Fischbecker Gruppe (um 3200–2700 v. Chr.), Schönfelder Kultur (Nordgruppe) (2800/2700-2200 v. Chr.), Ammenslebener Gruppe (2600/2500–2200 v. Chr.)

Günter Wetzel

Gruppen / Kulturen der Jungsteinzeit im Gebiet des heutigen Brandenburg

Frühneolithikum (um 5200–4000/3800 v. Chr.)

-> Friesack-Boberger Gruppe / Kultur

-> Linienbandkeramik

-> Stichbandkeramik / Stichreihenkeramik

-> Rössener Kultur

-> Brześć Kujawski Gruppe / Guhrauer Gruppe

-> Michelsberger Kultur

-> Frühe Trichterbecherkultur

-> Baalberger Kultur

Mittelneolithikum (um 3800/3500–2800 v. Chr.)

-> Nordische Trichterbecherkultur

-> Übergangshorizont

-> Salzmünder Kultur

-> Uckermärkische Gruppe

-> Walternienburger Kultur

-> Altmärkische Tiefstichkeramik

-> Britzer Kultur

-> Waltersdorfer Gruppe

-> Havelländische Kultur

-> Fischbecker Gruppe der -> Schönfelder Kultur

-> Bernburger Kultur

-> Kugelamphorenkultur

Spätneolithikum (um 2800–2200/2000 v. Chr.)

-> Schnurkeramik

-> Einzelgrabkultur

-> Oderschnurkeramik

-> Schönfelder Kultur

-> Ammenslebener Gruppe der -> Schönfelder Kultur

-> Glockenbecherkultur

-> Dolchzeit / Aunjetitzer Kultur

 

Alle drei Namen dieser lokalen Keramikfacies einer Kulturgruppe gehen auf früh entdeckte Fundorte zurück: Schönfeld, zum Ort Steinfeld, Ortsteil von Bismark bei Stendal (Landkreis Stendal), Ammensleben bei Haldensleben (Landkreis Börde) und Fischbeck gegenüber Tangermünde (Landkreis Stendal). Ihre Hauptverbreitung ist in der östlichen Altmark bis ins Nordharzvorland und ins Havelgebiet nachgewiesen. Ausläufer finden sich bis nach Österreich und ins Hannoversche Wendland. Die Gruppen unterscheiden sich im keramischen Inventar, sind aber durch die Brandgrabsitte und die Schale als Hauptform der Keramik miteinander verbunden (Wetzel 1979).

Schönfelder Kultur

Die Schönfelder Kultur, auch als Schönfelder Nordgruppe bezeichnet, ist gekennzeichnet durch flache Kalottenschalen, zu denen engmündige halslose Amphoren (sogenannte Ostharzamphoren), konische und gewölbtwandige Becher und Tassen sowie Füßchenschalen kommen (Abb. 1–4.) Die Henkelösen unter dem Rand sind nebeneinander, also paarig, angebracht. Die Verzierung wird in vielfältiger Art durch Winkelstich- und Furchenstichlinien unter dem Rand gebildet und läuft auch auf die Henkel zu. Markant ist die Anordnung von Verzierungsbändern auf den Schalen. Entweder gehen sie strahlenförmig vom eingedellten Omphalosboden aus, markanter sind jedoch parabelförmig oder sektorenartig angeordnete Varianten. Dies führte frühzeitig zu einem Vergleich mit dem Symbol einer aufgehenden oder strahlenden Sonne, unterstützt durch die entsprechend angeordneten Henkelösen. Dadurch kommt man automatisch dazu, sich diese Schalen als an der Wand hängend vorzustellen (Abb. 5). Die Verwendung im praktischen Leben konnte noch nicht abschließend geklärt werden. Verwendung fanden sie häufig als Behältnis für die Knochenasche der Verstorbenen. Die Siedlungsware ist noch nicht ausreichend erforscht, es sind hohe Töpfe mit Wulstleiste unter dem Rand üblich.

