Übergangshorizont der Trichterbecherkultur (um 3800/3700–3400/3300 v. Chr.) Salzmünder Kultur, Moltzower Zierstil
Günter Wetzel
Gruppen / Kulturen der Jungsteinzeit im Gebiet des heutigen Brandenburg
Frühneolithikum (um 5200–4000/3800 v. Chr.)
-> Friesack-Boberger Gruppe / Kultur
-> Linienbandkeramik
-> Stichbandkeramik / Stichreihenkeramik
-> Rössener Kultur
-> Brześć Kujawski Gruppe / Guhrauer Gruppe
-> Michelsberger Kultur
-> Frühe Trichterbecherkultur
-> Baalberger Kultur
Mittelneolithikum (um 3800/3500–2800 v. Chr.)
-> Nordische Trichterbecherkultur
-> Übergangshorizont
-> Salzmünder Kultur
-> Uckermärkische Gruppe
-> Walternienburger Kultur
-> Altmärkische Tiefstichkeramik
-> Britzer Kultur
-> Waltersdorfer Gruppe
-> Havelländische Kultur
-> Fischbecker Gruppe der -> Schönfelder Kultur
-> Bernburger Kultur
-> Kugelamphorenkultur
Spätneolithikum (um 2800–2200/2000 v. Chr.)
-> Schnurkeramik
-> Einzelgrabkultur
-> Oderschnurkeramik
-> Schönfelder Kultur
-> Ammenslebener Gruppe der -> Schönfelder Kultur
-> Glockenbecherkultur
-> Dolchzeit / Aunjetitzer Kultur
Anhand der verschiedenen Keramikformen lassen sich in Mitteldeutschland in der Nachfolge der -> Baalberger Kultur (3950–3400 v. Chr.; Preuß 1966) die Salzmünder Kultur (3400–3100 v. Chr.; Beran 1993) und der Moltzower Stil gut abgrenzen, beide nach Fundorten benannt. Im Land Brandenburg sind nur Ausläufer solcher spärlich verzierten Keramik festzustellen. Eine typische Waffe der Salzmünder Kultur, die mit geometrischen Verzierungen versehene Streit- oder Kultaxt, ist als Einzelfund von Strodehne (Landkreis Havelland) bei Rathenow bekannt (Kirsch 1993) (Abb. 1).
Eine weitgehend unverzierte oder nur spärlich gemusterte bzw. verzierte Keramik wurde wegen der Schwierigkeit ihrer Zuordnung und bisher nicht möglichen Untergliederung erstmals von Kirsch (1994) als -> Übergangshorizont benannt und zeitlich zwischen -> früher und älterer Trichterbecherkultur eingeordnet (d.h. den nachfolgenden Kulturen der mittelneolithischen Zeit: -> Altmärkische Tiefstichkeramik, -> Walternienburger Kultur, -> Nordische Trichterbecherkultur, -> Waltersdorfer Gruppe, -> Britzer Kultur, Wiórek-Kultur und Luboń-Kultur in Polen). Als bedeutsamer Fund wird die Siedlungskeramik von Schönermark (Landkreis Uckermark) angesehen (Kirsch 1994, 33) (Abb. 2, 3). Variantenreiche Trichterbecherformen und –schüsseln (Abb. 4), zum Teil mit Querhenkelösen, Amphoren mit zwei oder vier Henkeln (Abb. 5, 6), Schüsseln und Eimer (Abb. 7), verzierte Schalen (Abb. 8), Kragenflaschen (Abb. 4, 9) und Backteller sind die wichtigsten Gefäßformen. Löffel und Spinnwirtel vervollständigen das Repertoire. Anhand der selten vorkommenden Verzierungsmuster durch Ritz-, Stempel- oder Sticheindrücke in der Keramik können Beziehungen zur sogenannten Pikutkowo-Phase der Wiórek-Kultur (beide wiederum nach Fundorten in Großpolen benannt; Jażdżewski 1936) sowie der Luboń- bzw. Łupawa-Gruppe in Nordwestpolen nachgewiesen werden. Fransenmuster aus parallelen Linien in wechselnder Länge und Gruppierung auf dem Gefäßbauch von Trichterbechern, Tassen und Amphoren werden als Moltzower Stil nach dem Fundort Moltzow bei Waren/Müritz in Mecklenburg bezeichnet (Kirsch 1994; Grothe/Dirks 2014) (Abb. 10-14). Die Randpartie von Gefäßen kann wie zuvor in der frühen Trichterbecherkultur mit ein oder zwei Einstichzeilen oder einem Saum aus Meißelstempeln betont sein.
An Steingeräten dieser Phase der Trichterbecherkultur sind sogenannte „Flache Hammeräxte“ (Abb. 15), Fels- und Feuersteinbeile, langschmale dreieckige Feuersteinpfeilspitzen und querschneidige Pfeilspitzen neben den üblichen Klingengeräten überliefert. Die aus einem Grab bei Melzow (Landkreis Uckermark) geborgene Kupferspiralschmuckkette und der Kupferspiralfingerring sind dagegen als selten hervorzuheben (Dirks/Stark 2016) (Abb. 16). Auch aus dem großen Fundkomplex bei Grünow (Landkreis Uckermark) stammt ein Kupferschmuckstück (Grothe/Dirks 2014). Dieser Siedlungsfund ist noch nicht aufgearbeitet.
