aus Schulterblattknochen mit Durchlochung und Punkt- oder Ritzverzierung (Wustermark / Landkreis Havelland) (Abb. 11), Feuersteindolche (Abb. 1, 2), Zapfenkeile (Abb. 12) und eventuell eine hölzerne Schöpfkelle von Wustermark 22 (Abb. 13).
Nach wie vor wird die Körperbestattungssitte in neolithischer Tradition geübt. Die Gräber sind annähernd Nord-Süd oder in ähnlicher Richtung variierend als rechte Hockerbestattung ausgerichtet (Wetzel 2018) (Abb. 14). Steinpflaster auf der Sohle, Steinsetzungen (als Haltesteine für einen vergangenen Baumsarg) und auch Steinabdeckungen wurden gefunden (Grünewald 1998; Bode 1998; Schulz 2013, Bönisch 2013). Selten sind Knochen erhalten. Als Beigaben sind Gefäße üblich, Metalle und Bernsteinschmuck nicht so häufig (Bönisch 2013). Noch seltener sind kleine Hammerkopfnadeln (Abb. 7) oder gar Gürtelhaken aus Geweih (Wustermark 15, Wustermark 23) (Abb. 15). In brandenburgischen Grabfunden kommen – bisher nur in der Niederlausitz, die damit, aber auch durch die überragenden Hortfunde beiderseits der Neiße zwischen Forst und Guben, als Gruppe hervorgehoben wird – hin und wieder kleinteilige goldene Schmuckringe vor (Schulz 2013) (Abb. 16). Fürstengräber wie in Sachsen-Anhalt fehlen in Brandenburg aber und sind aufgrund der spärlicheren naturräumlichen Ausstattung wohl auch nicht zu erwarten.
Siedlungsfunde sind inzwischen bekannt (Wustermark: Beran/Hensel 2013; Beran/Heller im Druck), aber nicht ausreichend publiziert (Nauen / Landkreis Havelland; Groß Gastrose / Landkreis Spree-Neiße). Neben Hausgrundrissen (Wustermark 22: Beran/Hensel 2013; Wustermark 23: Wetzel 2001; Fischer-Schröter 2016) (Abb. 17) wurden auch Silogruben zur Speicherung von Getreide entdeckt. Bei Groß Gastrose (Landkreis Spree-Neiße) wurde ein Fund von Spelzgerste geborgen, der mittels Radiocarbondatierung auf 2115-1910 cal.BC datiert wurde. In einer nahegelegenen Siedlung auf der gleichen Gemarkung wurden Emmer, Saatweizen und Rispenhirse für diese Zeit als verkohlte Reste entdeckt (Jahns et al. 2018). In Rathsdorf (Landkreis Märkisch-Oderland) fanden sich erstmals Pflugspuren auf einer Düne (Lehmphul, im Druck). Auf einheimische Bronzeverarbeitung weist eine Tondüse eines Blasebalges hin (Beran/Heller 2019). Befestigungen sind bisher nicht nachgewiesen.
Literatur
Agthe, Markus: Bemerkungen zu Feuersteindolchen im nordwestlichen Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur. In: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsische Bodendenkmalpflege 33 (1989), S. 15–113.
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Beran, Jonas: Frühe Bronzezeit. In: Potsdam, Brandenburg und das Havelland (= Führer zu archäologischen Denkmalen in Deutschland, 37). Stuttgart 2000, S. 53-58.
Beran, Jonas / Hensel, Nicola: Zum früh- und mittelbronzezeitlichen Siedlungswesen im westlichen Brandenburg. Rettungsgrabungen und archäologische Baubegleitungen der Archäologie Manufaktur GmbH 1996 bis 2012. In: Kneisel, Jutta / Behnke, Hans-Joachim / Schopper, Franz (Hrsg.): Frühbronzezeit – Mittelbronzezeit. Neue Erkenntnisse zur Besiedlung zwischen Elbe und Warthe und angrenzenden Regionen (2000–1400 v. Chr.). Symposium 24.–25. Sept. 2011 in Welzow/Brandenburg (= Studien zur Archäologie in Ostmitteleuropa, 10). Bonn 2013, S. 55–94.
Beran, Jonas / Heller, Markus: Düse und Dolche – Funde aus Siedlungen der Aunjetitzer Kultur in Potsdam. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2017. Darmstadt 2019, S. 43–47.
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Bönisch, Eberhard: An Neiße, Malxe und Petershainer Fließ. Neue frühbronzezeitliche Fundstellen in der Niederlausitz. In: Kneisel, Jutta / Behnke, Hans-Joachim / Schopper, Franz (Hrsg.): Frühbronzezeit – Mittelbronzezeit. Neue Erkenntnisse zur Besiedlung zwischen Elbe und Warthe und angrenzender Regionen (2000–1400 v. Chr.). Symposium vom 24.–25. September 2011 in Welzow/Brandenburg (= Studien zur Archäologie in Ostmitteleuropa, 10). Bonn 2013, S. 39–54.
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Abbildungsnachweis
Abb. 1 Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte; BLDAM Foto D. Sommer A 06-822-3.
Abb. 2 Nach Bohm 1937, Taf. 13.
Abb. 3 Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte; Foto D. Sommer, BLDAM. (nach Smolnik, 2001, Abb. 11).
Abb. 4 Nach Stapel 1998a, Abb. 11.
Abb. 5 Nach Stapel 1998a, Abb. 12.
Abb. 6 Nach Breddin 1960, Abb. 1-2 und Titelbild.
Abb. 7 Nach Beran 2000, Abb. 14.
Abb. 8 Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Fotoarchiv SMB-SPK/MVF, DP 11349, Foto Klaus Göken.
Abb. 9 BLDAM, nach Breddin 1969, Abb. Titelbild.
Abb. 10 BLDAM, nach Breddin 1969, Abb. 18a.
Abb. 11 Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte; Foto: BLDAM, D. Sommer.
Abb. 12 Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte; Foto: BLDAM, D. Sommer.
Abb. 13 BLDAM, Foto D. Sommer A 00-433-2.
Abb. 14 BLDAM, Foto D. Sommer A 96-915-5.
Abb. 15 BLDAM, Foto D. Sommer.
Abb. 16 Nach Schulz 2013, Abb. S. 60.
Abb. 17 Nach Beran 2000, Abb. 15.1, und Wetzel 2001, Abb. 9.
Empfohlene Zitierweise
Wetzel, Günter: Dolchzeit / Aunjetitzer Kultur (2200/2100–1700/1600 v. Chr.), publiziert am 04.06.2019; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)
Kategorien
Epochen: Frühzeit
Themen: Archäologie und Siedlung