Ammenslebener Gruppe

Die Ammenslebener Gruppe führt im Gegensatz zur sogenannten Schönfelder Nordgruppe Schalen mit schräger oder geschwungener Wandung. Die Verzierung ist gekennzeichnet durch feine Winkelstichbänder und die Verwendung von dreikantigen Einstichen, dem sogenannten Pfeilstich. Verbreitet ist sie vom Nordharzvorland bis ins Havelland (Abb. 4). Als Waffe sind kleine Äxte aus Felsgestein typisch. Daneben kommen flächig retuschierte rhomboide Feuersteinpfeilspitzen, besonders in der Nordgruppe aber querschneidige Feuersteinpfeilspitzen vor, letztere oft wie die ebenfalls vorhandenen Feuersteinbeile trotz der geringen Größe ganzseitig geschliffen. Vereinzelt werden Streitäxte gefunden, die aus der -> Einzelgrabkultur entlehnt sind (Äxte vom Typ H und K).

In beiden Gruppen sind neben üblichem Tierzahn- und Tierknochenschmuck sogenannte Ringanhänger überliefert, die mit einem geraden gelochten Stiel- oder ankerförmigem, auch plattenförmigem Ende versehen sein können (Abb. 6, 7). Es handelt sich eventuell um stilisierte Frauendarstellungen, die von Vorformen aus dem Balkan abzuleiten sind (Wetzel 1979; Hille 2012). Vielleicht hängen sie auch mit dem vermuteten Sonnenkult zusammen. Parallelfunde aus der -> Schnurkeramik, der -> Einzelgrabkultur (Schönfeld / Landkreis Prignitz: Bohm 1937) (Abb. 8) und der -> Glockenbecherkultur bezeugen die Gleichzeitigkeit und möglicherweise auch Heirats- oder andere Beziehungen.

Die Verzierung und Hervorhebung des Schalenbodens der Kalottenschalen durch Eindellung, durch deren Verzierung (Abb. 10) und die Radial- und Sektorenverzierungen auf der Schalenwandung in Verbindung mit paarig nebeneinander gestellten Henkelösen (Abb. 5) sowie die Sitte der Totenverbrennung führte schon früh zu der Vermutung, dass die Menschen der Schönfelder Kultur in irgendeinem Sinne mit dem Sonnenkult verbunden sein konnten. Angesichts der um einige Jahrhunderte jüngeren Himmelsscheibe vom Mittelberg aus dem Ziegelrodaer Forst, als Himmelsscheibe von Nebra bekannt, keine so fern liegende Vermutung.

Fischbecker Gruppe

Als Fischbecker Gruppe, benannt nach einem Siedlungsplatz im Elbetal bei dem Fundort Fischbeck unweit Jerichow, wird eine ältere Phase der Schönfelder Kultur bezeichnet, die enge Verbindung zur -> Kugelamphorenkultur oder den gleichzeitigen Kulturen in Mitteldeutschland erkennen lässt (um 3200-2700 v. Chr.; Wetzel 1979, 70ff.). Typisch sind Schüsselformen, deren Schulter mit einem horizontalen Stichband verziert ist, das eine Winkellinie ausspart, sowie Amphoren mit Standboden. (Abb. 11) Über die Bestattungssitte ist noch nichts bekannt, vermutet wird Körperbestattung. Ausläufer dieser vorwiegend im Mittelelbegebiet verbreiteten Gruppe reichen bis in das Havelland, wo sie schwer von -> Havelländischer oder -> Kugelamphoren-Tonware unterscheidbar ist.

Da einige Funde im Bereich des östlichen Havellandes eine besondere, abweichende Verzierung gegenüber der Schönfelder Nordgruppe aufweisen, ist Jonas Beran der Meinung, es könnte eine abzugrenzende Schönfelder Ostgruppe geben. Die Fundbasis ist noch zu gering für weitere Aussagen (Beran/Richter 2019) (Abb. 12).

Von Brandenburg-Neuendorf liegt ein Hausgrundriss vor (Abb. 13), weitere Siedlungsreste wurden bei Steckelsdorf 12 (Landkreis Havelland) ausgegraben (Uhl 2005; Kretschmar 2014). Spärliche Hinweise gibt es durch wenige datierbare Knochenfunde und Abdrücke von Getreidekörnern in Keramik (Schultze-Motel/Wetzel 1979). Wie die vielen flachen Schalen in der Wirtschaft verwendet wurden, ist strittig.

Die Knochenasche der verbrannten Toten wurde in den flachen Schalen beigesetzt und mit solchen auch abgedeckt (Abb. 9). In der Knochenasche finden sich die auf dem Scheiterhaufen mit verbrannten persönlichen Beigaben wie Schmuck, Geräte und Waffen. Bei den Altfunden Lübeln und Dangenstorf im Hannoverschen Wendland weisen Altfunde auf Totenhütten hin.