Ob die konzentrischen Mehrfachgrabenanlagen von Dyrotz und Berge im Landkreis Havelland mit hintereinander angeordneten Durchlässen bzw. Erdbrücken in diesen Zeithorizont gehören oder jünger sind, ist noch offen (Abb. 17).
Als Grabform gab es neben Flachgräbern die Hünenbetten ohne Grabkammer und Blockkammern oder Urdolmen, also schlichte viereckige Megalithgräber mit Deckstein aus Findlingen für eine Person (Schuldt 1975; Kirsch 1994) (Abb. 18). In der Uckermark sind Steinkisten vorherrschend. Neben dem Urdolmen von Schmölln (Landkreis Uckermark) lag eine Deponie mit Menschenknochen von 14 Individuen (Bartels/Storch 2018) (Abb. 19).
Literatur
Bartels, Rainer / Storch, Susanne: Belegung über drei Jahrtausende. Bestattungen auf dem Gräberfeld von Schmölln, Lkr. Uckermark. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2016. Darmstadt 2018, S. 41–43.
Beran, Jonas: Untersuchungen zur Stellung der Salzmünder Kultur im Jungneolithikum des Saalegebietes (= Beträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, 2). Wilkau-Hasslau 1993.
Dirks, Ulrich / Stark, Joachim: Ein Bestattungsplatz der frühen bis älteren Trichterbecherkultur bei Melzow, Lkr. Uckermark. In: Veröffentlichungen zur brandenburgischen Landesarchäologie 47 (2013), S. 109–138.
Grothe, Anja / Dirks, Ulrich: Frühes Kupfer und Moltzower Stil. Fundreicher Komplex der Trichterbecherkultur in Grünow, Lkr. Uckermark. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2012. Darmstadt 2014, S. 30–32.
Iffert, Manfred / Kirsch, Rainer: Ergebnisse der Luftbildinterpretation des Burgwalles von Berge, Kr. Nauen. In: Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landesmuseums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 27 (1993), S. 121–127.
Jażdżewski, Konrad: Kultura pucharów lejkowatych w Polsce zachodnie i środkowej (Die Trichterbecherkultur in West- und Mittelpolen). Poznan 1936.
Kirsch, Eberhard: Funde des Mittelneolithikums im Land Brandenburg (= Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg, 1). Potsdam 1993.
Kirsch, Eberhard: Beiträge zur älteren Trichterbecherkultur in Brandenburg (= Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg, 2). Potsdam 1994.
Preuß, Joachim: Die Baalberger Gruppe in Mitteldeutschland (= Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, 21). Berlin 1966.
Schuldt, Ewald: Die Nekropole von Wollschow, Kreis Pasewalk, und das Problem der neolithischen Steinkisten in Mecklenburg. In: Jahrbuch für Bodendenkmalpflege Mecklenburg 1974 (1975), S. 77–144.
Wetzel, Günter / Irrgang, Rene: Eine Kragenflasche von Hänchen bei Cottbus, Landkreis Spree-Neiße. In: Einsichten. Archäologische Beiträge für den Süden des Landes Brandenburg 2006/2007 (= Arbeitsberichte zur Bodendenkmalpflege in Brandenburg, 18). Wünsdorf 2008, S. 197–212.
Abbildungsnachweis
Abb. 1 BLDAM, nach Kirsch 1993.
Abb. 2 BLDAM, Foto D. Sommer.
Abb. 3 BLDAM, Foto D. Sommer.
Abb. 4 Nach Kirsch 1994, Abb. 15.
Abb. 5 Nach Kirsch 1994, Abb. 18.
Abb. 6 BLDAM, Foto D. Sommer.
Abb. 7 Nach Kirsch 1994, Abb. 22.
Abb. 8 Nach Kirsch 1994, Abb. 21.
Abb. 9 BLDAM, Foto D. Sommer.
Abb. 10 Nach Kirsch 1994, Abb. 34.
Abb. 11 Nach Kirsch 1994, Abb. 36.
Abb. 12 BLDAM, Foto D. Sommer.
Abb. 13 Nach Grothe/Dirks 2013, Abb. 15, Foto D. Sommer.
Abb. 14 Nach Grothe/Dirks 2013, Abb. 16, Foto D. Sommer.
Abb. 15 Nach Kirsch 1994, Abb. 28.
Abb. 16 Nach Dirks/Stark 2016, Abb. 9.1.
Abb. 17 Nach Iffert/Kirsch 1993, Abb. 57.
Abb. 18 Nach Kirsch 1994, Abb. 31.
Abb. 19 Nach Bartels/Storch 2018, Abb. 33.
Empfohlene Zitierweise
Wetzel, Günter: Übergangshorizont der Trichterbecherkultur (um 3800/3700–3400/3300 v. Chr.) Salzmünder Kultur, Moltzower Zierstil, publiziert am 30.04.2019; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)
Kategorien
Epochen: Frühzeit
Themen: Archäologie und Siedlung