Einzelgrabkultur (2800/2700–2200 v. Chr.)
Günter Wetzel
Gruppen / Kulturen der Jungsteinzeit im Gebiet des heutigen Brandenburg
Frühneolithikum (um 5200–4000/3800 v. Chr.)
-> Friesack-Boberger Gruppe / Kultur
-> Linienbandkeramik
-> Stichbandkeramik / Stichreihenkeramik
-> Rössener Kultur
-> Brześć Kujawski Gruppe / Guhrauer Gruppe
-> Michelsberger Kultur
-> Frühe Trichterbecherkultur
-> Baalberger Kultur
Mittelneolithikum (um 3800/3500–2800 v. Chr.)
-> Nordische Trichterbecherkultur
-> Übergangshorizont
-> Salzmünder Kultur
-> Uckermärkische Gruppe
-> Walternienburger Kultur
-> Altmärkische Tiefstichkeramik
-> Britzer Kultur
-> Waltersdorfer Gruppe
-> Havelländische Kultur
-> Fischbecker Gruppe der -> Schönfelder Kultur
-> Bernburger Kultur
-> Kugelamphorenkultur
Spätneolithikum (um 2800–2200/2000 v. Chr.)
-> Schnurkeramik
-> Einzelgrabkultur
-> Oderschnurkeramik
-> Schönfelder Kultur
-> Ammenslebener Gruppe der -> Schönfelder Kultur
-> Glockenbecherkultur
-> Dolchzeit / Aunjetitzer Kultur
Die fast ausschließlich geübte Bestattungsform gab dieser in Norddeutschland verbreiteten Kultur ihren Namen (Struve 1955). Knapp gefasste Fundzusammenstellungen sind 50 Jahre alt (Kaufmann 1969; Wetzel 1969). Im Raum südlich von Berlin fällt eine Zuordnung kleinteiliger verzierter Scherben zur Einzelgrabkultur oder zur zeitgleichen -> Schnurkeramik, die hauptsächlich südlich der Höhe von Berlin gefunden wird, schwer.
Geschweifte Becher sind am Hals mit Schnur- oder Stich- und Ritzeindrücken verziert. Unverzierte Becher kommen auch vor, was ihre Zuordnung erschwert. Im Gebiet der -> Oderschnurkeramik, also hauptsächlich in der Uckermark und dem Pyritzer Weizacker beiderseits der unteren Oder, ist eine Trennung von der Oderschnurkeramik schwierig (Schroeder 1951; Wittkopp 2019). Neben horizontal angeordneten linearen Mustern kommen auch Wellenlinien und verbreitet Fischgrät- oder Tannenzweigmuster vor (Kramer 1961; Geisler 1966; Boroffka 1998; Dirks/Stark 2016) (Abb. 1, 2). Selten sind Schalen und Amphoren, ferner kommen sogenannte Riesenbecher vor, die meist unverziert sind, aber unter dem Rand ein bis drei Wulstleisten tragen können (Wetzel 1969; Lehmphul 2018) (Abb. 3).
Als Waffe dienten Streitäxte unterschiedlicher Formen, die mit Buchstaben von A bis K benannt typologisch unterschieden werden (Struve 1955) (Abb. 4). Sie lassen aufgrund ihrer stratigraphischen Lage in den Gräbern auch eine relative zeitliche Abfolge erkennen. Als älteste Form kann die Hammeraxt vom Typ A herausgestellt werden. Häufig sind noch die jüngeren Formen der Typen H (Bootaxt) und der jüngsten Form K (Axt mit zusammengekniffenem Nacken). Durch die Häufigkeit der Äxte wird diese Kultur auch zu den Streitaxtkulturen gerechnet (-> Schnurkeramik, -> Oderschnurkeramik).
Daneben sind flächig retuschierte Feuersteinpfeilspitzen von rhombischer, lanzettförmiger oder dreieckiger Form, hin und wieder auch gestielt, als Waffe üblich. Für den Nahkampf, aber wohl auch als Messer dienten beidseitig retuschierte dicke Flintspitzen. Dieser Kultur gehören auch die Spandolche an. Das sind kräftige lange, schwach gebogene Feuersteinklingen, die zusätzlich zur Randschärfung durch Retusche auf den Längsbahnen überschliffen wurden (Brandenburg-Görden: Rassmann 1993). Weiter westlich stammt ein Teil dieser Dolche bzw. Messer aus dem importierten Feuerstein von Grand Pressigny in Nordfrankreich.
Zur Wirtschaft und zum Siedlungswesen sind kaum Aussagen möglich, da die Befundlage dies noch nicht hergibt. Es gibt bisher auch keine naturwissenschaftlichen Datierungen zu dieser Kultur im Land Brandenburg.