Erwähnt sei noch, dass auch durchaus in den gebrannten Knochenresten Nachweise für eine Trepanation geführt werden können, wie am Beispiel von Polkern in der Altmark (Landkreis Stendal) ersichtlich (Wetzel 1979) (Abb. 14).

Literatur

Behm, Günter: Die Schalenverzierungen der Schönfelder Gruppe. Ein Versuch ihrer Deutung. In: Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 34 (1950), S. 32-55.

Behm-Blancke, Günter: Zur Herkunft der neolithischen „Neurochirurgenschule“ in Mitteldeutschland. In: Ausgrabungen und Funde 9 (1964), S. 238–242.

Beran, Jonas / Richter, Frank: Trichterbecher, Kugelamphoren und Glockenbecher. Neolithisches Siedlungsbild im Potsdamer Norden weiter komplettiert. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 17 (2019),  S. 37–40.

Bohm, Waltraud: Die Vorgeschichte des Kreises Westprignitz. Leipzig 1937.

Hensel, Nicola / Beran, Jonas: Die Bewohner der Steinzeitburg. Ein Brand- und Körpergräberfeld der Kugelamphoren- und Schnurkeramikzeit am Alten Markt in Potsdam. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2013. Darmstadt 2014, S. 36–39.

Krause, Paul / Gahrau-Rothert, Liebetraut: Ein jungsteinzeitliches Haus der Schönfelder Gruppe von Brandenburg (Havel)-Neuendorf. In: Nachrichtenblatt für Deutsche Vorzeit 17 (1941), S. 193-197.

Kretschmer, Patricia: Die Funde und Befunde der Schönfelder Kultur aus Steckelsdorf 12, Lkr. Havelland, Teil 1. Ungedr. MA, FU Berlin. Berlin 2014.

Müller, Johannes: Zur Radiocarbondatierung des Jung- bis Endneolithikums und der Frühbronzezeit im Mittelelbe-Saale-Gebiet (4100–1500 v. Chr.). In: Bericht der Römisch Germanischen Kommission 80 (1999/2001), S. 31–90.

Müller, Johannes: Soziochronologische Studien zum Jung- und Spätneolithikum im Mittelelbe-Saale-Gebiet (4100–2700 v. Chr.) (= Vorgeschichtliche Forschungen, 21). Rahden/Westfalen 2001.

Nowothnig, Walter: Die Schönfelder Gruppe. Halle 1937.

Schultze-Motel, Jürgen / Wetzel, Günter: Pflanzenabdrücke an mittel- und spätneolithischen Gefäßen. In: Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 12 (1979), S. 51–58.

Uhl, Ursula: Vom Winde verweht. Schönfelder Kultur und Elb-Havel-Gruppe in Steckelsdorf, Lkr. Havelland. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2004. Stuttgart 2005. S. 36–39.

Wetzel, Günter: Die Schönfelder Kultur. Berlin 1979.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Nach Uhl 2005, Abb. 28.

Abb. 2 Mus. Stendal, Foto G. Wetzel.

Abb. 3 Nach Uhl 2005, Abb. 26

Abb. 4 Vorlage G. Wetzel nach Wetzel 1979

Abb. 5 Nach Behm 1950, Abb. 4.

Abb. 6 Nach Wetzel 1979.

Abb. 7 Nach Wetzel 1979, Abb. 19.

Abb. 8 Nach Bohm 1937, Taf. 14, 1-5, 15.

Abb. 9 Nach Wetzel 1979, Abb. 29 (nach Nowothnig 1937).

Abb. 10 Nach Wetzel 1979.

Abb. 11 Vorlage Wetzel nach Wetzel 1979

Abb. 12 Nach Beran/Richter 2019, Abb. 1.

Abb. 13 Nach Krause/Gahrau-Rothert 1941.

Abb. 14 Nach Wetzel 1979.

Empfohlene Zitierweise

Wetzel, Günter: Fischbecker Gruppe (um 3200–2700 v. Chr.), Schönfelder Kultur (Nordgruppe) (2800/2700-2200 v. Chr.), Ammenslebener Gruppe (2600/2500–2200 v. Chr.), publiziert am 02.05.2019; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Frühzeit
Themen: Archäologie und Siedlung 


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