Ausführlicher sind wir über die Bestattungssitten unterrichtet, vorwiegend aus der nordwestlichen Nachbarregion. In vielen Fällen wurde über dem Grab ein Grabhügel aufgeschüttet, der heute oft schwer nachweisbar ist. Im Hügel über der Erstbestattung, die noch in den Boden eingetieft war, bestatteten jüngere Generationen etwas oberhalb weitere Tote, vielleicht in Familientradition. Man gliederte danach die Einzelgrabkultur in Untergrabstufe, Bodengrabstufe, Obergrabstufe und Oberstgrabstufe (Struve 1955). Eine derart feine Gliederung ist östlich der Elbe nicht möglich (Jacobs 1991). Der in rechter Hocklage mit dem Schädel im Nordosten begrabene Tote von Eichwerder (Landkreis Märkisch-Oderland) hatte neben einem reichverzierten Becher eine Axt, acht Pfeilspitzen, ein Feuersteinmesser und eine Knochennadel als Beigaben mitbekommen. Eine quer über dem Grab angeordnete rechteckige vermutete Totenhütte bleibt in ihrer Deutung fraglich (Wittkopp 2019). Nachbestattungen in den älteren Großsteingräbern der -> Trichterbecherkultur sind üblich. Brandbestattung in Flachgräbern ist selten. Bei Schönfeld in der Prignitz wurden drei Brandgräber entdeckt, eines davon enthielt neben rhombischen bzw. lanzettförmigen Pfeilspitzen auch eine Kette von Knochenperlen und einen gestielten Ringanhänger (Bohm 1937) (Abb. 5). Solche Ringanhänger kommen auch in der -> Schönfelder Kultur, der -> Schnurkeramik und der -> Glockenbecherkultur in Mitteldeutschland, in Böhmen und in Süddeutschland vor (Wetzel 1979).
Literatur
Agthe, Markus: Bemerkungen zu Feuersteindolchen im nordwestlichen Verbreitungsgebiet der Aunjetitzer Kultur. In: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsische Bodendenkmalpflege 33 (1989), S. 15–113.
Bohm, Waltraud: Die Vorgeschichte des Kreises Westprignitz. Leipzig 1937.
Boroffka, Michael / Peter-Röcher, Heidi / Wittkopp, Blandine: Stadttor, Siedlung, Einzelgrab. Münchenberg, Landkreis Märkisch-Oderland: Straßenbau öffnete ein Fenster zu Mittelalter und Vorgeschichte. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 1997. Stuttgart 1998, S. 121–123.
Dirks, Ulrich / Stark, Joachim: Ein Bestattungsplatz der frühen bis älteren Trichterbecherkultur bei Melzow, Lkr. Uckermark. In: Veröffentlichungen der brandenburgischen Landesarchäologie 47 (2016), S. 109–138.
Geisler, Horst: Gräber der Einzelgrabkultur und der jüngeren Bronzezeit vom Eichberg bei Schönermark, Kr. Angermünde. In: Ausgrabungen und Funde 11 (1966), S. 128–130.
Jacobs Jörn: Die Einzelgrabkultur in Mecklenburg-Vorpommern. Lübstorf 1991.
Kaufmann, Dieter: Keramische Funde der Einzelgrabkultur bzw. Oderschnurkeramik in den mecklenburgischen Bezirken. In: Behrens, Hermann / Schlette, Friedrich (Hrsg.): Die neolithischen Becherkulturen im Gebiet der DDR und ihre europäischen Beziehungen. Berlin 1969, S. 115–123.
Kramer, Sieglind: Zwei neue jungsteinzeitliche Becherfunde aus der Ostprignitz. In: Pritzwalk und Prignitz. Beiträge zur Heimatkunde (= Veröffentlichungen des Heimatmuseums Pritzwalk, 2). Pritzwalk 1961, S. 9–12.
Lehmphul, Ralf: Bell Beaker common ware and Giant Beakers. A Final Neolithic to Early Bronze Age settlement model based on the sequence of site Altgaul, Brandenburg. In: Journal of Neolithic Archaeologie, Spec. ed. 4/2018 (https://www.academia.edu/38024629/Bell_Beaker_common_ware_and_Giant_Beakers._A_Final_Neolithic_to_Early_Bronze_Age_settlement_model_based_on_the_sequence_of_site_Altgaul_Brandenburg, abgerufen 30.01.2019)
Rassmann, Knut: Spätneolithikum und frühe Bronzezeit im Flachland zwischen Elbe und Oder. (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns, 28). Lübstorf 1993.
Schroeder, Roland: Die Nordgruppe der Oderschnurkeramik (= Vorgeschichtliche Forschungen, 14). Berlin 1951
Struve, Karl W.: Die Einzelgrabkultur in Schleswig-Holstein. Neumünster 1955.
Wetzel, Günter: Oderschnurkeramik und Einzelgrabkultur in Brandenburg. In: Behrens, Hermann / Schlette, Friedrich (Hrsg.): Die neolithischen Becherkulturen im Gebiet der DDR und ihre europäischen Beziehungen. Berlin 1969, S. 101-113.
Wittkopp, Blandine: Neolithisches Totenhaus. Bedeutsamer Neufund bei Eichwerder, Lkr. Märkisch-Oderland. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2017. Darmstadt 2019, S. 34–36.
Abbildungsnachweis
Abb. 1 Vorlage Wetzel nach Schroeder 1951.
Abb. 2 Nach Dirks/Stark 2016, Abb. 21.
Abb. 3 Nach Wetzel 1969, Abb. 102.
Abb. 4 Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte, versch. Inv.Nrn.; Foto: BLDAM, D. Sommer.
Abb. 5 Museum Perleberg; nach W. Bohm 1937, Taf. 14, Ausschnitt nur die Nrn. 1-4 u. 15.
Empfohlene Zitierweise
Wetzel, Günter: Einzelgrabkultur (2800/2700–2200 v. Chr.), publiziert am 02.05.2019; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)
Kategorien
Epochen: Frühzeit
Themen: Archäologie und Siedlung